Angemerkt!: Auf Wiedersehen, blutrünstiges Monster!
Halloween steht vor der Tür. Seit Wochen schon verzieren fratzenhaft grinsende Kürbisköpfe Fensterbänke und Geschäftsauslagen, die Bäcker verkaufen Fledermaus-Kekse, und die Vampire bevölkern zur Geisterstunde diverse Parties. Eine gute Zeit, einmal über die gesellschaftliche Stellung der berühmten Blutsauger nachzusinnen.
Über Vampire, Herr Polanski, macht man keine Witze. Man zeigt sie nicht als gockelhafte überpuderte Schwerenöter in schlecht sitzender Kleidung, man amüsiert sich nicht über ihre Schlafgewohnheiten in zugigen Durchgangsdomizilen und benutzt sie schon gar nicht als Steilvorlage, um dem Publikum die weißen Brüste unbedarft dreinblickender Siebziger-Jahre-Schönheiten vorzuführen, deren hochtoupierte Haare, nebenbei gesagt, jede heutige Schmerzgrenze weit überschreiten.
Vielleicht, meldet sich da eine amerikanische Stimme, sollte man sich wieder rückbesinnen. Die Vampire, die Menschen, wir alle. Auf die gute alte, da heile und bipolare Welt. Auf die Zeiten, da man noch wusste, wo man herkam, und nicht jedem Modegag hinterher rannte. Das meint zumindest John Kirby, seines Zeichens Professor für klassische Literatur an der Purdue-Universität und Experte in Sachen Blutsauger. Nicht vergessen sollten wir, so sagt er, dass die Vampire nicht immer so hübsch anzusehen waren wie zu unserer Zeit. Erst die Medien hätten die Sauger zu dem gemacht, was sie heute sind: romantische Grenzgänger, Fledermäuse mit gestutzten Flügeln. Gipfel der Entfremdung ist eindeutig der arme Graf Zahl. Seine einzige Leidenschaft gilt nur noch dem monotonen Abzählen von Ziffern, nur dies versetzt ihn noch in ekstatische Zustände.
Heute sind die Vampire beides: Gut und Böse, sexy und peinlich, Opfer und Täter – und dadurch irgendwie menschlich und liebenswert.
Schade! So haben wir uns selbst einer netten traditionellen Kompensation unserer freudschen Ängste beraubt. Die müssen sich nun ein anderes Ventil suchen. Vielleicht mittels der Panik vor der Vogelgrippe? Adieu, blutsaugendes Monster, willkommen Horror-Huhn!
Eine solche Darstellung ist verzerrend und irreführend. Denn der wahre Vampir, das weiß seit Bram Stokers "Dracula" ja nun wirklich jeder, ist eine tragische Figur. Ein romantisch verklärter Verführer, der leidende Anti-Held, der einsame Wanderer durch die Zeiten. Als Nosferatu zog er die schmachtende Stummfilm-Weiblichkeit magisch an, mit Bela Lugosi sorgte er für angenehmes Gruseln, und spätestens seit den leidenden Monologen eines Louis de Pointe du Lac in dem Hollywood-Kassenschlager "Interview mit einem Vampir" ist das wahre Ausmaß des vampiresken Elends klar: Das Böse besitzt bestialische Fangzähne – und leidvolle, da leidgeprüfte rehbraune Augen, die Frauenherzen dahinschmelzen lassen. Der Vampir, eine heroische Figur.
Ja, wie schrecklich muss sich fühlen, wer unsterblich ist! Wer in den friedlichen dörflichen Gemeinden des 18. Jahrhunderts aufwuchs, wer Goethe und Schiller las, vielleicht auch Shakespeare und später Dostojewski – Vampire gelten ja als sehr gebildete Wesen, was sollen sie auch die ganze Zeit über tun, außer lesen und hin und wieder eine Jungfrau jagen – und nun klarkommen muss mit den abgebrühten jungen Dingern aktuellen Kalibers, die weder bei seinem Anblick seufzend in Ohnmacht fallen noch mit einem Gläschen Absinth zu betören sind, weil sie nur Augen haben für den aktuellen Harry-Potter-Band. Mit einem zugigen Schloss in Transsylvanien lockt man inzwischen niemanden mehr hinterm Ofen hervor. Romantische Vampire sind de mode. Wer als Blutsauger heutzutage hip sein will, macht Bodybuilding, trägt Laserkanonen und Latex und hat stets einen lockeren Spruch auf den blutleeren Lippen. Selbst den Untoten, scheint es, bleiben Botox und Brust-OPs nicht erspart. Das ist wahre Tragik.
Vielleicht, meldet sich da eine amerikanische Stimme, sollte man sich wieder rückbesinnen. Die Vampire, die Menschen, wir alle. Auf die gute alte, da heile und bipolare Welt. Auf die Zeiten, da man noch wusste, wo man herkam, und nicht jedem Modegag hinterher rannte. Das meint zumindest John Kirby, seines Zeichens Professor für klassische Literatur an der Purdue-Universität und Experte in Sachen Blutsauger. Nicht vergessen sollten wir, so sagt er, dass die Vampire nicht immer so hübsch anzusehen waren wie zu unserer Zeit. Erst die Medien hätten die Sauger zu dem gemacht, was sie heute sind: romantische Grenzgänger, Fledermäuse mit gestutzten Flügeln. Gipfel der Entfremdung ist eindeutig der arme Graf Zahl. Seine einzige Leidenschaft gilt nur noch dem monotonen Abzählen von Ziffern, nur dies versetzt ihn noch in ekstatische Zustände.
Ach, ein solcher Stubenhocker wäre vor zweihundert Jahren nicht möglich gewesen. Damals galt ein Vampir noch als blutrünstiges Monster, vor dem man seine Kinder beschützte – gefährlich und Abscheu erregend. So wie Vlad der Pfähler, der Begründer des Vampirglaubens, der den Sagen nach unter den verstümmelten Leichen seiner aufgespießten Feinde zu speisen pflegte. Zu jenen längst vergangenen Zeiten war die Welt eben einfach noch in Ordnung. Es gab wahre Helden und wahre Bösewichte. Holde Güte zeichnete sich aus durch rosige Wangen, unschuldige Kinderaugen und wahrhaftige Naivität. Das Böse hingegen hatte einen verschlagenen Blick, zeigte drohend gebleckte Reißzähne und bediente sich zuhauf der lebkuchenbackenden Magie des Verderbens. Ja, so war das damals, Gut gegen Böse, Weiß gegen Schwarz, und am Ende fällt der zugenähte und mit Steinen vollgestopfte Wolf in den Brunnen.
Heute sind die Vampire beides: Gut und Böse, sexy und peinlich, Opfer und Täter – und dadurch irgendwie menschlich und liebenswert.
Schade! So haben wir uns selbst einer netten traditionellen Kompensation unserer freudschen Ängste beraubt. Die müssen sich nun ein anderes Ventil suchen. Vielleicht mittels der Panik vor der Vogelgrippe? Adieu, blutsaugendes Monster, willkommen Horror-Huhn!
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben