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Familienleben: Warum können sich manche Geschwister nicht ausstehen?

Einige Geschwister kriegen sich regelmäßig in die Haare, andere gehen sich einfach aus dem Weg. Das kann nicht nur mit ihrer Persönlichkeit, sondern ebenso mit dem Verhalten der Eltern zusammenhängen.
Streitende Geschwister

Raufen, Rangeln, Reibereien: In der Kindheit gehört Streit zwischen Geschwistern zur Tagesordnung. Doch bedeutet das auch, dass sie sich nicht leiden können?

Die gute Nachricht: »Tatsächlich mögen die meisten Geschwister einander«, sagt die Psychoanalytikerin und Buchautorin Dorothee Adam-Lauterbach. Konkurrenz und Neid unter Geschwistern seien indes gerade in jungen Jahren normal, gar für die Entwicklung förderlich. »Das gegenseitige Messen kann die Kinder anspornen und ermutigen, sich in etwas zu verbessern. Zugleich schafft das Unterschiede zwischen den Geschwistern, was es ihnen später ermöglicht, sich besser voneinander abzugrenzen«, erklärt sie.

Ebenso seien Aggressionen normal, meint der Psychologe Jürg Frick, der ein Buch über die Beziehung zwischen Geschwistern geschrieben hat. »Ein Stück weit gehört es dazu, dass Kinder sich auch körperlich aneinander messen. Die Kinder lernen dabei, mit ihren Kräften umzugehen, zu erkennen, was Spiel und was Ernst ist – und dann auch zu akzeptieren, wenn der andere nicht mehr will.«

Konkurrenzverhalten und Reibungen versiegen üblicherweise mit dem Älterwerden. Aber was, wenn die Kluft zwischen Geschwistern doch tiefer ist? Woher kommt es, wenn sie nicht nur altersgerechte Rangeleien austragen, sondern sich wirklich nicht leiden können?

Mehr Harmonie bei gleichem Geschlecht?

Forscher haben vielfältige Einflüsse untersucht. Ob Geschwister gut miteinander auskommen, als Kinder wie als Erwachsene, hängt demnach unter anderem vom Altersunterschied und vom Geschlecht der Geschwister ab. Im Durchschnitt gilt: Umso größer die Altersschere zwischen zwei Geschwistern, desto weniger gemeinsame Interessen gibt es und desto weniger Bindung entsteht. Statt emotionaler Konkurrenzkämpfe können dann Desinteresse oder Gleichgültigkeit vorherrschen. Eine finnische Studie mit rund 4000 Geschwistern zwischen 19 und 67 Jahren zeigt, dass Brüder und Schwestern als Erwachsene mehr Kontakt miteinander haben, wenn der Altersunterschied klein ist. Dieselbe Studie offenbarte auch, dass sich zwei Schwestern oder zwei Brüder eher nahestehen als Bruder und Schwester. Andere Erhebungen legen wiederum nahe, dass mehr Harmonie im Kinderzimmer herrscht, wenn ein Geschwisterkind weiblich ist.

Eine weiterer Faktor kann die Persönlichkeit der Kinder sein. Gleich und Gleich gesellt sich gern, heißt es bekanntlich. Kanadische Psychologen kamen jedoch zu einem anderen Ergebnis, als sie 321 Geschwisterpärchen im Kindesalter beim Spielen beobachteten. Für die Bindung zwischen ihnen war es unerheblich, ob sie sich in ihrem Wesen ähnelten. Vielmehr kam es auf Eigenschaften wie Umgänglichkeit und emotionale Stabilität des jüngeren Kindes an, besonders im Zusammenspiel mit älteren Schwestern – die älteren Brüder reagierten weniger sensibel auf egozentrisches und neurotisches Verhalten ihrer kleineren Geschwister.

Zu einem ähnlichen Befund kam ein englisches Forschungsteam nach einer mehrjährigen Untersuchung von mehr als 2000 Familien: Die Geschwisterbeziehung litt, wenn eines der Geschwister Verhaltensprobleme zeigte. War ein Kind zum Beispiel öfter aggressiv, dann belastete das die Beziehung. Umgekehrt förderte es das Miteinander, wenn sich ein Geschwister sehr sozial verhielt.

»Eine ungleiche Behandlung kann die Geschwisterbeziehung übers ganze Leben hinweg belasten«
Psychotherapeutin Dorothee Adam-Lauterbach

»Eine zentrale Rolle für den Umgang der Kinder untereinander spielen allerdings die Eltern«, sagt Jürg Frick. Mutter und Vater sollten zunächst ihren eigenen Anteil prüfen: »Viele Eltern unterschätzen ihren Einfluss auf die Stimmung im Kinderzimmer«, hat er beobachtet. Sind ihre Erwartungen an die Kinder hoch, könne das den Druck auf den Nachwuchs erhöhen und damit auch die Spannung zwischen den Geschwistern. Ziehen sie häufig Vergleiche zwischen den Kindern oder bevorzugen sie eines, könne das Konkurrenzgefühle und damit Streit, Neid und Abneigung begünstigen.

»Eine ungleiche Behandlung kann die Geschwisterbeziehung übers ganze Leben hinweg belasten«, betont auch Psychotherapeutin Adam-Lauterbach. Regelmäßig säßen in ihrer Praxis sogar Erwachsene, gar Betagte, deren psychische Probleme in Teilen darin wurzelten.

Doch manche Geschwisterbeziehungen wandeln sich noch im fortgeschrittenen Alter, zum Guten wie zum Schlechten. Dreh- und Angelpunkt sind meist einschneidende Ereignisse, und auch hier geht es nicht selten um die Eltern. »Durch den Tod von Mutter und Vater etwa können die erwachsenen Kinder sich wieder näherkommen – oder aber durch das Testament entzweit werden«, sagt Jürg Frick.

Ein anderer typischer Krisenherd ist die Pflege der Eltern. »In solchen Zeiten können alte, unbearbeitete Konflikte zwischen Brüdern und Schwestern wieder hochkochen«, sagt Adam-Lauterbach. Können. »Denn«, so fügt sie hinzu, »meine Erfahrung ist, dass solche kritischen Momente die Geschwister auf einer reiferen Ebene eher wieder zueinanderführen.«

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