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Körperbehaarung: Wachsen Haare nach dem Rasieren schneller?

Aktuelle Modetrends verlagern derzeit die Rasur vom Gesicht weg in tiefere Körperregionen; modeaffine Männer und Frauen bringen dort also vermehrt Rasierklingen, Wachs und Epiliergeräte in Stellung. Hier bleibt, unabhängig von jeder wechselnden Mode, ein alter, oft gehörter Verdacht aktuell: Lässt nicht jede Rasur den Haarwuchs am Ende sogar stärker und dichter werden?
Rasierpinsel mit Schaum

Forscher widmen sich der Frage, ob eine Rasur zu vermehrtem Haarwuchs führt, seit vielen Jahrzehnten. Schon 1928 nahmen vier männliche Probanden an einer von der Anthropologin Mildred Trotter an der Washington University initiierten Studie teil, die eine endgültige Antwort liefern sollte: Unter streng wissenschaftlich kontrollierten Nassrasur-Bedingungen (gleiche Bewegungen, Rasierseifen, Klingen-Marken und Wassertemperatur) enthaarten sich die Teilnehmer und sammelten akribisch Stoppeln, um je 100 davon nach jedem Rasiervorgang exakt zu vermessen und zu vergleichen [1]. Am Ende ergab sich, was bei ähnlichen Versuchen immer herauskommt: keinerlei Hinweis darauf, dass der Bartwuchs mit jeder Rasur stärker würde.

Dichteres Haar nach der Rasur?

Nicht, dass die Sache damit ad acta gelegt war: Bis in die jüngere Vergangenheit testeten und testeten Haarwuchsexperten unermüdlich weiter. Als nur ein anderes Beispiel sei eine Studie aus dem Jahr 1970 zitiert, für die sich fünf Probanden "über einige Monate hinweg" regelmäßig immer nur eines ihrer Beine (das andere diente als Negativkontrolle) rasiert hatten [2]. Natürlich mit dem üblichen Ergebnis: Rasierte Haare wachsen wie unrasierte.

Was auch niemanden überraschen sollte, findet Amy McMichael, die Chefin der Dermatologie-Abteilung am Wake Forest Baptist Medical Center in den USA. Neben naheliegenden biologischen Gründen – geschnitten wird ja immer das tote, hintere Ende der Haare – spricht auch die Alltagserfahrung gegen die Idee. Schließlich leidet keine der Millionen Frauen, die sich seit der Pubertät die Beine rasiert, mit den Jahren an zunehmend dichter nachwachsendem Körperpelz. Und auch keine werdende Glatze wurde bislang gestoppt, indem man sie präventiv zur Stärkung rasiert hat.

Die Antwort ist also so eindeutig (kurz und schlicht: Nein!), dass eine andere Frage zur eigentlichen wird: Warum glauben wir so hartnäckig, dass die häufige Rasur das Haarwachstum fördert?

Zum einen liegt das an einem Wahrnehmungsproblem: "Wir sind eben keine wirklich guten Beobachter", meint McMichael. Vielleicht wird der Mythos gelegentlich durch das Zusammentreffen von Wunsch, Wirklichkeit und Hormonen bestärkt, der bei einer persönlich besonders betroffenen Gruppe vorkommt: jungen Männern mit großer Sehnsucht nach dem ersten Bart. Auch bei ihnen wachsen Haare nicht durch die Rasur, sondern mit der Zeit. Der immer dichtere Flaum im Verlauf der pubertätsbedingten Hormonumstellung könnte allerdings so wahrgenommen werden, als ob die Rasierklinge hier mithelfen würde.

Ansonsten, ergänzt die Dermatologin, können die nachwachsenden Stoppeln frisch rasierter Haare tatsächlich auch ein wenig dicker wirken. Das liegt daran, dass menschliche Haare wie Bleistifte in einer Spitze auslaufen – wird diese gekappt, sehen wir oft mehr von dem dickeren, dunkleren Haarquerschnitt darunter. Zudem stehen die kurzen Stoppel umso gerader aus ihren Follikeln heraus und treten stärker hervor. Auch sind Haare meist mit zunehmendem Alter heller und fallen dann weniger auf: Sonne und Chemikalien bleichen sie ein wenig. Schneller oder dichter wächst die Behaarung jedenfalls nicht nach der Rasur, und einzelne Haare werden auch nicht dicker.


Eine Originalversion des Textes ist unter dem Titel "Fact or Fiction? If You Shave (or Wax), Your Hair Will Come Back Thicker" in "Scientific American" erschienen.

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