Freistetters Formelwelt: Ägyptische Brüche beugen Stress an Festtagen vor
Stellen Sie sich vor, Sie veranstalten eine kleine Silvesterfeier. Insgesamt sind acht Personen anwesend, und leider haben Sie vergessen, Essen zu besorgen. Aber kein Problem, Sie bestellen einfach Pizza beim Lieferdienst. In der Hektik des Silvesterabends dauert es jedoch eine Weile, bis das Essen kommt. Eine gute Gelegenheit, um sich die Zeit mit Mathematik zu vertreiben. Zum Beispiel mit der immer noch unbewiesenen »Erdős-Straus-Vermutung«, die mit Stammbrüchen zu tun hat. Und Stammbrüche sind immer einen zweiten Blick wert, weil sie so simpel aussehen:
\[ q = \frac{1}{n}\]
Ein Bruch, in dessen Zähler eine 1 steht – was kann man damit groß anfangen? Wie sich herausstellt, jede Menge: etwa das Problem lösen, das sich stellt, wenn endlich die Pizza geliefert wird. Angenommen, es gab eine Verwechslung und statt der acht Pizzen sind nur sieben angekommen. Was tun? Wie lassen sich sieben Pizzen gerecht unter acht Menschen aufteilen? Jeder müsste sieben Achtel einer Pizza bekommen. Dazu muss man allerdings zuerst alle Pizzen in Achtel schneiden, und bis das passiert ist, ist das Essen kalt. Zum Glück haben Sie sich ja gerade erst mit Stammbrüchen beschäftigt und finden damit schnell eine Lösung.
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Mit Stammbrüchen musste man schon im alten Ägypten hantieren. In der damals verwendeten Hieroglyphenschrift gab es spezielle Symbole für ½, ⅔ oder ¾. Sonst konnte man Brüche nur wie in obiger Formel, als Summe von Stammbrüchen, ausdrücken. Anders wäre es auch unpraktisch gewesen mit einer Mathematik, die noch kein modernes Stellenwertsystem hat. Hätte man beispielsweise den Bruch 14⁄25 in Hieroglyphen schreiben wollen, hätte man 14-mal das Symbol für 25 benutzen müssen (plus ein Symbol, das einen Bruch anzeigt). Das ist viel Arbeit, vor allem, wenn man die Zeichen in Stein meißeln möchte. Zerlegt man 14⁄25 aber in Stammbrüche, dann reichen die drei Hieroglyphen für ½, 1⁄7 und 1⁄850 (denn 14⁄25 = ½, + 1⁄7 + 1⁄850).
Die Ägypter lehren uns das gerechte Teilen einer Pizza
Um das Pizzaproblem zu lösen, muss man den Bruch 7⁄8 so darstellen, wie es die Ägypter getan hätten. Dazu gibt es mehrere Verfahren. Wir beginnen jedoch damit, aus dem Bruch 7⁄8 einen neuen Bruch zu bilden. Der neue Zähler entspricht dem alten, der neue Nenner ist das kleinste ganzzahlige Vielfache des alten Zählers, das größer als der alte Nenner ist. Klingt verwirrend, ist aber simpel: Der alte Zähler war 7, und einmal 7 ist definitiv kleiner als 8 (der Wert des alten Nenners). Also nimmt man zweimal 7, was 14 ergibt und größer als 8 ist. Der neue Bruch beträgt also 7⁄14, womit sich nun weiterrechnen lässt. Man kann ihn zum Beispiel zu den 7⁄8 addieren und dann gleich wieder subtrahieren. Die Art und Weise, wie der neue Bruch gebildet wird, legt fest, dass er sich auf jeden Fall zu einem Stammbruch kürzen lässt: 7⁄14 = ½. Übrig bleibt nun noch der Rest, nämlich 7⁄8 − 7⁄14, was gleich 3⁄8 ist. Damit verfährt man wie zuvor und kommt zu dem Ergebnis, dass sich 3⁄8 auch als ⅓ + 1⁄24 schreiben lässt. Damit ist man schon am Ende angelangt.
7⁄8 ist demnach gleich der Summe der Stammbrüche ½ + ⅓ + 1⁄24. Und das Pizzaproblem ist auch gelöst: Jede Person bekommt eine halbe Pizza, eine drittel Pizza und ein Vierundzwanzigstel. Das heißt, man muss vier Pizzen halbieren und alle dürfen sich eine Hälfte nehmen. Die restlichen drei Pizzen werden gedrittelt und die Drittel an die acht Personen ausgeteilt. Das nun noch übrig gebliebene Drittel wird noch einmal in acht Teile geteilt, damit alle mit einem Vierundzwanzigstel einer Pizza ihren letzten gerechten Biss nehmen können.
Gut, vielleicht ist die Pizza in der Zwischenzeit kalt geworden. Aber immerhin hat man etwas über die Darstellung von Zahlen gelernt!
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