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Schlafmedizin: Warum fallen wir im Schlaf nicht aus dem Bett?

Gesunde Erwachsene sind dank eines unbewussten Lernprozesses im Bett sicher. Wer wiederholt von der Matratze fällt, sollte einen Schlafmediziner konsultieren.
Ein junger Mann liegt mit angewinkeltem Bein im Bett und schläft.

Viele haben es schon erlebt: Das Kind schläft im Bett der Eltern oder übernachtet bei den Großeltern in einem normalen Erwachsenenbett. Eine ungestüme Drehung und schon plumpst es zu Boden, verletzt sich womöglich noch dabei. An Ratschlägen, um dem vorzubeugen, mangelt es nicht – vom Gitterbettchen über Schlafsäcke bis zur dicken Bettwurst. Doch wieso brauchen wir Erwachsene solche Maßnahmen eigentlich nicht?

Bestimmte Bewegungsabläufe bleiben, einmal verinnerlicht, normalerweise ein Leben lang bestehen. Dieses Handlungswissen, auch prozedurales Wissen genannt, zählt zum impliziten Gedächtnis und ist relativ stabil. Sobald wir etwa den motorischen Ablauf des Radfahrens erlernt haben, vergessen wir ihn in aller Regel nicht mehr. Ähnlich verhält es sich mit dem sicheren Liegen im Bett. Kinder müssen erst unbewusst lernen, wie weit sie sich hin- und herwälzen dürfen, ohne von der Kante zu purzeln.

Ein Erwachsener wird bis zu zwölfmal in der Nacht wach und ändert häufig seine Liegeposition. Das geschieht aber genau genommen nicht im Schlaf, sondern wir wachen dann für einen Moment auf – etwa weil wir frieren oder unbequem liegen. Solche kurzen Wachphasen sind im EEG erkennbar, dem Schläfer selbst jedoch meist nicht bewusst. Man schläft sofort wieder ein und vergisst die Episode. Ein solcher Halbschlaf reicht trotzdem aus, um zu bemerken, dass man etwa gefährlich nahe am Bettrand liegt oder dass ein Arm oder Bein heraushängt. Erwachsene scannen in diesen Momenten quasi automatisch die Umrisse des Betts und manövrieren nicht über seine Grenzen hinaus, sondern zurück in die Bettmitte.

Kleinere Bewegungen einzelner Muskelgruppen kommen sogar noch häufiger vor – bis zu 60-mal in der Nacht. Lägen wir die ganze Zeit starr im Bett, hätten wir nämlich bald Druckgeschwüre an den Auflagepunkten des Körpers. Große, ausladende Bewegungen sind hingegen selten. Warum? Je tiefer ein Mensch schläft, umso stärker fährt der Muskeltonus herunter. Das heißt, wir sind im Tiefschlaf so gut wie gelähmt. Dies schützt uns vor Verletzungen.

Allerdings berichten auch Erwachsene hin und wieder davon, sie seien neben dem Bett aufgewacht – zum Teil mit Prellungen. Dahinter kann eine Störung der Muskelkontrolle stecken. So gibt es bekanntlich Menschen, die sich sehr wohl im Tiefschlaf bewegen können: Schlafwandler. Hirnaufnahmen mittels bildgebender Verfahren zeigen, dass bei ihnen die für die Motorik zuständigen Areale aktiviert sind, obwohl die Betroffenen gar nicht wach sind. Das erklärt, warum Schlafwandler herumlaufen, aber nicht ansprechbar sind und sich am nächsten Morgen nicht an ihren nächtlichen Ausflug erinnern. Besonders in fremder Umgebung besteht dabei Verletzungsgefahr.

Ein Erwachsener wird bis zu zwölfmal in der Nacht wach

Außerdem setzen manche Menschen ihre Träume in Bewegungen um. Im Traumschlaf fährt das Gehirn die Muskelaktivität normalerweise ebenfalls herunter. Bei Patienten mit einer so genannten REM-Schlaf-Verhaltensstörung funktioniert das aber nicht richtig. Manchmal entwickeln sie im späteren Leben eine neurodegenerative Erkrankung wie Parkinson oder Demenz. Daher sollten sie sich regelmäßig neurologisch untersuchen lassen.

Gesunde Erwachsene sind also dank eines unbewussten Lernprozesses im Bett sicher. Wer dagegen wiederholt von der Matratze fällt, sollte einen Schlafmediziner konsultieren.

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  • Quellen

Kotterba, S.: Bewegungsstörungen im Schlaf: Was dominiert bei Frauen, was bei Männern? Der Allgemeinarzt 16, 2018

Kotterba, S.: Differenzialdiagnose schlafbezogener Anfälle: Narkolepsie und schlafbezogene Bewegungsstörungen. Neurotransmitter 5, 2010

Steinberg, R. et al.: Schlafmedizin. Grundlagen und Praxis. Uni-Med Science, 2. Auflage 2010

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