Angemerkt!: Irren ist menschlich!
Nippons Bewohner können sich für die Maschinenwesen deutlich mehr begeistern als Westeuropäer. Woher kommt das?
Furchteinflößende, rot glühende Punkte in der Dunkelheit. Mit einem mechanisch klingenden Schleifen schiebt sich eine zwei Meter große Horrorgestalt ins Bild – kein Fleisch, keine Sehnen und anstelle der Knochen nur matt glänzendes Metall. Den Kopf ziert ein immerwährendes Stahlgrinsen, in den Augenhöhlen leuchten Sensoren auf und nehmen jedes kleinste Detail der Umgebung wahr. Der perfekte Diener für Haus und Garten.
Animismus – oder wie ich lernte, den Roboter zu lieben
Moment, wie bitte? Diener für Haus und Garten? Die meisten Deutschen denken bei dem Wort "Roboter" zuerst an Horrorszenarien wie in "Terminator", "Matrix" oder auch an die Maschinenwesen aus "I, Robot“ – wo menschlich aussehende Maschinen den Menschen bedrohen. In Japan dagegen denken die meisten Menschen beim Wort "Roboter“ zuerst an einen zehnjährigen Jungen namens "Atom“. Atom ist ein Androide und Protagonist in einem überaus erfolgreichen Comic, das jeder Japaner kennt. Und scheinbar wirkt sich diese Prägung in Kindheitstagen auch stark auf die Einstellung als Erwachsene aus: "Ich denke, wir Japaner haben immer noch den Traum, einen Roboter wie Atom zu bauen”, sagt Hideaki Tokunoh, 50, Elektro-Ingenieur aus Japan. Die Besonderheit von Atom liegt in seinem Herzen. Atoms mechanische Pumpe macht ihn menschlich – für Japaner eine wichtige Tatsache. “Wenn ein Roboter kein Herz hat, das ihn zum Menschen macht, ist er nur ein Werkzeug", so Tokunoh. Und vor Werkzeugen hätte er niemals Angst – egal wie ausgereift sie sein werden.
Japan ist das Land, in dem am häufigsten Roboter für den Hausgebrauch verkauft werden. Warum begeistern sich die Japaner soviel mehr als wir für komplizierte Maschinen? Hier kommt eine weitere Besonderheit der asiatischen Kultur zum Tragen – der Animismus. Dieser Teilaspekt des Buddhismus bedeutet, vereinfacht gesagt, dass alles auf der Welt eine Seele hat: jeder Baum, jeder Grashalm, jeder Stein – denn alles ist aus den gleichen Elementen gemacht. Mit diesem Glauben geht einher, dass auch ein Roboter mehr ist als eine Maschine. Die Popularität von "Spielzeug“ wie der kleine Roboterhund Aibo in Japan begründet sich wohl darin, "dass es für den Japaner keinen großen Unterschied macht, ob sein Hund aus Fleisch und Blut ist oder nur eine Maschine“, formuliert es Atsuo Takanishi, Leiter des Labors für humanoide Roboter an der Waseda-Universität in Tokio. Der Roboterhund ist nur wesentlich pflegeleichter, und er erinnert an den "Volkshelden“ Atom – ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einem Roboter mit dem Herz eines Menschen.
Was der Bauer nicht kennt …
Bei uns in Deutschland sieht das ganz anders aus. Ein Roboter ist für die meisten Deutschen nur eine Maschine, die von jemandem gemacht wurde, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Wenn diese Maschine jedoch scheinbar selbst entscheidet, welche Aufgaben sie erfüllt, bekommen wir Angst vor ihr. Die Maschine wird dann nämlich zum "Menschen“ – einem unberechenbaren Menschen, da niemand weiß, welche Werte und Ziele seinen Handlungen zu Grunde liegen. Unsere Kindheitsprägungen in Bezug auf Roboter beziehen sich bestenfalls auf stumpfsinnige Arbeitssklaven oder böswillige Killer-Maschinen. Was tun dagegen? Sollen wir Comics produzieren, in denen kleine, süße Roboter-Jungen die Welt retten und nebenbei die Einstellung der heranwachsenden Generation ändern? Oder doch unsere Angst vor Maschinen als berechtigt ansehen und kultivieren? Letzteres dürfte schwer fallen, wenn man die rasante Entwicklung in der Robotik betrachtet. Auch Trickfilme sind wohl der falsche Weg für Deutschland, da ihr Stellenwert hier deutlich geringer ist als in Japan. Aber vielleicht finden zumindest wir in Deutschland unseren ganz eigenen Zugang zum Thema – über den Sport. Fußball ist nicht umsonst der Volkssport Nr. 1 hierzulande – und Fußball spielende Roboter sind ganz groß im Kommen.
