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Winterwelt: Warum ist Schnee weiß?

Ob als Zapfen oder Würfel, gefrorenes Wasser ist meist farblos und durchsichtig. In seiner beliebtesten Form, dem Schnee, ist Eis hingegen weiß. Wie kommt das?
Kätzchen im Schnee

Wenn dicke Flocken vom Himmel fallen, verstecken sie Straßen, Häuser und Felder unter einer Schneeschicht weiß wie Zuckerguss. Eine zugefrorene Pfütze erspart uns hingegen nur selten den Anblick einer schmuddelgrauen Straße – denn Eis ist bekanntermaßen nahezu durchsichtig. Wie kommt es nun, dass gefrorenes Wasser in Form von Schnee weiß ist?

Unter dem Mikroskop betrachtet sind die winzigen Eiskristalle, aus denen der Schnee besteht, transparent. Nur durch die Art und Weise, wie sie das einfallende Licht streuen, nehmen wir sie als weiß wahr. Anders als bei Eis trifft die Strahlung bei den sechseckig verzweigten Sternen, Plättchen oder Prismen der Schneeflocken auf eine Vielzahl von gegeneinander verdrehten und verkippten Oberflächen. Diese werfen das Licht in unterschiedliche Richtungen zurück, ähnlich wie Millionen von winzigen Spiegelscherben. Durch die Überlagerung der vielfach reflektierten Strahlung erscheint der Schnee weiß – genau wie ungefiltertes Sonnenlicht.

Pures Wassereis ist für das Sonnenlicht hingegen sehr durchlässig. Ein Teil des eintreffenden Lichts wird an der Oberfläche gebrochen, wie dies auch bei flüssigem Wasser der Fall ist. Ein anderer Teil wird an der Grenzfläche geordnet reflektiert, wodurch wie bei anderen glatten Oberflächen ein Spiegelbild zu erkennen ist. Diese Reflexionseigenschaften kann man sich zu Nutze machen, etwa um transparente Materialien weniger durchsichtig zu machen. Beispielsweise wirft die aufgeraute Oberfläche von Milchglas das einfallende Licht in unterschiedliche Richtungen zurück und wirkt daher weiß und weniger transparent. Hier ist also derselbe Effekt am Werk wie beim Schnee.

Ausgeflockt

Durch das hohe Rückstrahlvermögen des Schnees besteht – insbesondere bei Neuschnee – die Gefahr, dass Skifahrer sich schneller einen Sonnenbrand zuziehen. Neuschnee wirft bis zu 90 Prozent des Sonnenlichts zurück, wobei sich die Reflexionsstrahlung bei schmelzendem Altschnee bis auf knapp 50 Prozent reduziert. Schneefreier Rasen hingegen wirft nur rund 20 Prozent des einfallenden Sonnenlichts zurück. Meteorologen verwenden als Maß dafür die so genannte Albedo (benannt nach dem lateinischen "albus" für weiß); sie beziffert den Anteil des zurückgeworfenen Lichts einer Oberfläche und liegt bei Neuschnee bei zum Beispiel bei 0,9.

Schneekristalle bilden sich in der Atmosphäre, wenn Wasserdampfmoleküle sich an Luftpartikel (so genannte Eiskeime) anlagern. Anders als reines Eis schließen sie dabei viel Luft mit ein. Die manchmal mehrere Zentimeter großen Schneeflocken entstehen, wenn sich mehrere Kristalle auf ihrem Weg zur Erde verheddern. Neben den verzweigten Sternen entstehen je nach Feuchte und Temperatur Schneekristalle in Form von sechseckigen Plättchen, Eisnadeln mit sechseckigem Querschnitt oder unregelmäßige Graupel oder Hagel. Ihre meist hexagonale Struktur verdanken sie dem Umstand, dass sich gefrierende Wassermoleküle im Winkel von 120 Grad am günstigsten zusammenlagern können.

Warum sind Eisberge blau?

