Freistetters Formelwelt: Warum entweicht die Luft nicht ins Weltall?
Alle Folgen seiner wöchentlichen Kolumne, die immer sonntags erscheint, finden Sie hier.
Die Erde hat eine Atmosphäre aus Gasen, deren Dichte und Zusammensetzung ausreicht, um Leben auf ihrer Oberfläche zu ermöglichen. Damit unterscheidet sie sich von allen anderen Himmelskörpern des Sonnensystems und auch von allen Planeten anderer Sterne, die wir bis jetzt entdeckt haben. Die Erdatmosphäre zu verstehen, ist aber gar nicht so einfach. Eine der grundlegenden mathematischen Formeln, die dafür verwendet wird, ist diese Gleichung:
\[p = p_0\cdot e^{-\frac{g_z}{R_L T_V}}\]
Es handelt sich dabei um eine Möglichkeit, die »barometrische Höhenformel« anzugeben. Sie beschreibt, wie sich der Luftdruck in Abhängigkeit von der Höhe verändert. Bevor wir einen genaueren Blick darauf werfen, bleiben wir noch ein wenig bei den Grundlagen. Heute ist klar, dass der Luftdruck abnimmt, je weiter man sich vom Erdboden entfernt. Irgendwann ist dann nur noch so wenig Luft vorhanden, dass es passender erscheint, vom Weltall zu sprechen statt von der Atmosphäre. Doch so trivial das heute erscheint: Darauf musste man erst mal kommen.
Bei genauerer Betrachtung ist es gar nicht so intuitiv, dass die Atmosphäre irgendwo ein Ende hat. Da oben ist ja kein großer Deckel, der uns vom luftleeren All trennt. Wieso saugt das Vakuum des Kosmos uns nicht die Luft weg? Heute wissen wir die Antwort (und wir finden sie in der Formel durch den Buchstaben \(g\) repräsentiert): Die Anziehungskraft des Planeten hält die Gasschichten fest.
Dass diese nach oben hin immer dünner werden, musste zunächst einmal herausgefunden werden. Über das Gewicht der Luft haben Galileo Galilei und sein italienischer Zeitgenosse Evangelista Torricelli im 17. Jahrhundert als Erste intensiv nachgedacht. Torricelli baute ein simples Barometer und verwendete dafür ein Rohr, das er mit der Öffnung nach unten in ein mit Quecksilber gefülltes Becken stellte. Das Quecksilber stieg im Rohr auf, und Torricelli schlussfolgerte, dass es der Druck der Luft war, der die Höhe des Quecksilbers in der Röhre bestimmt. Die Experimente wurden von Blaise Pascal wiederholt, der sich fragte, was sich in dem Bereich der Röhre befand, in den das Quecksilber nicht gelangte. Es lag nahe, dass dort nichts war, ein Vakuum – aber diese Ansicht wollten viele Gelehrte der damaligen Zeit nicht teilen.
Ein Berg als Beweis
Das führte zu einer wichtigen Erkenntnis. Wenn da wirklich ein Vakuum ist, dann bestimmt allein das Gewicht der Luft die Höhe der Quecksilbersäule. Sollte es nicht unendlich viel Luft über dem Erdboden geben, dann müsste dieses Gewicht umso geringer werden, je weiter man nach oben steigt. Also maß Pascal den Luftdruck am Gipfel eines fast 1500 Meter hohen Berges (beziehungsweise ließ ihn messen, denn er selbst war gesundheitlich nicht in der Lage, so hoch zu klettern). Das Ergebnis: Der Luftdruck nimmt wirklich mit der Höhe ab.
Genau das drückt die barometrische Höhenformel aus, wenn auch in etwas komplexerer Form. Der Zusammenhang zwischen dem Luftdruck \(p\) und der Höhe \(z\) ist nicht linear, sondern hängt neben dem Druck \(p_0\) (für \(z=0\)) exponentiell von der Schwerebeschleunigung \(g\), der Gaskonstante \(R_L\) (für den Fall trockener Luft) und der virtuellen Temperatur \(T_V\) (das ist die Temperatur, bei der trockene Luft die gleiche Dichte hat wie feuchte Luft, vorausgesetzt der Druck ist identisch) ab.
Und selbst diese durchaus komplexe Formel ist nur eine Näherung; berücksichtigt man zum Beispiel, dass sich auch die Temperatur mit der Höhe ändert, wird die Angelegenheit sehr viel komplizierter und die Höhenformel wird meist nur noch näherungsweise lösbar. Dennoch steht das Wissen über den Luftdruck im Zentrum unseres Verständnisses der atmosphärischen Vorgänge. Das Meer aus Luft über unseren Köpfen mag zwar für unsere Augen unsichtbar sein. Aber seine Auswirkungen können wir nicht nur berechnen, sondern auch jeden Tag spüren.
Schreiben Sie uns!
5 Beiträge anzeigen