Mut zur Wahrheit!
Eine andere Angst ist die eigene Fehlbarkeit und vor allem Ersetzbarkeit. Wenn der Roboter eigene Entscheidungen treffen und Situationen beurteilen kann – was macht dann noch die Besonderheit von uns Menschen aus? "Künstliche Intelligenz, also KI, fasst Mensch und Computer unter dem Begriff ‚informationsverarbeitende Systeme’ zusammen“, formulierte es Norbert Bolz, Inhaber des Lehrstuhls für Medienberatung an der TU Berlin, anlässlich eines Kongresses über "Die Zukunft des Menschen“. Unser Gehirn nur eine komplexe Ansammlung von Elektroden und Schaltkreisen? Dass unser Körper – Gliedmaßen und Organe – mittlerweile nicht mehr einzigartig ist, sondern nachgezüchtet und nachgebaut werden kann, daran haben wir uns schon fast gewöhnt. Doch die Robotik bedroht auch die letzte biologische Hochburg, in der der Mensch noch Mensch sein darf – den Geist. Längst gibt es künstliche Intelligenzen, die in Gesprächen so geschickt antworten, dass man kaum merkt ob ein Mensch oder eine Maschine spricht. Angst machen uns dabei nur die Menschenähnlichen, die Humanoiden – vor einem intelligenten Toaster fürchtet sich niemand. Aber die Idee, dass wir etwas Menschliches erschaffen, das sich gegen uns wendet, wird seit Frankenstein als Horrorvision gepflegt. Eine intelligente KI zusammen mit einem künstlichen Körper wirkt stabil und unfehlbar, während wir Sterbliche sehr zerbrechlich sind – nie wurden uns unsere Mängel so direkt vor Augen geführt. Schon dieser Gedanke zeigt einen weiteren Unterschied im Denken. Unsere "Mängel“ – die meisten Deutschen kämen vermutlich gar nicht auf den Gedanken, dass es auch eine Stärke sein kann, fehlerhaft zu sein. Im buddhistischen Asien sehen die Menschen das wesentlich gelassener. Fehler in diesem Leben kann man durch ein vorbildhaftes Verhalten im nächsten Leben ausgleichen. Auch das einer der Gründe, warum in Japan niemand Roboter als Bedrohung empfindet.
Irren ist menschlich. Vielleicht sollten wir dieses Sprichwort im Positiven verstehen, statt im Negativen. Es würde auf jeden Fall unserem Selbstwertgefühl gut tun – so dass wir erkennen, wie unbegründet die Angst vor einem Roboter ist.
Animismus – oder wie ich lernte, den Roboter zu lieben
Moment, wie bitte? Diener für Haus und Garten? Die meisten Deutschen denken bei dem Wort "Roboter" zuerst an Horrorszenarien wie in "Terminator", "Matrix" oder auch an die Maschinenwesen aus "I, Robot“ – wo menschlich aussehende Maschinen den Menschen bedrohen. In Japan dagegen denken die meisten Menschen beim Wort "Roboter“ zuerst an einen zehnjährigen Jungen namens "Atom“. Atom ist ein Androide und Protagonist in einem überaus erfolgreichen Comic, das jeder Japaner kennt. Und scheinbar wirkt sich diese Prägung in Kindheitstagen auch stark auf die Einstellung als Erwachsene aus: "Ich denke, wir Japaner haben immer noch den Traum, einen Roboter wie Atom zu bauen”, sagt Hideaki Tokunoh, 50, Elektro-Ingenieur aus Japan. Die Besonderheit von Atom liegt in seinem Herzen. Atoms mechanische Pumpe macht ihn menschlich – für Japaner eine wichtige Tatsache. “Wenn ein Roboter kein Herz hat, das ihn zum Menschen macht, ist er nur ein Werkzeug", so Tokunoh. Und vor Werkzeugen hätte er niemals Angst – egal wie ausgereift sie sein werden.
Japan ist das Land, in dem am häufigsten Roboter für den Hausgebrauch verkauft werden. Warum begeistern sich die Japaner soviel mehr als wir für komplizierte Maschinen? Hier kommt eine weitere Besonderheit der asiatischen Kultur zum Tragen – der Animismus. Dieser Teilaspekt des Buddhismus bedeutet, vereinfacht gesagt, dass alles auf der Welt eine Seele hat: jeder Baum, jeder Grashalm, jeder Stein – denn alles ist aus den gleichen Elementen gemacht. Mit diesem Glauben geht einher, dass auch ein Roboter mehr ist als eine Maschine. Die Popularität von "Spielzeug“ wie der kleine Roboterhund Aibo in Japan begründet sich wohl darin, "dass es für den Japaner keinen großen Unterschied macht, ob sein Hund aus Fleisch und Blut ist oder nur eine Maschine“, formuliert es Atsuo Takanishi, Leiter des Labors für humanoide Roboter an der Waseda-Universität in Tokio. Der Roboterhund ist nur wesentlich pflegeleichter, und er erinnert an den "Volkshelden“ Atom – ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einem Roboter mit dem Herz eines Menschen.
