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Warum sind lebende Hummer schwarzblau und färben sich rot, wenn sie gekocht werden?

Bei diesem Anblick läuft Gourmets das Wasser im Munde zusammen: große Hummer mit einer gesunden tiefroten Farbe inmitten eines üppigen Büfetts. Für das Krustentier ist diese Röte allerdings nicht wirklich förderlich, denn die Farbe erreicht es erst durch ein ausgiebiges Bad in kochendem Wasser.

In lebendem Zustand ist der Hummer dagegen schwarzblau – was in seiner steinigen Unterwasserheimat auch sinnvoller und sicherer ist. Denn der europäische Homarus gammarus und sein amerikanischer Vetter Homarus americanus leben in kühlen Gewässern des Nordatlantiks, wo man im Allgemeinen eher gediegene Töne trägt, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Schließlich harmoniert die dunkle Färbung besser mit dem Untergrund als knallige Töne.

Diese Tarnung schützt sie aber nicht vor der Nachstellung des Menschen, der sich zu gern an ihrem weißen Fleisch labt. Und wissbegierig, wie der Beutegreifer Homo sapiens ist, begnügt er sich nicht nur mit dem Genuss der Delikatesse: Er geht der farblichen Transformation ebenfalls auf den Grund.

Relativ einfach war in diesem Zusammenhang noch die Entschlüsselung der hummerlichen Errötung. Die Farbgebung des Tiers wird durch zwei verschiedene Verbindungen bestimmt: das Protein Crustacyanin und das Pigment Astaxanthin, welches zu den Karotinoiden zählt, die ebenso Tomaten, Orangen, Vogelfedern oder Karotten einfärben. Lebt der Lobster, so bindet sich Astaxanthin an das Eiweiß, und der Wasserbewohner ist schwarzblau.

Das hängt mit den Längenwellen des Lichts zusammen, die ein bestimmter Stoff absorbiert oder reflektiert. Karotinoide nehmen blaues sowie grünes Licht auf und werfen den roten Teil des Spektrums zurück, was im Normalfall ihre knallige Farbe bewirkt. Im Hummer ist nun jedoch das Astaxanthin in das Crustacyanin eingebaut. Und dadurch verschiebt sich das Absorptionsspektrum des Pigments weiter in den langwelligen Bereich: Nun schluckt es neben Blau und Grün auch den roten Anteil und damit jegliches Licht. Das Tier erscheint schwarz.

Mit dem Kochen verändert sich durch die große Hitze die chemische Struktur des Proteins – es denaturiert. Gleichzeitig entlässt es das Karotinoid aus seiner Bindung, und der Hummer wird rot.

Wie Wissenschaftler um Francisco Buda von der Universität Leiden allerdings durch Berechnungen des Energiezustands des Pigments herausgefunden haben, würde die reine Anbindung des Astaxanthins an das Crustacyanin das Absorptionsspektrum des Karotinoids nur um etwa 30 Prozent verschieben. Dies allein reicht also nicht aus, um die Rotfärbung komplett zu unterdrücken.

Magnetresonanztomografien zeigen nun, dass die Astaxanthinmoleküle im Eiweiß jeweils in Paaren gruppiert sind, die sich in X-Form kreuzen. Damit überlagern und hemmen sie einander, was wiederum Einfluss auf ihr Energieniveau hat. In der Folge kommt es zu einer zusätzlichen Verschiebung des Absorptionsspektrums, und die Verbindungen nehmen den gesamten Wellenbereich sichtbaren Lichts auf: Der Hummer kann sich im dunklen Wasser gut verstecken.

Die Krustentiere werden übrigens in diesem schwarzblauen, lebenden Zustand verkauft, da sie schnell verderben. Ob sie aber deshalb auch unbedingt lebendig gesotten werden müssen, sei dahingestellt.

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