Urknallwellen: Wie sind die Gravitationswellen des Urknalls entstanden und wie können sie gemessen werden?
Die Frage bezieht sich auf den Artikel »Neue Gravitationswelle bricht alle Rekorde« in »Sterne und Weltraum« 2/2019, S. 38–44. Im Internet finden sich oft weiterführende Ideen, bei welchen man zukünftig mit ambitionierteren Instrumenten die Gravitationswellen des Urknalls messen will. Dies ist mit LIGO anscheinend nicht möglich, aber wäre es mit dem Weltrauminterferometer LISA möglich? Außerdem ist nicht eindeutig klar, wie genau diese »Urknallwellen« entstanden sind und ob sie überhaupt die Gravitationswellen des Urknalls selbst sind.
Ursache der Gravitationswellen des Urknalls
Die Ursache der vermuteten »Urknallwellen« sind Quantenfluktuationen im frühen Universum. Sie entstehen, weil bei Energie- und Dichteschwankungen auch Masse beschleunigt wird. Diese Fluktuationen wurden durch die kosmische Inflation verstärkt und entwickelten sich zu den makroskopischen Dichteschwankungen, die im Muster der kosmischen Hintergrundstrahlung heute messbar sind. Direkte Belege für die Inflation fehlen allerdings bis heute – und damit auch der Nachweis, dass unser Universum in einem Quantenuniversum geboren wurde (siehe »Sterne und Weltraum« 3/2015, S. 12).
Die »Urknallwellen« haben ein völlig anderes Schwingungsverhalten als die bislang mit LIGO detektierten Signale von verschmelzenden Schwarzen Löchern und Neutronensternen: Sie sind allgegenwärtig und vergehen nicht; es ist wie eine Art ständiges, extrem schwaches Summen auf allen Frequenzen. Solche schwachen Dauersignale aus dem Wust aller möglichen überlagerten Signale herauszufiltern, ist sehr schwierig.
Messung der »Urknallwellen«
Die Kosmologen erwarten einen Anstieg der Amplitude der »Urknallwellen« zu sehr kleinen Frequenzen. Der Grund: Die Inflation dehnte den Raum auf einer extrem rasanten Zeitskala von 10−35 Sekunden um den Faktor von 1026. Die Gravitationswellen, die es vor der Inflation bereits gab, wurden dabei extrem gestreckt und erhalten sehr große Wellenlängen, anders gesagt sehr niedrige Frequenzen. Das Urknallsignal ist deshalb stärker bei Frequenzen unterhalb von etwa einem millionstel Hertz, entsprechend Perioden oberhalb von rund zehn Tagen. Grundsätzlich sollte es die »Urknallwellen« auch bei den rund 100 Hertz geben, bei denen LIGO, Virgo und GEO 600 am empfindlichsten sind. Nur sind sie da um viele Zehnerpotenzen schwächer als die gemessenen Doppelsternsignale. Derzeit ist das weit unterhalb der Nachweisgrenze – und vermutlich wird das für Jahrzehnte so bleiben.
Im Jahr 2034 soll das Weltraum-Laserinterferometer LISA starten (siehe SuW 4/2019, S. 26). Mit LISA werden die Forscher bei rund zehn tausendstel Hertz nach »Urknallwellen« suchen. Vielleicht wird sogar LISA nicht empfindlich genug sein.
Bei noch kleineren Frequenzen von etwa einem milliardstel Hertz, bei denen die »Urknallwellen« stärker sein sollten, wird bereits mit Pulsar-Timing-Arrays gefahndet. Hierbei behalten Radioantennen, die überregional oder transkontinental zusammengeschaltet werden, blinkende Neutronensterne im Blick. Durchläuft eine »Urknallwelle« den Pulsarstrahl, so bringt sie ihn geringfügig aus dem Takt, was zu ihrem Nachweis genutzt werden kann. Bislang wurde aber leider nichts gefunden.
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