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Wie kann man sich Gravitationswellen vorstellen?

Forscher bestätigen, zum ersten Mal Gravitationswellen detektiert zu haben. Aber wie kann man sich diese eigentlich vorstellen? Sie ähneln anderen physikalischen Wellen - aber nur ein bisschen.
Gravitationswellen um Schwarze Löcher

Gravitationswellen stellen, wie andere physikalische Wellen auch, Änderungen einer physikalischen Größe im Raum dar, die sich selbstständig ausbreiten und dabei regelmäßig wiederholen. Diese Änderungen bezeichnet man auch als Schwingungen. Im Fall von Wasserwellen schwingt die Höhe der Wasseroberfläche – relativ zu einer gedachten waagrechten Bezugsebene. Bei elektromagnetischen Wellen schwingen die elektrische und magnetische Feldstärke an jedem Punkt des dreidimensionalen Raums, den die Welle durcheilt. Bei Schallwellen schwingt der Druck der Materie – etwa der Luft – entlang der Ausbreitungsrichtung des Schalls.

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Bei Gravitationswellen ist diese Schwingung eine Verbiegung der Raumzeit selbst. Die Krümmung, Dehnung oder Stauchung des vierdimensionalen Raums, der durch eine Gravitationswelle verformt wird, kann im Prinzip ebenso wie die elektrische Feldstärke einer Radiowelle als Kurvenlinie auf einem Oszilloskop angezeigt werden – falls man es schafft, eine Gravitationswelle tatsächlich zu messen.

Nun melden Forscher, es sei erstmals gelungen, solche Schwingungen der Raumzeit mit einem Detektor zu erfassen. Demnach sollen Signale zweier verschmelzender Schwarzer Löcher mit der 36- beziehungsweise der 29-fachen Masse der Sonne an zwei Detektoren des LIGO-Projekts in den USA identifiziert worden sein. Die beiden Schwarzen Löcher umkreisten sich zunächst, wobei sie die Raumzeit in ihrer Umgebung zum Schwingen anregten und so Gravitationswellen erzeugten. Denn im Prinzip verursacht jede beschleunigte Masse, die nicht gerade kugelsymmetrisch schwingt, die Wellen. Und eine Kreisbewegung ist eine beschleunigte Bewegung, weil sich permanent die Richtung des kreisenden Objekts – hier der Schwarzen Löcher – ändert.

© NASA / C. Henze
Simulation des Verschmelzens zweier Schwarzer Löcher
Aus genau so einem Ereignis haben Forscher erstmals Gravitationswellen nachgewiesen. In der Simulation sind sie rot dargestellt.

Die beiden Schwarzen Löcher drifteten in einer Spirale immer schneller und immer näher aufeinander zu, wobei Gravitationswellen immer höherer Frequenz entstanden. Schließlich verschmolzen sie zu einem neuen schwereren Schwarzen Loch mit der Masse von etwa 62 Sonnen. Die Differenz der drei "fehlenden" Sonnenmassen hat das System in Form von Gravitationswellen abgegeben, die in verschiedenen Stadien der Verschmelzung die Raumzeit unterschiedlich verbogen und dabei verschiedene Stärken und Muster entwickelten. So weit der Blick auf die aktuelle Entdeckung.

Doch nun zurück zur eigentlichen Frage. Wie kann man sich Gravitationswellen vorstellen? Auch wenn es Ähnlichkeiten zwischen den verschiedenen physikalischen Formen von Wellen gibt: Die Unterschiede sind größer als die Gemeinsamkeiten. Die Wasserwelle schwingt eindimensional – als Höhe der Oberfläche – auf einem zweidimensionalen Raum – der Fläche des jeweiligen Teichs, Flusses oder Ozeans. Die Schallwelle ist im einfachsten Fall ebenso eine eindimensionale Schwingung, etwa des Luftdrucks im dreidimensionalen Raum. Die elektromagnetische Welle ist ein sechsdimensionales Phänomen im Raum, denn elektrisches und magnetisches Feld haben je eine Komponente in jeder der drei Raumrichtungen. Eine Gravitationswelle schließlich hat Eigenschaften in 16 Dimensionen in der vierdimensionalen Raumzeit der allgemeinen Relativitätstheorie. Ihre 16 Komponenten stammen aus dem so genannten Metrik-Tensor, einem mathematischen Konstrukt, das die Struktur der Raumzeit beschreibt.

16 Dimensionen, das überschreitet vermutlich das Vorstellungsvermögen der meisten von uns. Deshalb bleiben Gravitationswellen wohl weiter rätselhaft, auch nach ihrer möglichen Entdeckung.

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