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Grams' Sprechstunde: Beliebt ist auch Freibier

Wer »Wirksamkeit« schlecht verkaufen kann, der redet lieber über »Beliebtheit«. Manchmal leider auch dort, wo Marketing nichts verloren hat.
Nach gängigen Werbestandards gutaussehende Models prosten mit Maßkrügen. Wahrscheinlich enthalten diese kostenfrei bereit gestelltes Bier (und damit mehr als nur Zucker)

Neulich bin ich in der »Ärzte-Zeitung« über den Titel »Homöopathiewende in Deutschland« gestolpert. Darin meldete sich vor allem die Interessenvereinigung homöopathischer Ärzte: Immer mehr Menschen in Deutschland, so der Tenor, würden sich nicht nur eine Agrar- und Energiewende wünschen, sondern auch eine »Medizinwende«, nach der Homöopathie dann eine größere Rolle spielen sollte. Im Rest des Artikels darf die erste Vorsitzende des Vereins die Homöopathie noch als wünschenswerte »Hilfe« in Zeiten zunehmender Antibiotikaresistenz und »Polymedikation« preisen – und das alles in einem ärztlichen Fachblatt. Wir hatten es ja zuletzt schon von gefühltem Wissen – hier kommt noch Chupze dazu, es öffentlich zur Schau zu tragen.

Übrigens ist die Homöopathie wirklich beliebt, und das ist auch nicht erstaunlich. Denn es sind ja wirklich viele Menschen mit der Versorgung im Medizinalltag zu Recht unzufrieden, auch viele Ärzte. Man könnte nun darüber nachdenken, dass ein Gesundheitssystem immer nur so gut sein kann wie es die gesetzten Rahmenbedingungen zulassen – aber wir müssen ja über die Beliebtheit der Homöopathie bei »immer mehr Menschen« reden. Die dann allerdings oft gar nicht wissen, worum es sich bei der Homöopathie wirklich handelt, wie Befragungen zeigen und wie ich persönlich bei vielen, vielen Diskussionen privat oder im Internet immer wieder feststelle. Fast die Regel ist zum Beispiel, dass die Homöopathie mit Naturheilkunde verwechselt oder gar gleichgesetzt wird.

Da spielt keine große Rolle mehr, dass viele auch gar nicht wissen, welchen »natürlichen« Ursprung die Ausgangssubstanzen für Homöopathie mitunter haben: Röntgenstrahlen zum Beispiel, Plastik oder Berliner Mauer. Oder dass auch sehr eklige und krank machende Ausgangsstoffe verwendet werden, wie die Erreger der Tuberkulose und der Syphilis, zerquetschte Bienen, Tierkot und giftige, potenziell tödliche Stoffe wie Arsen. Wer würde das freiwillig einnehmen wollen?

Beim Herausstellen der ach so große Beliebtheit der Homöopathie wird vor allem vergessen – oder beiseitegeschoben –, dass medizinischer Mittel und Methoden nicht beliebt sein müssen, um zu wirken. Im Gegenteil: Kein Krebskranker wird eine Operation und eine Chemotherapie gerne und freiwillig auf sich nehmen, solche Eingriffe in den menschlichen Körper haben eben starke Nebenwirkungen und Risiken. Die Patienten tun es, weil die Wirkung nachgewiesen ist und man sich dadurch eine Verbesserung des Gesundheitszustandes, vielleicht sogar eine Hinauszögerung des Todeszeitpunktes verspricht. Sie nehmen abhängig von der Schwere der Erkrankung auch ein höheres Nebenwirkungsrisiko in Kauf – zu Gunsten der erwartbaren Wirkung, die eben kaum auf Beliebtheit beruht.

Es ist selbstverständlich und einer der ethischen Standards in der heutigen Medizin, dass dieses Wirkungsversprechen nicht leichtfertig gegeben werden darf, weder von den Herstellern pharmazeutischer Mittel noch von den Ärzten, die diese am Patienten anwenden. Dazu ist eine strenge Überprüfung der Aussagen und deren Wahrheitsgehalt nötig und sinnvoll, denn es geht ja um unser Leben. Die Spielregeln für eine »good practice«, also eine strenge verantwortliche Vorgehensweise dabei, bewegen sich auf einem sehr hohen Niveau.

