Angemerkt!: Affen im Aus
Der letzte frei lebende Orang-Utan Indonesiens könnte 2022 das Zeitliche segnen: Bis dahin werden wohl 98 Prozent aller geeigneten Regenwälder Borneos und Sumatras – der letzten Heimat der roten Menschenaffen – zerstört sein, wie eine neue Studie von Christian Nellemann und weiterer Forscher im Auftrag des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) darlegt. Nicht einmal in Nationalparks sind die Tiere sicher, denn in 37 von 41 untersuchten Schutzgebieten wird hemmungslos Holz eingeschlagen und Wald in Agrarland umgewandelt. Zusätzlich belasten illegaler Bergbau, Rodungsfeuer und die ebenfalls ungesetzliche Jagd auf die Orang-Utans den Bestand. Seit dem Jahr 2002 hat sich ihr Bestand von schätzungsweise 60 000 Individuen um die Hälfte reduziert – allein den Feuersbrünsten Ende 2006 fielen mindestens 1000 Exemplare zum Opfer.
Mitschuldig an dieser Misere ist jedoch nicht allein die indonesische Regierung, die den mafiösen Strukturen im Holzgeschäft nicht Herr wird – die meisten Rodungen gehen schließlich auf das Konto ausländischer und einheimischer Unternehmen mit Verbindungen in höchste Militär- und Regierungskreise und nicht auf jenes armer Landbewohner. Ein großer Teil der Verantwortung liegt gleichermaßen bei europäischen und insbesondere deutschen Politikern, die sich weigern, den südostasiatischen Realitäten ins Auge zu schauen und dabei neben dem Arten- auch noch den Klimaschutz vernachlässigen.
Denn trotz mehrmaliger Appelle der indonesischen Regierung an die Europäische Union und deren wichtigsten Staaten, strikter gegen den illegalen Handel mit Tropenhölzern vorzugehen, bleibt die hiesige Gesetzgebung weit hinter den nötigen Vorgaben zurück. So hatte der Bundestag erst letzten November mit Stimmenmehrheit der großen Koalition ein Urwaldschutzgesetz zurückgewiesen, das Kauf und Verkauf von Raubholz unter Strafe hätte stellen sollen. Begründet wurde dies offiziell – unter anderem von Umweltminister Sigmar Gabriel – mit einer EU-Verordnung zum Klimaschutz, mit der ebenfalls der Schutz von Tropenwäldern geregelt werden soll (Forest Law Enforcement, Governance and Trade, genannt FLEGT). Sie stünde rechtlich über nationalem Recht und würde somit die inländische Gesetzgebung einschränken, so die Argumentation der Bundesregierung.
Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall, wie noch vor dem aktuellen UNEP-Bericht das ARD-Magazin "Monitor" am 16. November 2006 darlegte. Demnach empfiehlt die Europäische Komission nachdrücklich, dass auf nationaler Ebene ebenfalls Gesetze gegen den Handel mit Holz aus illegalen Quellen erlassen werden sollen. FLEGT regelt dagegen nur den Im- und Export der EU. Hölzer, die nach Überwinden dieser Hürde innerhalb der Gemeinschaft fluktuierten, blieben straffrei veräußerbar. Wie "Monitor" weiter ausführte, bedienten sich die Abgeordneten bei ihrer Ablehnung sogar der Wortwahl, wie sie von Lobbyisten der Holzindustrie argumentativ vorgegeben und von Rudolf Luers, dem Geschäftsführer des Gesamtverbands Deutscher Holzhandel, im Interview bestätigt wurde. Wohl nicht nur die Umweltorganisation WWF sieht darin eine Kapitulation vor der Wirtschaft und der international operierenden Holzmafia: Rund neunzig Prozent der Deutschen sprechen sich laut einer Forsa-Umfrage für stärkeren Urwaldschutz aus.
Und noch in einem weiteren Punkt stellen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Umweltminister profane wirtschaftliche Interessen über Natur- und Klimaschutz. Zu einer echten und vor allem rapide zunehmenden Bedrohung für die Orang-Utans (und viele Regenwälder weltweit) wird der Anbau von Ölpalmen, aus deren Früchten unteranderem Biodiesel gewonnen wird. Nach Angaben vom WWF ist Deutschland weltgrößter Importeur für Palmkernöl, siebtwichtigster Abnehmer von Rohpalmöl und insgesamt der zweitgrößte Handelspartner für indonesisches Palmöl in der EU nach den Niederlanden. Etwa 14 Millionen Hektar Land sollen in den nächsten Jahren zu Ölpalmenplantagen werden, um die wachsende Nachfrage zu decken. Zu großen Teilen geschieht dies auf ehemaligen Regenwaldflächen, deren Bewuchs zuvor mit Feuer vernichtet wurde – dessen Emissionen den Treibhauseffekt verschärfen und Südostasien unter eine gesundheitsgefährdende Rauchwolke setzen.
Derlei gravierende Nebenwirkungen übersehen die Bundesregierung und die Europäische Kommission allerdings geflissentlich: Nicht anders ist ihre verbindliche Initiative für mehr – angeblich klimaschonenden – Biosprit an europäischen Zapfsäulen zu verstehen. Ein kontraproduktives und für die Orang-Utans wohl tödliches Unterfangen, sollten nicht umgehend wasserdicht zertifizierte Herkunftsnachweise von Palmöl zur Pflicht und damit der Schutz der südostasiatischen Rest-Regenwälder zur obersten Priorität werden.
Zudem muss schleunigst ein Gesetz gegen den illegalen Holzhandel erlassen werden, der neben ökologischen übrigens auch größere soziale und humanitäre Katastrophen zur Folge hat – die wiederkehrenden tödlichen Fluten und Hangrutschungen in Indonesien beweisen es. Das und ein ganz profanes ethisches Argument sprechen für mehr Urwaldschutz: Das Aussterben der Orang-Utans (und damit eines unserer nächsten Verwandten) wäre eine Schande für die Menschheit – auch und vor allem für sich grün gerierende Politiker.
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