Musik: Wann verursacht Musik eine Gänsehaut?
Der wohlige Schauer beim Musikhören stellt sich dann ein, wenn uns ein Stück nicht nur emotional fesselt, sondern auch überrascht: Das kann etwa durch eine originelle Wendung in der Melodie passieren, die wir nicht erwarten. Meine Arbeitsgruppe und ich suchten lange nach bestimmten Akkordfolgen, die diese Gänsehaut verursachen. Ein universelles "Gänsehautlied" konnten wir jedoch nicht finden.
Gänsehaut ist Typsache
Ob eher die Arie einer Verdi-Oper oder der Beatles-Song "Yesterday" eine Gänsehaut auslöst, hängt hauptsächlich vom Einzelnen ab. Das stellten wir in mehreren Studien fest. So gibt es Menschen, die besonders leicht emotional auf Musik reagieren. Häufig spielen sie selbst ein Instrument, arbeiten in sozialen Berufen oder werden in psychologischen Fragebögen als "belohnungsabhängig" eingestuft – das heißt, ihr Selbstwertgefühl hängt besonders davon ab, was andere von ihnen denken. Etwa 30 Prozent der Menschen reagieren auf Melodien dagegen nie mit Gänsehaut.
Auch die Biografie spielt eine Rolle: Erinnert ein Lied etwa an eine frühere Liebe oder einen schönen Urlaub, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Person darauf eine Gänsehaut bekommt. Und wenn ich selbst Klavier spiele, erzeugen Pianoklänge bei mir eher einen angenehmen Schauer als bei jemandem, der Gitarre spielen gelernt hat.
Die menschliche Stimme erzeugt am leichtesten eine Gänsehaut
Am häufigsten verzaubert uns jedoch die menschliche Stimme, wie unsere Arbeitsgruppe in einer 2010 veröffentlichten Studie zeigen konnte. Auch Instrumente, deren Klang dem der menschlichen Stimme ähnelt, lösen leichter Gänsehaut aus: etwa Bratsche, Cello, Geige oder Saxofon. Entscheidend ist dabei der eigene Musikgeschmack. Ein Rapper erschaudert nicht bei Brahms oder Schubert, ein Death-Metal-Fan nicht bei Britney Spears – zumindest nicht im positiven Sinn!
Hat ein Lied einmal eine Gänsehaut ausgelöst, so behält man es besser im Gedächtnis. Wir gehen davon aus, dass darin ein evolutionärer Vorteil liegt: Es könnte unser Repertoire an gespeicherten auditiven Mustern erweitert und so die Fähigkeit geschult haben, zwischen verschiedenen akustischen Reizen zu unterscheiden, zum Beispiel den Geräuschen eines heranschleichenden Raubtiers und den harmlosen Tritten eines Artgenossen.
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