Angemerkt!: Euphorie aus der Medikamentenschachtel
Aus den Laboren der Pharmaindustrie könnten bald völlig neue Medikamente kommen, die dauerhaftes Glück versprechen. Vor dieser Entwicklung müssen wir uns aber nicht sorgen.
In ihrem 1966 veröffentlichten Song "Mother's Little Helper" sangen die Rolling Stones von Hausfrauen, die sich mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert fühlten und deshalb gerne zu einer kleinen gelben Pille griffen. Bei dieser Pille handelte es sich um das 1963 entwickelte "Valium", einen auch heute noch beliebten Tranquilizer, der den Wirkstoff Benzodiazepin enthält und eine stark beruhigende Wirkung entfaltet.
So willkommen die Entwicklung eines derartigen Präparats auch erscheinen mag, gibt es doch vielerorts auch ernste Bedenken. So hat etwa der amerikanische President's Council on Bioethics die Erzeugung einer "Glücksdroge" zu einer großen gesellschaftlichen Gefahr erklärt. Sie bestehe darin, dass uns nach der Religion nun die Pharmakologie ein "Opium des Volks" bescheren könne. Wie in Aldous Huxleys berühmtem Roman "Schöne neue Welt" könnte der Staat seinen Bürgern eine Glücksdroge verabreichen, um sie ruhig zu stellen. Statt gegen etwaige soziale Missstände aufzubegehren, würden sie kurzerhand betäubt.
Andere sehen die Gefahr von Happy Pills nicht im Heraufdämmern einer schönen neuen Welt, sondern in der Verarmung des Menschen. Wer wäre noch bereit, Tugenden zu üben und Talente zu entwickeln, wenn er das Glück, das er hieraus bezieht, auch ohne die nötige Disziplin erlangen könnte? Heißt es nicht zu Recht "Ohne Fleiß kein Preis"? Wieder andere sehen das Risiko von Happy Pills schließlich darin, dass wir uns schon bald alle genötigt sehen könnten, zu ihnen zu greifen, weil sie denen, die sie einnehmen, Wettbewerbsvorteile verschaffe. Wer stellte beispielsweise nicht lieber eine freudestrahlende als eine mürrisch dreinblickende Sekretärin, Lehrerin oder Flugbegleiterin ein?
Da Happy Pills noch Zukunftsmusik sind, ist jede Diskussion über ihre vermeintlichen sozialen Folgen erst einmal nur rein spekulativ. Doch das bedeutet nicht, dass man nicht schon jetzt vernünftig darüber diskutieren sollte. Ich selbst halte die Gefahren, die in der Diskussion um die Happy Pills heraufbeschworen werden, beispielsweise für übertrieben. Denn ich betrachte es als sehr unwahrscheinlich, dass Glückspillen schon bald unser täglich Brot werden. Es erscheint mir viel realer, dass sie die Rolle eines edlen Tropfens einnehmen werden, den man sich nur bei besonderen Gelegenheiten gönnt.
Keine Wirkung ohne Nebenwirkung
Warum? In der Pharmakologie gibt es einen alten Lehrsatz, der sich bis heute noch immer bewahrheitet hat. Er lautet: "Keine Wirkung ohne Nebenwirkung!" So wie Prozac – das berühmte Antidepressivum, das den Wirkstoff Fluoxetin enthält – bei vielen Menschen zu einer Zunahme des Gewichts und einer Abnahme des Geschlechtstriebs führt, so werden gewiss auch die Happy Pills unerfreuliche Nebenwirkungen haben. Worin auch immer die erwartbaren Nebenwirkungen der Glücksdroge bestehen mögen, sie werden einen Massenkonsum mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit verhindern.
Neben rein körperlichen Nebenwirkungen werden Happy Pills zudem sicherlich seelische Seiteneffekte haben. So wie Alkohol einige Menschen charmanter, andere dagegen aggressiver macht, so wird die Glücksdroge wahrscheinlich einige Menschen unwiderstehlich, andere dagegen unausstehlich machen. Wie jeder weiß, gehen sehr viele Menschen vorsichtig mit Alkohol um, weil sie nicht die Kontrolle über sich verlieren wollen und sich am nächsten Tag keine Vorwürfe anhören möchten.
