Freistetters Formelwelt: Wie wir die Erde in einer Milliarde Jahren retten
Es sollte eigentlich nicht mehr nötig sein, auf die Dringlichkeit der aktuellen Klimakrise hinzuweisen. Das hat die Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten mehr als deutlich getan, ebenso wie sie auf die nötigen Maßnahmen zur Bewältigung dieser Krise hingewiesen hat. Dass dennoch nichts passiert, liegt an politischen und gesellschaftlichen Phänomenen und nicht daran, dass man nicht ausreichend über das Problem nachgedacht hat. Wie gut die Wissenschaft darin ist, über Probleme nachzudenken, kann man unter anderem an dieser Formel sehen:
Sie stammt aus einer wissenschaftlichen Arbeit, die 2004 erschienen ist und sich mit einem Problem beschäftigt, das in der fernen Zukunft liegt. Momentan leuchtet unsere Sonne noch auf genau die richtige Art und Weise und die Erde bekommt von ihr weder zu viel und noch zu wenig Energie. Dass wir dennoch gerade in eine Klimakatastrophe steuern, liegt an uns Menschen und nicht an dem, was unser Stern tut. In ein paar Milliarden Jahren können wir die Schuld an der Erderwärmung aber definitiv der Sonne in die Schuhe schieben. Durch die Vorgänge in ihrem Inneren und die immer größeren Heliummengen, die durch die Kernfusion aus Wasserstoff dort entstehen, wird sie dann deutlich heißer sein als heute – und die Erde dann definitiv unbewohnbar.
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Ein Stern ist nun aber kein Thermostat, den man einfach so runterdrehen kann. Trotzdem gibt es eine Möglichkeit, die Erde angenehm kühl zu halten. Die oben angegebene Formel beschreibt ein eigentlich recht simples physikalisches Phänomen: Bewegen sich zwei Himmelskörper ausreichend nahe aneinander vorbei, können sie Energie austauschen. Genau das wird durch den Faktor ΔQ beschrieben. Sein Wert hängt von der Geschwindigkeit ab, die das Objekt vor und nach der Begegnung hat. In der Raumfahrt wird dieser Effekt zum Beispiel benutzt, um Raumsonden durch ein »Swing-by-Manöver« mit einem Planeten ein bisschen zusätzliche Geschwindigkeit zu geben, ohne dafür Treibstoff verwenden zu müssen.
Was mit Raumfahrzeugen geht, klappt prinzipiell auch mit Planeten. Wenn eine kleine Sonde an einem großen Himmelskörper wie der Erde vorbeifliegt, sind die Auswirkungen auf den Planeten vernachlässigbar gering. Ebenso ist es, wenn uns statt einer Sonde ein Asteroid passiert. Sorgt man aber dafür, dass der Asteroid nicht nur einmal bei uns vorbeikommt, sondern immer und immer wieder, dann können sich die winzigen Effekte im Lauf der Zeit summieren. Anders gesagt: Ein ausreichend großer Asteroid, der im richtigen Moment an der Erde vorbeifliegt und das nicht nur einmal tut, kann ihre Geschwindigkeit so verändern, dass sie ihre aktuelle Umlaufbahn verlässt und sich langsam von der Sonne entfernt.
Die Erde auf die Position von Mars verschieben
In der 2004 veröffentlichten Arbeit wird vorgerechnet, dass es alle paar tausend Jahre Asteroidenbegegnungen braucht und insgesamt ein paar Millionen davon, damit die Erde am Ende dann da wäre, wo heute der Mars ist. Trotz der heißen Sonne wäre es dort noch lebensfreundlich. Das bedeutet aber auch, dass der ganze Prozess zirka eine Milliarde Jahre dauert. So lautet auch der Titel der Arbeit: »Astroengineering, or how to save the Earth in only one billion years«.
Es ist natürlich schwer vorstellbar, dass so etwas in der Realität passieren wird. Es scheint völlig unmöglich, ein Projekt abzuschließen, das eine Milliarde Jahre dauert (von den diversen anderen Problemen bei der Umsetzung ganz abgesehen). Wir schaffen es ja nicht einmal, ein paar Jahrzehnte weit in die Zukunft zu denken, um die richtigen Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise zu treffen. Doch sollten wir es dennoch schaffen, ist es gut zu wissen, dass wir auf die ultimative Krise der Zukunft vorbereitet sind. Zumindest theoretisch.
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