Was der Bauer nicht kennt …
Bei uns in Deutschland sieht das ganz anders aus. Ein Roboter ist für die meisten Deutschen nur eine Maschine, die von jemandem gemacht wurde, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Wenn diese Maschine jedoch scheinbar selbst entscheidet, welche Aufgaben sie erfüllt, bekommen wir Angst vor ihr. Die Maschine wird dann nämlich zum "Menschen“ – einem unberechenbaren Menschen, da niemand weiß, welche Werte und Ziele seinen Handlungen zu Grunde liegen. Unsere Kindheitsprägungen in Bezug auf Roboter beziehen sich bestenfalls auf stumpfsinnige Arbeitssklaven oder böswillige Killer-Maschinen. Was tun dagegen? Sollen wir Comics produzieren, in denen kleine, süße Roboter-Jungen die Welt retten und nebenbei die Einstellung der heranwachsenden Generation ändern? Oder doch unsere Angst vor Maschinen als berechtigt ansehen und kultivieren? Letzteres dürfte schwer fallen, wenn man die rasante Entwicklung in der Robotik betrachtet. Auch Trickfilme sind wohl der falsche Weg für Deutschland, da ihr Stellenwert hier deutlich geringer ist als in Japan. Aber vielleicht finden zumindest wir in Deutschland unseren ganz eigenen Zugang zum Thema – über den Sport. Fußball ist nicht umsonst der Volkssport Nr. 1 hierzulande – und Fußball spielende Roboter sind ganz groß im Kommen.
Mut zur Wahrheit!
Eine andere Angst ist die eigene Fehlbarkeit und vor allem Ersetzbarkeit. Wenn der Roboter eigene Entscheidungen treffen und Situationen beurteilen kann – was macht dann noch die Besonderheit von uns Menschen aus? "Künstliche Intelligenz, also KI, fasst Mensch und Computer unter dem Begriff ‚informationsverarbeitende Systeme’ zusammen“, formulierte es Norbert Bolz, Inhaber des Lehrstuhls für Medienberatung an der TU Berlin, anlässlich eines Kongresses über "Die Zukunft des Menschen“. Unser Gehirn nur eine komplexe Ansammlung von Elektroden und Schaltkreisen? Dass unser Körper – Gliedmaßen und Organe – mittlerweile nicht mehr einzigartig ist, sondern nachgezüchtet und nachgebaut werden kann, daran haben wir uns schon fast gewöhnt. Doch die Robotik bedroht auch die letzte biologische Hochburg, in der der Mensch noch Mensch sein darf – den Geist. Längst gibt es künstliche Intelligenzen, die in Gesprächen so geschickt antworten, dass man kaum merkt ob ein Mensch oder eine Maschine spricht. Angst machen uns dabei nur die Menschenähnlichen, die Humanoiden – vor einem intelligenten Toaster fürchtet sich niemand. Aber die Idee, dass wir etwas Menschliches erschaffen, das sich gegen uns wendet, wird seit Frankenstein als Horrorvision gepflegt. Eine intelligente KI zusammen mit einem künstlichen Körper wirkt stabil und unfehlbar, während wir Sterbliche sehr zerbrechlich sind – nie wurden uns unsere Mängel so direkt vor Augen geführt. Schon dieser Gedanke zeigt einen weiteren Unterschied im Denken. Unsere "Mängel“ – die meisten Deutschen kämen vermutlich gar nicht auf den Gedanken, dass es auch eine Stärke sein kann, fehlerhaft zu sein. Im buddhistischen Asien sehen die Menschen das wesentlich gelassener. Fehler in diesem Leben kann man durch ein vorbildhaftes Verhalten im nächsten Leben ausgleichen. Auch das einer der Gründe, warum in Japan niemand Roboter als Bedrohung empfindet.
Irren ist menschlich. Vielleicht sollten wir dieses Sprichwort im Positiven verstehen, statt im Negativen. Es würde auf jeden Fall unserem Selbstwertgefühl gut tun – so dass wir erkennen, wie unbegründet die Angst vor einem Roboter ist.
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