Bei der Homöopathie jedoch – und auch anderen Verfahren der so genannten alternativen Medizin – wird hier mit zweierlei Maß gemessen. Von einer Wirksamkeit kann gar keine Rede sein, denn es gibt keinen Nachweis dafür, dass zum Beispiel die Homöopathie besser wirkt als eine Scheintherapie (ein Placebo). Placebo ist überall, um das einmal salopp auszudrücken. Und deshalb fallen Mittel und Methoden, die keine belastbare Überlegenheit über Placebo zeigen können, schlicht durch, wenn sie Medizin sein wollen. »Medizin« bedeutet spezifische, also auf das Mittel oder die Methode selbst zurückzuführende Wirksamkeit, nachgewiesen in strengen Verfahren. Homöopathie, da gibt es in der wissenschaftlichen Gemeinschaft keinen begründeten Zweifel, erfüllt diese Anforderung nicht. Moment: Was hat das noch mal mit Beliebtheit zu tun? Richtig – nichts.

Denn wenn man die Menschen danach fragt, was sie gerne mögen, so kann das auch ein Freibier sein, ein längerer Urlaub oder eine Rückenmassage. Die Beliebtheit entscheidet nicht über die Wirksamkeit und auch nicht über die Sinnhaftigkeit einer Therapie. Die Beliebtheit der Homöopathie erklärt sich konkret auch nicht durch eine Wirksamkeit, denn es gibt wie gesagt keine. Die wesentlichen Ursachen für diese Fehlannahme in weiten Kreisen sind einerseits die Verschleierung der wahren Hintergründe der Homöopathie – ich kenne keine Homöopathiewerbung, die auch nur im Ansatz auf die Grundsätze der hahnemannschen Methode einginge. Eine Rolle spielt andererseits auch jahrzehntelange offensive Vermarktung als »sanfte, natürliche und nebenwirkungsfreie« Alternative zu einer »gemeinen und bösartigen, ›chemischen‹ und pharmagesteuerten« modernen Medizin (die damit – das nebenbei – regelrecht diskreditiert wird). Eine fatale Wirkung hat auch die Adelung der Homöopathie als Arzneimittel ohne Wirkungsnachweis durch das – noch – geltende Recht, das schon bei seinem Inkrafttreten 1978 insofern ein wissenschaftlicher Anachronismus war.

Doch wir kommen beim Bemühen, dem Patienten die Grundsätze einer evidenzbasierten, ehrlichen und auf seine wirklichen Bedürfnisse eingehenden Medizin nahezubringen, einfach nicht weiter. Erst recht nicht, wenn die Diskussion auch noch in ärztlichen Fachblättern immer wieder auf der falschen Ebene präsentiert wird. Ob eine Therapie hilfreich ist oder nicht, kann leicht untersucht werden. Auch bei der Homöopathie ist dies erfolgt, schon zu Hahnemanns Zeiten, aber in den letzten 25 Jahren mehrfach auch mit den Mitteln moderner wissenschaftlicher Erkenntnis – und zwar objektiv und unvoreingenommen. Ergebnis: Homöopathie ist nicht wirksamer als ein Placebo.

Das sind die Fakten. Und wie ausgeführt, sollten wir in der Medizin auf der Basis von Fakten entscheiden und nicht nach gefühlten Wahrheiten. Zwei plus zwei ergibt immer noch vier. Und eben nicht 3,76, wenn ich mich gerade danach fühle und sich das irgendwie besser anfühlt. Würde man die Menschen fragen: Wollt ihr ehrliche Medizin, die wirklich wirkt, die sicher und gut geprüft ist, die bei Krankheiten wirklich helfen kann, dann würden wohl alle mit Ja antworten. Eine solche Medizin ist die Homöopathie aber ganz sicher nicht!

Es ist zum Schaden von uns allen, wenn hier immer wieder falsche Tatsachen, Zusammenhänge und gefühlte Fakten präsentiert werden und es ist auch zum Schaden eines grundsätzlich wissenschaftlichen Verständnisses der Medizin, ja der Wissenschaft insgesamt, die damit zu einem Spiel der Beliebigkeit herabgewürdigt – und von vielen Menschen deshalb leider auch so wahrgenommen – wird. Lasst uns endlich damit aufhören – und die tatsächlich wirksame Medizin in ihrem Umgang mit Patienten als Menschen verbessern. Da wären Zeit, Forschung und Engagement wirklich besser investiert als in fehlgeleitete Debatten und Ressourcen für unwirksame Methoden.

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