Boreout: Kann uns Langeweile krank machen?
»Das langweilt mich zu Tode!«, sagen wir oft, wenn uns etwas anödet. Gestorben ist daran zwar noch niemand, aber kann uns Langeweile womöglich krank machen? Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, was genau wir mit »Langeweile« meinen. Psychologische Studien etwa an Studierenden offenbaren, dass es die Langeweile wohl nicht gibt, sondern vielmehr unterschiedliche Formen. In solchen Untersuchungen sollen die Probandinnen und Probanden regelmäßig ihre Emotionen protokollieren – sei es im Unterricht, beim Erledigen von Hausaufgaben oder in der Freizeit. Dabei zeigt sich: Die als Langeweile empfundenen Gefühle unterscheiden sich zum einen danach, wie sehr man sie als negativ erlebt, zum anderen nach dem Grad der körperlichen Aktivierung, also dem Erregungszustand.
Einen leicht positiven, entspannten Zustand der Routine oder Unterforderung bezeichnen Fachleute als indifferente Langeweile. Etwas stärker angespannt und missgestimmt ist man bei der so genannten kalibrierenden Langeweile, bei der man sich neue Anregungen wünscht. Die nächste Stufe ist die suchende Langeweile: Der Betreffende wird nervös und sieht sich nach spannenderen Aufgaben um. Besonders unangenehm ist die reaktante Langeweile, bei der die Ruhelosigkeit in Ärger umschlägt. Und schließlich kann es zur apathischen Langeweile kommen, die als sehr negativ erlebt wird, mit geringer Aktivierung einhergeht und den Symptomen einer Depression ähnelt.
Da all diese Varianten noch nicht lange bekannt sind, gibt es bisher nur wenig Hinweise darauf, wie sie die Gesundheit beeinflussen. Allerdings dürften vor allem als sehr negativ erlebte Formen wie die reaktante oder die apathische Langeweile bei häufigem Auftreten psychische und psychosomatische Probleme fördern.
Zudem kann der geistige Leerlauf indirekt die Gesundheit beeinträchtigen. Gelangweilte Menschen flüchten sich oft in Tagträume, was im Extremfall eine Abwärtsspirale auslöst: Die Langeweile führt zu schlechten Leistungen, diese wiederum befeuern die Langeweile. Daraus resultierende Misserfolge in Ausbildung und Beruf können ebenfalls belasten.
Und noch ein weiterer Aspekt ist zu beachten: Langeweile deutet häufig darauf hin, dass jemand das eigene Tun als wenig sinnvoll empfindet. Sie ist die einzige Emotion, die besonders ausgeprägt ist, wenn uns eine Sache oder Aufgabe unwichtig erscheint. In diesem Sinne zeugt sie meist von fehlender Sinnerfüllung im Leben – und auch das kann körperlich und psychisch krank machen. Nicht umsonst sah der österreichische Psychiater Viktor Emil Frankl (1905–1997), der Begründer der Logotherapie, im Lebenssinn eine wichtige Säule der Gesundheit.
In den letzten Jahren hat sich für ungesunde Langeweile der Begriff »Boreout« etabliert – ein negativer Zustand beruflicher Unterforderung, der mit vielfältigen Symptomen wie Niedergeschlagenheit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder anderen Beschwerden einhergeht. Das »Boreout-Syndrom« ist jedoch, wie sein Pendant Burnout, keine anerkannte Diagnose und nicht klar definiert. Laut der Forschung entsteht Langeweile nicht nur als Folge von Unterforderung, sondern sie kann ebenso gut bei starker Überforderung auftreten.
Die gute Nachricht: Wir sind dem, was uns anödet, nicht hilflos ausgeliefert. Wenn Sie eine eintönige Situation nicht vermeiden oder interessanter gestalten können, versuchen Sie doch einmal, einen Sinn darin zu finden! Sehen Sie etwa einen Aufenthalt im Wartezimmer beim Arzt als Gelegenheit, sich zu entspannen und in sich zu gehen. Auch die Einsicht, dass es nicht schlimm ist, wenn man sich hin und wieder langweilt, ist oft hilfreich. In geringen Dosen kann dies sogar Raum für neue, kreative Ideen schaffen.
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