Extremwetter: Nichts gelernt aus Katastrophen
Im Frühling können wir vom Klimawandel nicht genug bekommen. Grill- und badewettertauglich soll es bitte schön sein. Und so dösen wir alljährlich vor uns hin und erfreuen uns der unnatürlichen Wärme, wie es sie 2024 vor allem in der ersten Aprilhälfte gab. Die Leute haben die Schnauze voll von Daunenjacke und Winterrückschlägen – und von diesem ganzen Klimakrisengeschwätz.
Doch der Klimawandel schert sich nicht um Befindlichkeiten und lässt uns nicht in Ruhe. Im Gegenteil: Er äußert sich immer drastischer. Im Sommer, wenn die Hitze brutal und die Unwetter heftiger werden, weckt uns das aus dem Dämmerschlaf, den wir im Winterhalbjahr gepflegt haben. Dann erkennen wir wieder die Gefahr, die vom Klimawandel auch in Deutschland ausgeht. Dann ist es aber meist zu spät.
Sich rechtzeitig an Hitze, Dürre und Starkregen anzupassen wäre eine gute Idee, um die Gefahren abzumildern. Mit Anpassung tun sich die Deutschen allerdings schwer. Dabei wäre es die wirksamste Methode, Schaden zu verringern und Menschen zu schützen. Damit ist zunächst gar nicht die Anpassung an den Klimawandel allgemein gemeint, sondern spezifisch an seltene, aber mögliche Extremereignisse, mit denen sich der Mensch konfrontiert sieht.
Der Klimawandel macht solche Ereignisse wahrscheinlicher. Darum ist das höchste Gebot verantwortungsvoller Lokalpolitik, solche Naturgewalten zu berücksichtigen. Anpassung ist neben der Vermeidung des Ausstoßes von Treibhausgasen, die vorwiegend auf nationaler und internationaler Ebene verhandelt wird, die zweite Strategie, um die gefährlichen Folgen eines heißeren Klimas abzumildern. Lange Zeit galt Anpassung aber zuvorderst als Argument derjenigen, die sie forderten, um nicht präventiv Klimaschutz betreiben zu müssen. Dabei machen die schon jetzt zunehmenden Extremereignisse beides nötig: Vermeidung und Anpassung.
Kein Plan von der Zukunft?
Schaut man sich allerdings um im Land, dann sieht es mit der Anpassung mau aus. Dabei wirkt der globale Klimawandel auch lokal, nur wird er häufig vor Ort eben nicht mitgedacht. Wer sich beispielsweise als Kommune im Jahr 2024 noch immer nicht mit Hitzeaktionsplänen beschäftigt hat, handelt fahrlässig seiner Bevölkerung gegenüber. Wer sich noch keine Gedanken über Starkregen, über Speicherung von Regenwasser und über Verhindern von sinkenden Grundwasserspiegeln gemacht hat, hat keinen Plan von der Zukunft.
Dabei liegt längst auf dem Tisch, was zu tun ist. Bei Hitzewellen, die in Zukunft häufiger und intensiver auftreten, ist das offenkundig. 8000 Menschen starben im Jahr 2022 in Deutschland an den Folgen der Hitze. Deshalb braucht es gute Hitzeaktionspläne, um Kinder und alte, behinderte sowie pflegebedürftige Menschen besser zu schützen. Ein erster Schritt hierfür sind gezielte und rechtzeitige Informationskampagnen, denn große Hitze kündigt sich mehrere Tage zuvor an. Darüber hinaus braucht es eine enge Verzahnung des gesamten Gesundheitssystems, um die vulnerablen Gruppen auch zu erreichen.
Schließlich muss Deutschland Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen endlich mit Klimaanlagen ausstatten. Backofentemperaturen in Innenräumen nehmen zu, Ventilatoren sind kein Allheilmittel, um Kranke oder Schwache vor den immer heißer werdenden Sommern zu schützen. Wer den hohen Stromverbrauch dieser Anlagen dagegen ins Feld führt, dem sei gesagt: Mit Fotovoltaik lässt sich ein Großteil des Strombedarfs decken, zudem können die meisten Wärmepumpen Räume auch kühlen. Allein das ist ein Grund, Öl- und Gasheizungen aus dem Keller zu reißen und endlich im 21. Jahrhundert anzukommen.
Deutschland kriegt den Arsch nicht hoch
Verhaltenstipps und Gesundheitspläne sind aber nur ein Baustein einer umfassenden Klimaanpassung. Auch die Umgebung der Menschen muss sich ändern, sprich die Infrastruktur. Und da sind die Kommunen sowie der Bund und die Länder in der Pflicht. Sie müssen die Anpassung endlich richtig vorantreiben. Denn unsere Städte sind noch immer ein trauriges Konglomerat aus Beton, Stein, Asphalt und Blech. Versiegelte Flächen, die sich in der Sonne aufheizen und die bei Starkregen kein Wasser aufnehmen und speichern können.
Themenwoche: Extremwetter
Starkregen, Hitze, Trockenheit – weltweit richtet Extremwetter aller Art immer größere Schäden an. Auch in Deutschland macht der Klimawandel das Wetter seltsam und gefährlich. Doch ab wann ist eine Dürre oder ein Regenguss mehr als nur eine Wetterkapriole? Was macht Extremwetter aus? Womit müssen wir in Zukunft rechnen? Und vor allem: Wie gehen wir mit der neuen Realität um – weltweit und bei uns?