Und schließlich betrachten viele Menschen den Zustand überschwänglichen Glücks keineswegs für so begehrenswert, wie viele Kritiker anzunehmen scheinen. Ganz gleich, wer wir sind und was wir tun, das Leben bringt Probleme mit sich, deren Lösung nicht nach Leichtfertigkeit, sondern nach Ernsthaftigkeit verlangt. Es ist beispielsweise nur schwer vorstellbar, dass Menschen, deren Arbeitsstelle in Gefahr ist, deren Ehe zu scheitern droht oder deren Kinder krank sind, sich mit einer Glücksdroge betäuben werden, statt den Problemen ins Gesicht zu sehen.
Was für die Unannehmlichkeiten des Lebens gilt, gilt auch für seine Annehmlichkeiten. Wer Shakespeares Dramen, Bergmans Filme oder Mahlers Symphonien schätzt, wird seine Stimmung nicht durch die Einnahme einer Glücksdroge beeinflussen wollen, die ihm den Genuss seiner Lieblingswerke verdirbt.
All dies spricht nicht nur gegen die bedenkenlose Einnahme von Happy Pills, sondern ebenso gegen die eingangs erwähnten Befürchtungen. Anders als das Soma der Schönen neuen Welt soll die Glücksdroge nicht apathisch, sondern empathisch wirken. Sie wird die Menschen also nicht betäuben, sondern beleben. Von daher spricht nichts dafür, dass Happy Pills ein Volk von Phlegmatikern und Lethargikern erzeugen wird.
Kompetenz wiegt mehr als Gemütszustände
Auf ähnlich schwachen Füßen beruht die Befürchtung, dass Happy Pills schon bald als eine Abkürzung zum Glück betrachtet werden. Eine Frau, die täglich Cello spielt, oder ein Mann, der täglich Joggen geht, tut dies nicht wegen des Glücks, das sich anschließend einstellt. Die Cellistin spielt, weil sie Musik liebt, und der Jogger läuft, weil er Athletik schätzt. Das Glück, das sich nach ihren Mühen einstellt, ist nicht das Motiv, sondern der Effekt ihres Tuns.
Ist es für Menschen, die psychische Probleme haben, aber nicht besser, wenn sie zum Therapeuten statt zum Apotheker gehen? Sollten sie die Angst- oder Zwangsstörungen, unter denen sie leiden, nicht psychotherapeutisch behandeln statt psychopharmakologisch beseitigen lassen? Vorausgesetzt, die Psychotherapie wäre in der Lage, nicht nur die Symptome, sondern auch die Ursache derartiger Erkrankungen zu behandeln, wäre dies wohl richtig. Doch die schlichte Wahrheit ist, dass die Psychopharmakologie der Psychotherapie nun einmal überlegen ist. Prozac hat mehr Phobien, Obsessionen und Depressionen beseitigt als alle Therapeuten zusammen genommen.
Und was ist mit den beruflichen Wettbewerbsvorteilen? Sicher, ein Wirt wird eher eine frohgemute als eine sauertöpfische Kellnerin einstellen. Doch das relevante Kriterium für die Einstellung von Mitarbeitern wird weiterhin die Kompetenz und nicht der Gemütszustand einer Bewerberin sein. Zudem verlangen die begehrtesten Berufe in unserer Gesellschaft – etwa der Richterin, der Ärztin oder des Ingenieurs – nicht Überschwänglichkeit, sondern Nüchternheit, Verantwortlichkeit und Urteilsfähigkeit.
