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Hirnforschung: Warum wachen wir oft kurz vor dem Wecker auf?

Wenn wir am Abend wissen, dass wir am nächsten Morgen pünktlich aus dem Bett müssen, hilft unser Körper mit: in Form des Botenstoffs Kortisol.
Wecker

Der Wecker ist auf halb fünf gestellt, schließlich darf man das Flugzeug am nächsten Morgen auf keinen Fall verpassen. Doch noch bevor der erbarmungslose Ton erklingt, sind die Augen offen. Woher weiß der Körper, wann er aufzuwachen hat?

Der Schlaf-wach-Rhythmus ist in unseren Genen fest verankert und hilft uns schon seit Urzeiten zu überleben: Während der Dunkelheit, wenn unser Sehvermögen nachlässt und die Welt um uns herum gefährlicher wird, ziehen wir uns vernünftigerweise an einen sicheren Ort zurück – früher in Höhlen, heute in wohltemperierte Schlafzimmer. In dieser Zeit richtet der Körper seine Energie auf Reparatur- und Regenerationsprozesse, um für den nächsten Tag gewappnet zu sein. Kurz: Wir schlafen. Damit das reibungslos klappt, entwickelte der Mensch mehrere innere Uhren, die im Gleichklang mit dem äußeren Hell-dunkel-Rhythmus ticken. Diese können allerdings mitunter vom 24-Stunden-Tag abweichen.

Die Hauptuhr des Menschen sitzt im Gehirn: der Nucleus suprachiasmaticus, der die Information, ob es draußen gerade hell oder dunkel ist, über die Augen erhält. Dieser winzige Nervenknoten über der Kreuzung der beiden Sehnerven ist unter anderem für den rhythmischen Verlauf der Körperfunktionen verantwortlich. So gibt der Nucleus suprachiasmaticus Informationen über Tag und Nacht an die Zirbeldrüse weiter, die über die Produktion des Schlafhormons Melatonin den restlichen Organismus auf den bevorstehenden Schlummer vorbereitet.

Alle Zellen unseres Körpers können tagesrhythmisch aktiv sein. Dann stellen sie sozusagen kleine Unteruhren dar, die vom Nucleus suprachiasmaticus, der »Master Clock«, beeinflusst werden, aber nicht zwingend von ihr abhängig sind. So hat jedes Organ eine eigene Uhr, welche die zeitlichen Muster seiner Funktion bestimmt. Uhren in der Bauchspeicheldrüse regulieren beispielsweise die Insulinproduktion und solche im Fettgewebe die Speicherung und den Abbau von Fetten. Diese Taktgeber sind in der Lage, sich untereinander und vor allem mit der Hauptuhr im Gehirn auszutauschen, und bringen sich auf diese Weise miteinander in Gleichklang.

Einige Körperrhythmen richten sich eher nach diesen äußeren Reizen wie Tag und Nacht, andere vermehrt nach der inneren Uhr. Zu den zirkadian gesteuerten Stoffwechselprozessen zählen unter anderem die Produktion des Schlafbotenstoffs Melatonin, der Verlauf der Körpertemperatur und die tiefschlafabhängige Ausschüttung des Wachstumshormons.

Wenn wir nun von selbst aufwachen, bevor der Wecker schrillt, verdanken wir das dem Gleichklang unserer körpereigenen Uhren. Eine besondere Rolle spielt dabei offenbar der Botenstoff Kortisol. In der zweiten Schlafhälfte, wenn die Zirbeldrüse die Melatoninproduktion langsam einstellt, bildet die Hirnanhangdrüse das Stress- und Aufwachhormon vermehrt. Kortisol setzt nicht nur Energiereserven frei, es aktiviert auch den Stoffwechsel und erhöht den Blutzuckerspiegel sowie den Eiweißumsatz.

Studien des Neurowissenschaftlers Jan Born vom Universitätsklinikum Tübingen haben gezeigt, dass die Kortisolausschüttung besonders in der Stunde vor dem Aufwachen rasant ansteigt. In einem Schlafexperiment teilte man den Probanden mit, dass sie am kommenden Morgen um Punkt sechs Uhr geweckt werden würden. Am Tag darauf, so die Versuchsleiter, dürften sie dann bis um neun liegen bleiben. In Wahrheit wurden sie aber erneut um die gleiche Uhrzeit aus dem Schlaf gerissen.

In der ersten Nacht, für die das Wecken um sechs Uhr angekündigt war, stieg der Kortisolspiegel pünktlich eine Stunde vor der Zeit sprunghaft an. Waren die Versuchspersonen jedoch nicht darauf vorbereitet, blieb der Hormonschub aus. Kortisol wird also nicht nur von der inneren Uhr gesteuert, sondern auch unbewusst, wenn wir etwa wissen, »Morgen muss ich um halb fünf raus« – ein durchaus praktischer Mechanismus, falls der Wecker mal versagt.

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  • Quellen

Born, J. et al.: Timing the End of Nocturnal Sleep. In: Nature 397, S. 29–30, 1999

Cajochen, C. et al.: What Keeps us Awake? The Role of Clocks and Hourglasses, Light, and Melatonin. In: International Review of Neurobiology 93, S. 57–90, 2010

Weeß, H.-G.: Die schlaflose Gesellschaft: Wege zu erholsamem Schlaf und mehr Leistungsvermögen. Schattauer, Stuttgart 2016

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