Obwohl sie aus Eis bestehen, erscheinen auch Eisberge oft weiß wie Schnee. Im Eis eingeschlossene Luftbläschen streuen in diesen Fällen das Licht und verleihen den Kolossen ihr strahlend weißes Aussehen. Schneidet man Gletschereis jedoch in dünne Lagen, ist es ebenfalls durchsichtig, sofern es keine Einschlüsse hat. Mächtige Gletscher aus reinem Eis wirken allerdings weder durchsichtig noch weiß, sondern leuchtend blau. Grund dafür sind die chemischen Bindungen im Kristallgitter. Sie wirken wie ein schwacher Farbfilter und schlucken vor allem die langwelligen Anteile des Sonnenlichts von rot über orange bis grün, während die kurzwellige blaue Strahlung reflektiert wird. Anders als bei Schnee, der das volle Spektrum des Sonnenlichtes reflektiert, entsteht durch diese selektive Absorption der Strahlung ein blauer Farbeindruck.

Viel bunter kann die Färbung von Schnee durch biologische Ursachen ausfallen. Zu den bekanntesten Phänomenen gehört dabei der dunkelrot gefärbte Blutschnee. Zu Stande kommt die Farbe jedoch nicht durch Blut, sondern durch die roten Pigmente von Sporen spezialisierter Algen. Carotinoide wie Astaxanthin schützen die Kleinstlebewesen vor UV-Strahlung und verfärben bei einer Algenblüte das unschuldige Weiß. Chlamydomonas nivalis, der bekannteste Verursacher von Blutschnee, ist beispielsweise von Mai bis August auf der Oberfläche von Schneefeldern der Schweizer Alpen zu beobachten, aber auch in anderen Berg- und Polarregionen. Die Rotfärbung durch die Algen beschleunigt wahrscheinlich sogar die Schneeschmelze in der Arktis, wie aktuelle Studien vermuten lassen. Die Pigmente bestimmter Grün- oder Goldalgen können auch für eine grüne oder gelbliche Färbung des Schnees sorgen. Abgesehen von anderen biologischen Ursachen kann Schnee ferner durch feinen Wüstenstaub gelb gefärbt sein, der nach einem Sandsturm in der Sahara bei entsprechenden Windverhältnissen verdriftet wird.

Schneeflöckchen, Grauröckchen

Die Farbe des Schnees haben wir Menschen seit der Industrialisierung durchaus verändert – aus den "Schneeflöckchen, Weißröckchen" im Kinderlied sind "Grauröckchen" geworden. Schneekristalle binden nämlich allerlei Luftpartikel, darunter Ruß, aber auch viele andere Giftstoffe. Selbst in abgelegenen Gegenden der Alpen enthält der Schnee mittlerweile 100 bis 300 Mikrogramm Kohlenstoff pro Liter Schmelzwasser. Lediglich in der nahezu unberührten Antarktis gibt es mit 0,1 bis 3 Mikrogramm Kohlenstoff pro Liter immerhin noch "echte Weißröckchen".

Die Rußpartikel im Schnee sind allerdings mehr als nur ein ästhetisches Problem. Sie absorbieren das Sonnenlicht und verringern die Menge an abgestrahltem Licht von Schneefeldern, was diese schneller schmelzen lässt und wiederum Folgen für das weltweite Klima hat: Modelle zeigen, dass die verminderte Albedo der nicht mehr ganz so weißen Schneeflöckchen durch die Rußpartikel seit 1880 für ein Viertel der globalen Erwärmung verantwortlich ist. Denn wenn wenig oder gar kein Schnee liegt, heizt sich die Oberfläche stärker auf. Die eingestrahlte Sonnenergie verbleibt dadurch in der Atmosphäre, anstatt ins All zurückgestrahlt zu werden. Ein Grund mehr, in Zukunft nicht nur auf "weiße Weihnacht" zu hoffen, sondern durch Umweltschutzmaßnahmen aktiv dazu beizutragen.

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