Wir sollten die Gefahren, die aus der Entwicklung von Happy Pills erwachsen, also nicht überschätzen. Dies ergibt sich übrigens auch aus Befunden der Psychologie, der Psychiatrie und der Evolutionsbiologie. In der Psychologie hat man unlängst ein interessantes soziales Experiment durchgeführt. Eine Gruppe von New Yorkern ist gebeten worden, vier Wochen lang niemandem einen kleinen Gefallen auszuschlagen. Wenn sie von einem Obdachlosen um ein Almosen gebeten wurden, haben sie es getan. Wenn sie im Supermarkt in der Schlange standen und jemand darauf drängte, vorgelassen zu werden, haben sie genickt. Und wenn sie auf ein Taxi warteten, das ihnen plötzlich jemand vor der Nase wegschnappte, schwiegen sie einfach nur.
Nach Ablauf der vier Wochen, waren alle Teilnehmer des Experiments emotional erschöpft. Schlimmer noch: Ihre Einstellung gegenüber ihren Mitmenschen hatte sich drastisch verschlechtert – sie fühlten sich ausgenutzt und misstrauten allen. Wie jeder aus eigener Erfahrung wissen wird, lässt uns das Gefühl des Glücks häufig zu allem "Ja und Amen" sagen. Wer gerade sein Staatsexamen bestanden, eine Gehaltserhöhung erhalten oder die Liebe seines Lebens gefunden hat, befindet sich in einem Zustand, in dem er zu Großzügigkeit und Nachsichtigkeit neigt. Dieser Zustand, in dem die Toleranz steigt und die Kritik sinkt, mag sich einige Tage schön anfühlen. Auf lange Sicht aber ist er selbstmörderisch.
Immer nur glücklich laugt aus
Noch deutlicher werden die Schattenseiten überschwänglichen Glücks beim Anblick von Menschen mit einer bipolaren Störung. Diese manisch-depressiven Patienten erleben Phasen, in denen sie abwechselnd "himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt" sind. Während ihrer manischen Phase sind sie voller Energie, brauchen keinen Schlaf und vergessen sogar das Essen. Die ganze Welt erscheint ihnen in einem rosa Licht. Und alles ist über die Maßen faszinierend.
Auf den ersten Blick erscheint ihr Leben beneidenswert, tatsächlich ist es aber beklagenswert. Ob in der Familie, bei der Arbeit oder im täglichen Leben – sie scheitern. Sie sind unfähig eine Familie zu ernähren, weil sie ihr Geld verschenken. Sie sind unfähig, einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen, weil ihnen andere Dinge weit aufregender erscheinen. Und sie sind unfähig, eines Freundes Freund zu sein, weil sie meinen, die ganze Welt lieben zu müssen.
Auch evolutionsbiologisch macht es Sinn, dass uns Mutter Natur nicht mit Glück überhäuft. Die natürliche Selektion belohnt nur solches Verhalten, das unserem Überleben und unserer Fortpflanzung dienlich ist. Glück empfinden wir, wenn wir eine lebensbedrohliche Situation gemeistert oder uns von einer schweren Erkrankung erholt haben. Glück empfinden wir auch, wenn wir eine Beförderung erhalten und auf der sozialen Stufenleiter nach oben geklettert sind. Und Glück empfinden wir schließlich auch nach dem Sex mit einem geliebten Partner oder der Geburt eines Kindes.
Dass Mutter Natur recht haushälterisch mit dem Glück umgeht, hat gute evolutionäre Gründe. Aus Sicht der Biologie sind wir nicht auf der Welt, um glücklich zu sein, sondern um uns erfolgreich fortzupflanzen und unsere Gene weiter zu geben. Hierzu sind neben angenehmen Gefühlen wie Liebe, Mitgefühl und Großzügigkeit auch unangenehme Gefühle wie Wut, Neid und Eifersucht nötig. Die Wut beispielsweise verhindert, dass wir von anderen Menschen ausgenutzt werden. Der Neid bewirkt, dass wir anderen Menschen nacheifern. Und die Eifersucht lässt uns um die Menschen, die wir lieben, kämpfen. Es sind Eigenschaften, die das Sozialleben erfordert und die nicht umsonst Teil unseres biologischen Erbes sind.
