Kochen mit Strahlung: Wie verändert die Mikrowelle das Essen?
Srrrrrr … Bing! Und es ist angerichtet. Mikrowellen genießen einen ziemlich miesen Ruf. Allerdings tut man ihnen damit Unrecht. Denn alles, was sie mit unserem Essen anstellen, ist, es zu erhitzen – mehr nicht. Zwar verändern sich Nahrungsbestandteile, wie Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße und Vitamine, durch das Erwärmen, aber das liegt in der Natur der Sache und nicht an der Garmethode. In der Mikrowelle zubereitet, bleiben in manchem Gemüse sogar mehr Vitamine enthalten, als das bei konventionellen Kochmethoden der Fall ist – denn da landen wasserlösliche Vitamine gerne mal mit dem Kochwasser im Ausguss.
Die mythenumwobene Geschichte der Mikrowelle beginnt im Januar 1945 mit einem geschmolzenen Schokoriegel, den der Ingenieur Percy Spencer in seiner Tasche bemerkt. Eigentlich forscht Spencer für das US-Militär an einer Geheimwaffe, einem Radar, als er (Schokoriegel sei Dank!) entdeckt, dass Mikrowellen sich wunderbar dazu eignen, Nahrung zu erwärmen. Ganz Wissenschaftler versichert er sich eifrig des beobachteten Mikrowelleneffekts mit Hilfe von Maiskörnern, die sich schnell in Popcorn verwandeln, und eines Hühnereies, das in das Gesicht seines Kollegen explodiert.
Ein halbes Jahr später meldet die Firma Raytheon, bei der Spencer angestellt ist, ein Patent für sein Mikrowellenkochverfahren an. Spencer zahlt man einmalig zwei Dollar und lässt die Belegschaft abstimmen: Radarange, »Radarherd«, sollte das Mikrowellengerät heißen. Als das Erste seiner Art 1947 auf den Markt kommt, ist es weder praktisch noch erschwinglich: 1,80 Meter hoch, 340 Kilogramm schwer und liegt preislich bei dem, was heute etwa 56 000 US-Dollar entspräche. Es folgen geeignete Haushaltsmodelle, weiterhin zum Luxuspreis. Erst als Hersteller aus Fernost Ende der 1970er Jahre preiswerte Modelle produzieren, rollt der Siegeszug der Mikrowelle unaufhaltsam. Inzwischen findet man in zwei von drei deutschen Küchen eine. Trotzdem misstrauen wir der Mikrowelle wie keinem anderen Küchengerät sonst.
So schön verstrahlt
Viele glauben, dass Mikrowellen unsere Lebensmittel irgendwie ungesund machen. Aber das stimmt nicht. Taucht man in die Physik der Mikrowellen ein, versteht man schnell, warum: Mikrowellen sind nichts anderes als elektromagnetische Strahlung. Je nachdem, wie sie mit biologischer Materie wechselwirkt, unterscheidet man zwei Arten von elektromagnetischer Strahlung: ionisierende und nicht ionisierende Strahlung. Ionisierende Strahlung, wie zum Beispiel Röntgen- und kurzwellige UV-Strahlung, ist so energiereich, dass sie festgebundene Elektronen aus Atomen herausschlagen und auf diese Weise molekulare Schäden verursachen kann. Nicht ionisierende Strahlung, zu der die Mikrowellen zählen, hat zwar genügend Energie, um Atome innerhalb eines Moleküls zu bewegen, aber nicht genug, um Elektronen zu entfernen.
Kurzum: Auch wenn sich Mikrowellen klein, fies und aggressiv anhören, sie sind es nicht. Dafür können sie polare Moleküle – allen voran kleine und wendige Wassermoleküle – in Schwingung versetzen und das sogar auf Knopfdruck.
Tanz der Moleküle
Polare Moleküle, das sind in Nahrungsmitteln vor allem Wasser-, aber auch Fett- oder Zuckermoleküle. Ähnlich einer Kompassnadel richten sich polare Moleküle nach einem elektrischen Feld aus. Praktisch, dass Mikrowellen ein elektrisches Feld erzeugen, das noch dazu ständig seine Richtung ändert. Ständig, das heißt bei einer Mikrowellenfrequenz von 2,45 Gigahertz etwa 4,9 Milliarden mal in einer Sekunde. Nicht schlecht, oder? Während die polaren Moleküle des Mikrowellenguts versuchen, mit der Richtungsänderung Schritt zu halten und dabei wortwörtlich durchdrehen, stoßen sie mit benachbarten Molekülen zusammen und versetzen diese ebenfalls in Bewegung: Schunkelalarm! Egal ob kalter Kaffee oder der Rest Lasagne von gestern: Je stärker die Moleküle sich bewegen, umso wärmer das Mikrowellengut.
Ein Löffelchen heiß, ein Löffelchen kalt
Warum wird auf Gläsern mit Babynahrung vor dem Erwärmen in der Mikrowelle gewarnt? Mikrowellen erwärmen schnell und effizient, aber – und das ist ihre Schwachstelle – eben auch ungleichmäßig. Kalte und heiße Stellen folgen dabei zwar einer Geometrie, die ist jedoch ziemlich komplex und kann beim Verzehr für böse Überraschungen sorgen. Die mit Metall ausgekleideten Wände und die Tür, die mit einem Metallgitter versehen ist, reflektieren die Mikrowellen. Die reflektierten Mikrowellen überlagern sich und stehende Wellen entstehen, an deren Knotenpunkten kalte und an deren Maximalpunkte besonders heiße Stellen zu finden sind. Um dieses Problem zu entschärfen, besitzen die meisten Mikrowellen eine Drehscheibe, auf der die Speisen (idealerweise vom Mikrowellenkoch azentrisch darauf platziert) rotieren. Was das gleichmäßige Aufwärmen des Mikrowellenguts zusätzlich erschwert, ist dessen Zusammensetzung. Bestimmte Komponenten beziehungsweise Moleküle lassen sich schnell und einfach erhitzen (Stichwort Wassermoleküle), andere nicht. Obendrein können Mikrowellen nicht tiefer als zwei bis drei Zentimeter in Speisen eindringen. Auch das führt zu einer ungleichmäßigen Temperaturverteilung.
Um bösen Überraschungen, in Form von einer verbrannten Zunge und lauwarmen Happen vorzubeugen, empfiehlt es sich, den Aufwärmvorgang immer wieder zu unterbrechen, um umzurühren und das Aufgewärmte zugedeckt stehen zu lassen und ein wenig abzuwarten, bevor man es verzehrt. Es dauert einige Zeit, bis sich die Hitze ins Innere der Speisen vorgearbeitet hat und alle Moleküle sich dem Reigen angeschlossen haben. Weil Bakterien und Keime erst ab einer gewissen Temperatur abgetötet werden, birgt das ungleichmäßige Erhitzen in der Mikrowelle ein weiteres Risiko: quicklebendige Keime. Rohes Fleisch in der Mikrowelle sollte man tunlichst vermeiden, denn die Gefahr, dass das Fleisch noch roh oder nicht ausreichend erwärmt ist, ist groß, und das bietet den optimalen Nährboden für Bakterien. Wenn man etwas richtig durchkochen oder sehr schonend erwärmen möchte, sollte man von der Zubereitung in der Mikrowelle absehen, einfach weil man bei dieser Art der Zubereitung die Temperatur nicht so exakt kontrollieren kann wie bei anderen Garmethoden.
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