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Kommentar: Nichts gelernt aus Katastrophen
Mehr über Wetterextreme, ihre Ursachen, Folgen und wie sie mit dem Klimawandel zusammenhängen, finden Sie auf unserer Themenseite »Extremwetter«.
Mehr Engagement hat auch Umweltministerin Steffi Lemke im Sommer 2023 bei der Vorstellung des Monitoringberichts zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel gefordert. Deutschland müsse die Klimaanpassung stärker vorantreiben, sagte sie, schließlich würden die verheerenden Folgen der Klimakrise »in erschreckendem Ausmaß« zunehmen, wie der Bericht zeige.
Etwas weniger vornehm ausgedrückt bedeutet das: Deutschland kriegt den Arsch nicht hoch. Politikerinnen und Politiker reden – meist im Sommer übrigens – gerne über die Notwendigkeit von mehr Grün in den Städten und wie wichtig es sei, das Konzept der Schwammstadt endlich umzusetzen. Wenn die Umsetzung gelingt, dann aber höchstens in prestigeträchtigen Neubaugebieten, wo die Bürgermeister ihren Einsatz für Klimaschutz dann medienwirksam unter Beweis stellen können. In den völlig verdichteten und verbauten Altstädten und Vorstädten jedoch, dem Bestand, in denen ein Umbau viel dringlicher wäre, passiert so gut wie nichts. Wie gut, dass dann irgendwann der Herbst kommt und das Thema von allein vom Tapet verschwindet. Von da an dösen die Deutschen dann wieder.
Das ist das Hauptproblem in Deutschland: Das Notwendige passiert nicht, weil es unpopulär erscheint. Die meisten wollen in Ruhe gelassen werden, die alternde Gesellschaft ist veränderungsmüde. Deswegen trauen sich die Städte nicht, die notwendigen Anpassungen an den Klimawandel umzusetzen. Im Zweifel wird der Status quo geschützt, um niemanden zu verschrecken.
Irgendetwas ist immer wichtiger
Bei der Hitze, die jeden Sommer wiederkehrt und die in den nächsten Jahren und Jahrzehnten schlimmer und länger werden wird, zeigt sich das besonders. Die Städte können mitentscheiden, wie heiß es in den Wohngebieten künftig wird. Bäume schützen vor Strahlung, Grünflächen vor Überhitzung – und auch vor Überflutungen, weil sie Wasser aufnehmen. Doch statt den Asphalt endlich aufzureißen, Beete anzulegen und Bäume zu pflanzen, um lebenswerte Wohngebiete für Menschen zu gestalten und sie vor Hitze und Luftschadstoffen zu schützen, passiert so gut wie nichts. Denn das würde bedeuten, Straßen zu verkleinern, Parkplätze umzuwidmen und die Städte wieder für die Menschen zu öffnen. Das jedoch hieße, der mächtigen Wählergruppe der Autofahrerinnen und Autofahrer etwas wegzunehmen. Und so läuft es meistens: Irgendetwas ist immer wichtiger als Anpassung an den Klimawandel.
Es ist aber noch schlimmer. Selbst aus Katastrophen lernen die Deutschen nicht. Das beste Beispiel hierfür ist das Ahrtal. Mehr Raum sollte der Fluss bekommen, da waren sich nach den Überschwemmungen im Juli 2021 alle einig. Man müsse den Hochwasserschutz völlig neu denken, um eine erneute Zerstörung solchen Ausmaßes zu verhindern, hieß es in den Wochen und Monaten nach der verheerenden Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz. Und heute? Sind zerstörte Häuser an derselben Stelle wieder aufgebaut worden, wo sie vor zwei Jahren von der Ahr zerstört wurden. Wurden Neubauten dort errichtet, wo damals das Wasser stand. Sollen Straßen wieder so verlaufen wie vorher.
So muss man knapp drei Jahre danach leider konstatieren: Die Menschen haben aus der Katastrophe kaum etwas gelernt. Sie siedeln sich wieder gefährlich nahe an die Ahr an, eine angemessene Anpassung findet nicht statt. Es gibt zwar einen Streifen, einen speziellen Gefährdungsbereich, in dem nicht neu gebaut werden darf. Doch der ist viel zu schmal. Nicht nur verschlingt der Wiederaufbau etliche Milliarden Steuergelder, die schon bald wieder buchstäblich fortgespült werden könnten; vor allem ist dieser Vorgang völlig unverantwortlich angesichts der zahlreichen Toten, die damals betrauert wurden.
Und jetzt? Darf es so auf keinen Fall weitergehen. Die Anpassung an den Klimawandel ist überfällig, das Notwendige muss endlich getan werden. Aus diesem Grund sollte jede Kommune in diesem Land den Hintern endlich hochkriegen, um die Anpassungen an den Klimawandel schleunigst umzusetzen. Die Zeit dafür ist jetzt und nicht morgen. Und wer auf Zeit und mit dem Leben der Bürger spielt, sollte in diesem Land kein Amt mehr bekleiden.
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