Direkt zum Inhalt

Kosmologie: Wie ernähren sich Schwarze Löcher von einzelnen Teilchen?

Teilchen, die auf ein Schwarzes Loch zufallen, scheinen sich diesem aus Sicht eines weit entfernten Beobachters asymptotisch anzunähern. Aus großer Entfernung betrachtet erreichen die Teilchen das Loch also nie – wie können Schwarze Löcher dann aber trotzdem wachsen?
Junges Schwarzes Loch

In verschiedenen Beiträgen wurde in den letzten Jahren in "Sterne und Weltraum" (und in Spektrum der Wissenschaft 3/2012) über Schwarze Löcher berichtet. Wie nähert sich die Materie dort an und wird vom Schwarzen Loch aufgenommen?

Für einen außenstehenden Beobachter, der aus sicherer Entfernung zusieht, wie ein Objekt auf ein Schwarzes Loch zufällt, hat es den Anschein, als würde sich das Objekt asymptotisch dem Loch annähern. Das bedeutet also: Ein ferner Zuschauer sieht niemals, wie das Objekt das Loch wirklich erreicht, da aus seiner Sicht dazu unendlich viel Zeit benötigt wird.

Wie kann es dann aber zum Anwachsen der Schwarzen Löcher kommen? Schließlich haben Physiker berechnet, dass ein Schwarzes Loch, das sich andauernd Materie mit der maximalen Rate einverleibt, alle 50 Millionen Jahre seine Masse verdoppeln kann. Wie lässt sich dieser "Widerspruch" erklären?

Die Wahl des Bezugssystems

Zunächst muss man klarstellen, dass die in der Frage enthaltene Aussage vom gewählten Bezugssystem abhängt. Wir gehen für unsere Betrachtung vereinfachend von einem Schwarzen Loch aus, das durch die Schwarzschild-Lösung beschrieben wird (genauer: von einer statischen, kugelsymmetrischen Raumzeit mit Vakuum um das Loch herum). Wir betrachten nun ein Teilchen, das durch seine geringe Masse diese symmetrische Raumzeit nicht merklich beeinflusst – andere Szenarien wie die Verschmelzung von Schwarzen Löchern vergleichbarer Masse sollen hier nicht betrachtet werden. Ein Beobachter, der sich unbewegt und in sehr großer Entfernung vom Loch aufhält, sieht dann tatsächlich das radial einfallende Teilchen sich asymptotisch dem Schwarzschild-Radius, auch Ereignishorizont genannt, nähern, ohne dass dieser je überquert wird (grüne Kurve im Diagramm). Jedes Signal des Teilchens wird auf dem Weg zum Beobachter immer stärker rotverschoben: Das bedeutet, dass Zeitintervalle durch das extreme Schwerefeld des Schwarzen Lochs immer mehr "gedehnt" werden, je näher es dem Schwarzschild-Radius kommt. Dieser Effekt wird am Schwarzschild-Radius schließlich unendlich groß.

Der Fall ins Schwarze Loch | Abstand eines massearmen Teilchens vom Zentrum des Schwarzen Lochs als Funktion der Zeit für einen mitbewegten Beobachter (rot; obere Kurve) und einen weit entfernten, ruhenden Beobachter (grün; untere Kurve): Wir lassen das Teilchen in unserem Beispiel aus der Ruhelage aus einem Abstand von zehn Schwarzschild-Radien in das Schwarze Loch hineinfallen. Während ein mitbewegter Beobachter sieht, dass das Teilchen den Schwarzschild-Radius und das Zentrum des Schwarzen Lochs in endlicher Zeit erreicht, nähert es sich für einen entfernten Beobachter asymptotisch dem Schwarzschild-Radius an.

Ein Beobachter, der sich mit dem Teilchen mitbewegt, sieht es allerdings in endlicher Zeit im Zentrum des Schwarzen Lochs ankommen (rote Kurve im Diagramm). Die beiden Beobachter sehen grundsätzlich nichts Verschiedenes: Sie sehen das Gleiche, aber in verschiedenen Zeitkoordinaten. In der speziellen wie der allgemeinen Relativitätstheorie stellt Zeit nämlich keine absolute Größe mehr dar, sondern hängt vom Bezugssystem ab. Bei einem Schwarzen Loch erleben wir den Extremfall dieser Abhängigkeit. Während ein mitbewegter Beobachter den Schwarzschild-Radius in endlicher – und sogar ziemlich kurzer – Zeit überquert, liegt dies für den entfernten Beobachter in "unendlicher Zukunft".

Warum es für uns keinen Unterschied macht

Durch die starke Rotverschiebung in der Nähe des Schwarzschild-Radius ist das Teilchen aus der Ferne jedoch sehr bald nicht mehr beobachtbar: Jede von ihm ausgesandte Strahlung wird immer langwelliger und schwächer, bis sie für uns ganz verschwindet. Es macht für einen entfernten Beobachter keinen Unterschied, ob das Teilchen schon den Schwarzschild-Radius überquert hat oder nicht. Das Schwarze Loch "akkumuliert" also für einen entfernten Beobachter Materie an seinem "Rand", was für ihn jedoch nicht von einem tatsächlich gewachsenen Schwarzen Loch oder Schwarzschild-Radius unterscheidbar ist. Er bestimmt die Gesamtmasse aus der Raumzeitkrümmung weiter "außen" und sieht daher einfach ein Schwarzes Loch mit etwas größerer Masse.

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.