Es gibt also viele Gründe, die dafür sprechen, dass wir uns von den Verlockungen des Glücks nicht per se verführen lassen werden. Die davon ausgehenden Gefahren werden uns zu einem vorsichtigen Umgang mit der Glückspille anhalten.
© spektrumdirekt
Heute würden Mütter vielleicht zu anderen Mitteln greifen wollen – und deshalb arbeitet die Psychopharmakologie fieberhaft an so genannten "Happy Pills": Tabletten, die in nur wenigen Minuten die Stimmung aufhellen und verdrießliche in strahlende Gesichter verwandeln sollen.
So willkommen die Entwicklung eines derartigen Präparats auch erscheinen mag, gibt es doch vielerorts auch ernste Bedenken. So hat etwa der amerikanische President's Council on Bioethics die Erzeugung einer "Glücksdroge" zu einer großen gesellschaftlichen Gefahr erklärt. Sie bestehe darin, dass uns nach der Religion nun die Pharmakologie ein "Opium des Volks" bescheren könne. Wie in Aldous Huxleys berühmtem Roman "Schöne neue Welt" könnte der Staat seinen Bürgern eine Glücksdroge verabreichen, um sie ruhig zu stellen. Statt gegen etwaige soziale Missstände aufzubegehren, würden sie kurzerhand betäubt.
Andere sehen die Gefahr von Happy Pills nicht im Heraufdämmern einer schönen neuen Welt, sondern in der Verarmung des Menschen. Wer wäre noch bereit, Tugenden zu üben und Talente zu entwickeln, wenn er das Glück, das er hieraus bezieht, auch ohne die nötige Disziplin erlangen könnte? Heißt es nicht zu Recht "Ohne Fleiß kein Preis"? Wieder andere sehen das Risiko von Happy Pills schließlich darin, dass wir uns schon bald alle genötigt sehen könnten, zu ihnen zu greifen, weil sie denen, die sie einnehmen, Wettbewerbsvorteile verschaffe. Wer stellte beispielsweise nicht lieber eine freudestrahlende als eine mürrisch dreinblickende Sekretärin, Lehrerin oder Flugbegleiterin ein?
Da Happy Pills noch Zukunftsmusik sind, ist jede Diskussion über ihre vermeintlichen sozialen Folgen erst einmal nur rein spekulativ. Doch das bedeutet nicht, dass man nicht schon jetzt vernünftig darüber diskutieren sollte. Ich selbst halte die Gefahren, die in der Diskussion um die Happy Pills heraufbeschworen werden, beispielsweise für übertrieben. Denn ich betrachte es als sehr unwahrscheinlich, dass Glückspillen schon bald unser täglich Brot werden. Es erscheint mir viel realer, dass sie die Rolle eines edlen Tropfens einnehmen werden, den man sich nur bei besonderen Gelegenheiten gönnt.
Keine Wirkung ohne Nebenwirkung
Warum? In der Pharmakologie gibt es einen alten Lehrsatz, der sich bis heute noch immer bewahrheitet hat. Er lautet: "Keine Wirkung ohne Nebenwirkung!" So wie Prozac – das berühmte Antidepressivum, das den Wirkstoff Fluoxetin enthält – bei vielen Menschen zu einer Zunahme des Gewichts und einer Abnahme des Geschlechtstriebs führt, so werden gewiss auch die Happy Pills unerfreuliche Nebenwirkungen haben. Worin auch immer die erwartbaren Nebenwirkungen der Glücksdroge bestehen mögen, sie werden einen Massenkonsum mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit verhindern.
Neben rein körperlichen Nebenwirkungen werden Happy Pills zudem sicherlich seelische Seiteneffekte haben. So wie Alkohol einige Menschen charmanter, andere dagegen aggressiver macht, so wird die Glücksdroge wahrscheinlich einige Menschen unwiderstehlich, andere dagegen unausstehlich machen. Wie jeder weiß, gehen sehr viele Menschen vorsichtig mit Alkohol um, weil sie nicht die Kontrolle über sich verlieren wollen und sich am nächsten Tag keine Vorwürfe anhören möchten.
