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Kälteschutz: Wie funktionieren Frostschutzmittel?

Ein Frostschutzmittel senkt den Gefrierpunkt einer Flüssigkeit. Das funktioniert nicht nur im Scheibenwaschwasser: Auch das Blut von Kaltblütern bleibt so bei Minusgraden flüssig.
Eis und Schnee auf der Frontscheibe

Wer Auto fährt, weiß, dass man im Winter Gefrierschutzmittel ins Scheibenwaschwasser geben sollte. Das verhindert, dass das Wasser bei Frost in den Leitungen und Düsen der Scheibenwaschanlage gefriert. Frostschutzmittel enthalten Alkohole, die den Gefrierpunkt von Wasser herabsetzen: Häufig kommen Ethylenglykol, Propylenglykol, Glyzerin oder Ethanol zum Einsatz, weil sie erst bei Temperaturen unter null Grad Celsius gefrieren und sich vollständig mit Wasser mischen lassen. Aber wie funktioniert dieser Scheibenfrostschutz eigentlich?

Wenn Wasser anfängt zu gefrieren, verlangsamen sich die Wassermoleküle. Nach und nach bewirken dann die anziehenden Wechselwirkungen, dass sich die Moleküle in einem starren Gitter anordnen – also in einer kristallinen Struktur. Wassereis kristallisiert beispielsweise in einer hexagonalen Struktur. Gibt man nun einen anderen Stoff wie etwa Alkohol in das gefrierende Wasser, wechselwirken die gelösten Teilchen mit den Wassermolekülen und verhindern, dass sich ein reines Eisgitter formt. Stattdessen muss sich ein komplexeres Gitter aus beiden Stoffen bilden. Das geschieht allerdings erst bei niedrigeren Temperaturen: Der gelöste Stoff setzt also den Gefrierpunkt herab – eine, wie der Chemiker sagt, Gefrierpunktserniedrigung.

Anders erklären lässt sich der Effekt über den so genannten Dampfdruck: Wenn Wasser bei bestimmten Temperaturen sowohl in flüssiger als auch gasförmiger Phase vorliegt – das heißt als Wasser und Wasserdampf –, bezeichnet man so den Druck des Wasserdampfes. Löst man nun etwa ein Gefrierschutzmittel in dem Wasser, sinkt der Dampfdruck der Lösung. Am Gefrierpunkt muss der Dampfdruck der festen Phase (also des Eises) und der flüssigen Phase (des Wassers) gleich sein, da sonst kein Gleichgewicht vorliegen würde. Ist das Gefrierschutzmittel im Wasser gelöst, ist das aber nur bei einer niedrigeren Temperatur der Fall. Der Gefrierpunkt sinkt folglich.

Wann genau die Scheibenwaschlösung mit Frostschutz gefriert, hängt davon ab, wie viel Frostschutzmittel sie enthält. Im Handel erhältliche Frostschutzmittel gefrieren typischerweise bei rund minus 50 Grad Celsius. Mischt man zwei Teile des Frostschutzmittels mit einem Teil des Waschwassers, verschiebt man den Gefrierpunkt auf etwa minus 30 Grad Celsius. Fährt man in nicht ganz so kalten Gefilden, kann man auch sparsamer mit dem Gefrierschutzmittel umgehen und einen Teil in zwei Teile Waschwasser mischen – so verhindert man das Gefrieren der Lösung bis zu minus 10 Grad. Der Gefrierpunkt sinkt demnach proportional zu der Konzentration des Frostschutzmittels, genauer gesagt der Anzahl der im Waschwasser gelösten Teilchen; in der Physikalischen Chemie bezeichnet man dies als kolligative Eigenschaft.

Frostschutzmittel gehören übrigens auch in die Kühlerflüssigkeit des Automotors, denn gefrorenes Kühlmittel kann den Motor beschädigen. Das liegt daran, dass das Volumen von Eis größer ist als das von Wasser. Gefriert die Flüssigkeit in dem geschlossenen Kühlsystem, können die Leitungen reißen. Hinzu kommt, dass ein eingefrorenes Kühlsystem womöglich nicht richtig arbeitet und der Motor eventuell überhitzt.

Nicht nur Alkohole, auch Salz setzt den Gefrierpunkt von Wasser herab. Deswegen streut man Salz auf vereiste und verschneite Straßen. Meerwasser bleibt auf Grund dieses Effekts bei null Grad Celsius ebenfalls noch flüssig

Viele Lebewesen, vom Insekt bis zum Hefepilz, profitieren ebenso von der Gefrierpunktserniedrigung. Fische beispielsweise haben als klassisch wechselwarme Kaltblüter die gleiche Körpertemperatur wie ihre Umgebung. Vielen Arten reichen dabei die vier Grad Celsius, die im Winter unter der Eisdecke am Boden von Seen herrschen. Bei einigen Spezialisten gefriert das Blut aber sogar in extrem kalten Polarregionen nicht, weil es Anti-Frost-Proteine enthält. Diese binden an die Oberfläche der ersten Eiskristalle, die sich formen. So verhindern die Proteine, dass die Kristalle wachsen. Sie sind dabei effektiver als die alkoholischen Frostschutzmittel im Auto oder das Streusalz und wirken schon, wenn sie in 300- bis 500-mal geringerer Konzentration vorhanden sind. Wissenschaftler und Unternehmen entwickeln daher derzeit verschiedene Anwendungen für die Anti-Frost-Proteine. Interessant wären sie zum Beispiel, um Gewebe für Transplantationen besser aufbewahren zu können oder um die Lebensdauer von gefrorenen Lebensmitteln zu erhöhen.

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