Gedächtnis: Merken wir uns von Hand notierte Dinge besser als getippte?
Obwohl viele Studierende heute schneller auf der Tastatur ihres Laptops, Smartphones oder Tablets tippen, als etwas handschriftlich zu notieren, scheinen Stift und Papier immer noch von Vorteil zu sein. Das berichteten Pam Mueller und Daniel Oppenheimer 2014: Sie präsentierten 65 Probanden Videos von Vorträgen und baten je die Hälfte von ihnen, sich per Tastatur oder per Hand Notizen zu machen. Nach einer Pause überprüften die Psychologen, wie viele Informationen die Studierenden im Gedächtnis behalten hatten. Reines Faktenwissen merkten sich beide Gruppen zwar gleich gut. Bei Verständnisfragen zu komplizierteren Zusammenhängen jedoch schnitten diejenigen deutlich besser ab, die Block und Stift benutzt hatten.
Ein Blick in die Notizen offenbarte: Während am Rechner ganze Passagen wortwörtlich mitgeschrieben worden waren, enthielten die handschriftlichen Gedächtnisstützen mehr eigene Formulierungen und waren insgesamt kürzer. Je weniger originalgetreu die Teilnehmer etwas niedergeschrieben hatten, desto besser beantworteten sie anschließend die kniffligen Fragen der Forscher. Auch in zwei weiteren Untersuchungen, in denen die Laptopbenutzer ausdrücklich gebeten wurden, nicht einfach den Wortlaut zu transkribieren, schnitt die Gruppe mit Kugelschreiber und Blatt besser ab.
Wer per Hand schreibt, denkt mehr nach
Mueller und Oppenheimer erklären ihr Ergebnis so: Da wir per Hand nicht schnell genug schreiben können, um alles zu notieren, müssen wir überlegen, wie wir die Inhalte sinnvoll verdichten und zusammenfassen können. Wir werden also zum Nachdenken angeregt! Dadurch werden die Inhalte tiefer verarbeitet, was das Behalten fördert.
Doch wie gut bleibt Notiertes überhaupt in unserem Gedächtnis? Laut der Enkodierhypothese ist es allein schon deshalb hilfreich, etwas zu Papier zu bringen, weil wir uns dabei Gedanken über das Thema machen: Was war die wichtigste Botschaft? Wie fasse ich sie in einem Satz zusammen?
Schule und Studium: Die fünf besten Lernstrategien
Eine alternative Annahme – die externe Speicherhypothese – besagt dagegen, dass der Prozess des Aufschreibens selbst gar nicht das Entscheidende ist. Wir profitieren vielmehr später von unseren Unterlagen, wenn wir sie noch einmal zur Hand nehmen. Demnach wäre es sogar unerheblich, ob Studierende anhand ihrer eigenen Aufzeichnungen oder mit denen eines Kommilitonen lernen. Hauptsache, sie bereiten sich auf die Prüfung vor!
Notizen erleichtern das Lernen
Die Frage, ob Personen mit den eigenen Notizen leichter lernen als mit fremden, lässt sich bisher nicht eindeutig beantworten. In einer Studie von 1992 machte es jedenfalls keinen Unterschied, ob Probanden vor einem Leistungstest noch einmal den eigenen Aufschrieb oder den Originaltext erhielten.
Dass es – wie von der externen Speicherhypothese postuliert – sinnvoll ist, beim Lernen auf Notizen zurückzugreifen, ist dagegen eindeutig belegt. Allgemein scheinen diejenigen, die aus eigenem Antrieb ausführliche Aufzeichnungen verfassen, besonders leicht zu lernen. Doch daraus können wir nicht schließen, dass Mitschreiben an sich eine erfolgreiche Lernstrategie ist. Ich rate meinen Studierenden trotzdem dazu – denn schaden kann es auf keinen Fall. Und am besten greift man dabei zu Stift und Papier.
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