Und schließlich betrachten viele Menschen den Zustand überschwänglichen Glücks keineswegs für so begehrenswert, wie viele Kritiker anzunehmen scheinen. Ganz gleich, wer wir sind und was wir tun, das Leben bringt Probleme mit sich, deren Lösung nicht nach Leichtfertigkeit, sondern nach Ernsthaftigkeit verlangt. Es ist beispielsweise nur schwer vorstellbar, dass Menschen, deren Arbeitsstelle in Gefahr ist, deren Ehe zu scheitern droht oder deren Kinder krank sind, sich mit einer Glücksdroge betäuben werden, statt den Problemen ins Gesicht zu sehen.
Was für die Unannehmlichkeiten des Lebens gilt, gilt auch für seine Annehmlichkeiten. Wer Shakespeares Dramen, Bergmans Filme oder Mahlers Symphonien schätzt, wird seine Stimmung nicht durch die Einnahme einer Glücksdroge beeinflussen wollen, die ihm den Genuss seiner Lieblingswerke verdirbt.
All dies spricht nicht nur gegen die bedenkenlose Einnahme von Happy Pills, sondern ebenso gegen die eingangs erwähnten Befürchtungen. Anders als das Soma der Schönen neuen Welt soll die Glücksdroge nicht apathisch, sondern empathisch wirken. Sie wird die Menschen also nicht betäuben, sondern beleben. Von daher spricht nichts dafür, dass Happy Pills ein Volk von Phlegmatikern und Lethargikern erzeugen wird.
Kompetenz wiegt mehr als Gemütszustände
Auf ähnlich schwachen Füßen beruht die Befürchtung, dass Happy Pills schon bald als eine Abkürzung zum Glück betrachtet werden. Eine Frau, die täglich Cello spielt, oder ein Mann, der täglich Joggen geht, tut dies nicht wegen des Glücks, das sich anschließend einstellt. Die Cellistin spielt, weil sie Musik liebt, und der Jogger läuft, weil er Athletik schätzt. Das Glück, das sich nach ihren Mühen einstellt, ist nicht das Motiv, sondern der Effekt ihres Tuns.
Ist es für Menschen, die psychische Probleme haben, aber nicht besser, wenn sie zum Therapeuten statt zum Apotheker gehen? Sollten sie die Angst- oder Zwangsstörungen, unter denen sie leiden, nicht psychotherapeutisch behandeln statt psychopharmakologisch beseitigen lassen? Vorausgesetzt, die Psychotherapie wäre in der Lage, nicht nur die Symptome, sondern auch die Ursache derartiger Erkrankungen zu behandeln, wäre dies wohl richtig. Doch die schlichte Wahrheit ist, dass die Psychopharmakologie der Psychotherapie nun einmal überlegen ist. Prozac hat mehr Phobien, Obsessionen und Depressionen beseitigt als alle Therapeuten zusammen genommen.
Und was ist mit den beruflichen Wettbewerbsvorteilen? Sicher, ein Wirt wird eher eine frohgemute als eine sauertöpfische Kellnerin einstellen. Doch das relevante Kriterium für die Einstellung von Mitarbeitern wird weiterhin die Kompetenz und nicht der Gemütszustand einer Bewerberin sein. Zudem verlangen die begehrtesten Berufe in unserer Gesellschaft – etwa der Richterin, der Ärztin oder des Ingenieurs – nicht Überschwänglichkeit, sondern Nüchternheit, Verantwortlichkeit und Urteilsfähigkeit.
Wir sollten die Gefahren, die aus der Entwicklung von Happy Pills erwachsen, also nicht überschätzen. Dies ergibt sich übrigens auch aus Befunden der Psychologie, der Psychiatrie und der Evolutionsbiologie. In der Psychologie hat man unlängst ein interessantes soziales Experiment durchgeführt. Eine Gruppe von New Yorkern ist gebeten worden, vier Wochen lang niemandem einen kleinen Gefallen auszuschlagen. Wenn sie von einem Obdachlosen um ein Almosen gebeten wurden, haben sie es getan. Wenn sie im Supermarkt in der Schlange standen und jemand darauf drängte, vorgelassen zu werden, haben sie genickt. Und wenn sie auf ein Taxi warteten, das ihnen plötzlich jemand vor der Nase wegschnappte, schwiegen sie einfach nur.
Nach Ablauf der vier Wochen, waren alle Teilnehmer des Experiments emotional erschöpft. Schlimmer noch: Ihre Einstellung gegenüber ihren Mitmenschen hatte sich drastisch verschlechtert – sie fühlten sich ausgenutzt und misstrauten allen. Wie jeder aus eigener Erfahrung wissen wird, lässt uns das Gefühl des Glücks häufig zu allem "Ja und Amen" sagen. Wer gerade sein Staatsexamen bestanden, eine Gehaltserhöhung erhalten oder die Liebe seines Lebens gefunden hat, befindet sich in einem Zustand, in dem er zu Großzügigkeit und Nachsichtigkeit neigt. Dieser Zustand, in dem die Toleranz steigt und die Kritik sinkt, mag sich einige Tage schön anfühlen. Auf lange Sicht aber ist er selbstmörderisch.
Immer nur glücklich laugt aus
Noch deutlicher werden die Schattenseiten überschwänglichen Glücks beim Anblick von Menschen mit einer bipolaren Störung. Diese manisch-depressiven Patienten erleben Phasen, in denen sie abwechselnd "himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt" sind. Während ihrer manischen Phase sind sie voller Energie, brauchen keinen Schlaf und vergessen sogar das Essen. Die ganze Welt erscheint ihnen in einem rosa Licht. Und alles ist über die Maßen faszinierend.
Auf den ersten Blick erscheint ihr Leben beneidenswert, tatsächlich ist es aber beklagenswert. Ob in der Familie, bei der Arbeit oder im täglichen Leben – sie scheitern. Sie sind unfähig eine Familie zu ernähren, weil sie ihr Geld verschenken. Sie sind unfähig, einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen, weil ihnen andere Dinge weit aufregender erscheinen. Und sie sind unfähig, eines Freundes Freund zu sein, weil sie meinen, die ganze Welt lieben zu müssen.
Auch evolutionsbiologisch macht es Sinn, dass uns Mutter Natur nicht mit Glück überhäuft. Die natürliche Selektion belohnt nur solches Verhalten, das unserem Überleben und unserer Fortpflanzung dienlich ist. Glück empfinden wir, wenn wir eine lebensbedrohliche Situation gemeistert oder uns von einer schweren Erkrankung erholt haben. Glück empfinden wir auch, wenn wir eine Beförderung erhalten und auf der sozialen Stufenleiter nach oben geklettert sind. Und Glück empfinden wir schließlich auch nach dem Sex mit einem geliebten Partner oder der Geburt eines Kindes.
Dass Mutter Natur recht haushälterisch mit dem Glück umgeht, hat gute evolutionäre Gründe. Aus Sicht der Biologie sind wir nicht auf der Welt, um glücklich zu sein, sondern um uns erfolgreich fortzupflanzen und unsere Gene weiter zu geben. Hierzu sind neben angenehmen Gefühlen wie Liebe, Mitgefühl und Großzügigkeit auch unangenehme Gefühle wie Wut, Neid und Eifersucht nötig. Die Wut beispielsweise verhindert, dass wir von anderen Menschen ausgenutzt werden. Der Neid bewirkt, dass wir anderen Menschen nacheifern. Und die Eifersucht lässt uns um die Menschen, die wir lieben, kämpfen. Es sind Eigenschaften, die das Sozialleben erfordert und die nicht umsonst Teil unseres biologischen Erbes sind.
Es gibt also viele Gründe, die dafür sprechen, dass wir uns von den Verlockungen des Glücks nicht per se verführen lassen werden. Die davon ausgehenden Gefahren werden uns zu einem vorsichtigen Umgang mit der Glückspille anhalten.
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