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Hochschulen: Besser als ihr Ruf

Die Exzellenzinitiative hat den deutschen Universitäten einen Entwicklungsschub gegeben. Nun sollte man über neue Formen wettbewerbsorientierter Hochschulförderung nachdenken, meint Paul Michael Lützeler, der selbst führend an der Evaluierung zweier Kandidaten für den Exzellenztitel beteiligt war - Tübingen und Humboldt-Universität Berlin.
Doktorhut

Die deutschen Hochschulen sind besser als ihr Ruf. Schaut man sich die diversen "Rankings" der Universitäten weltweit an – etwa das besonders bekannte aus Schanghai –, findet man selten den Namen einer deutschen Universität unter den ersten 50: Dort dominieren die berühmten Institutionen aus dem Osten und dem Westen der USA. Das liegt aber zu einem nicht geringen Teil daran, dass in der Bundesrepublik die reinen Forschungszentren wie die Max-Planck-, Helmholtz- oder Fraunhofer-Gesellschaften noch weit gehend von den Universitäten entkoppelt sind.

Wären solche Zentren integraler und selbstverständlicher Teil der Hochschulen, würden also deren Leistungen als Errungenschaften von Universitäten verbucht, würde Deutschland ohne Frage im Ranking viel besser dastehen. In den USA gibt es eine solche Trennung zwischen Universität und Forschungszentrum ebenfalls, aber dort sind diese von den Hochschulen getrennten Zentren (man denke an die NASA) längst nicht so zahlreich wie in Deutschland. Und da jene Forschung, wie sie etwa an den Max-Planck-Instituten (MPI) betrieben wird, normaler Teil amerikanischer Universitätskompetenz ist, fallen die Noten für die US-Hochschulen durchweg besser aus.

Aber seit gut einem Jahrzehnt ist Bewegung in die hiesige Lehr- und Forschungslandschaft gekommen. Die Kooperationen zwischen den ehemals separierten Forschungsinstitutionen und den Hochschulen haben stark zugenommen. Da sie gegenseitig aufeinander angewiesen sind, ist das nur zu begrüßen: Es gibt kein MPI, das seine Mitglieder nicht aus exzellenten Universitäten rekrutierte, und die Ergebnisse der Forschungsinstitute werden sofort an den Universitäten verarbeitet. Zu dieser verstärkten Zusammenarbeit hat auch die so genannte Exzellenzinitiative beigetragen – auch wenn es nicht ihr eigentliches Ziel war und ist. Dennoch: Im Rückblick wird man die Jahre zwischen 2007 und 2017 als eine Zeit der Reform und der Erneuerung der deutschen Hochschule betrachten.

Paul Michael Lützeler | Der Autor ist ein deutsch-amerikanischer Germanist und vergleichender Literaturwissenschaftler. Er lehrt als Rosa May Distinguished University Professor in the Humanities an der Washington University in St. Louis. Er ist korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur und Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste sowie seit 2011 Teil der Strategiekommission des Wissenschaftsrats der Bundesrepublik Deutschland. Als ausländischer Gutachter bewertete er unter anderem die Exzellenzanträge der Berliner Humboldt-Universität und der Universität Tübingen: Er hat also fundierten Einblick in die Abläufe der Exzellenzinitiative.

Es wurden in diesem Jahrzehnt in einer gemeinsamen Anstrengung von Bund und Ländern mehr als viereinhalb Milliarden Euro zusätzlicher Mittel in die Universitäten geleitet. Das geschah sinnvollerweise nicht nach dem alten Gießkannenprinzip, das von der irrigen Auffassung ausging, dass alle deutschen Universitäten ohnehin ausgezeichnet seien, sondern im Rahmen eines geplanten Wettbewerbs: Da konnten sich Universitäten um Graduiertenschulen, um die Finanzierung von Exzellenzclustern sowie um die Förderung von Zukunftskonzepten bewerben. Chancen hatten dabei nur Universitäten, die erstens ihre Internationalisierung, zweitens das interdisziplinäre Arbeiten und drittens das Prinzip der Gleichstellung (Einstellung von Frauen) ernst nahmen.

Diese Offerte wurde angenommen, und der Wettbewerb hat neue Energien freigesetzt: Auf dem Niveau der Doktorandenausbildung, auf dem Gebiet vermehrter interdisziplinärer Zusammenarbeit, in der man auch die Geistes- und Naturwissenschaften in einen neuen Dialog brachte, und schließlich im Hinblick auf die langfristige Zukunftsplanung einer Universität insgesamt kamen Ideen zur Entfaltung, die sonst als unrealisierbar und auch unfinanzierbar ad acta gelegt worden wären.

"Es wird oft – und nicht zu Unrecht – die Frage gestellt, ob sich der Aufwand für den Wettbewerb um den Exzellenzstatus lohnt. Ich meine doch"

Ich selbst arbeitete als ausländischer Gutachter in den beiden letzten Jahren in der Strategiekommission des Wissenschaftsrats, der mit der Bewertung der Zukunftskonzepte, das heißt mit der so genannten dritten Förderlinie, beschäftigt ist. Vor fünf Jahren waren in einer ersten Auswahl- und Bewilligungswelle neun Universitäten mit der "Exzellenz"-Auszeichnung bedacht worden. Das waren sämtlich Hochschulen, die mindestens eine Graduiertenschule zur Doktorandenausbildung, ein interdisziplinäres Exzellenzcluster sowie ihr Zukunftskonzept zur Förderung genehmigt bekommen hatten. Auffallend war damals die Häufung der Exzellenzuniversitäten im süddeutschen Raum: München (TU und LMU), Heidelberg, KIT in Karlsruhe, Freiburg und Konstanz in Baden-Württemberg machten zwei Drittel der neun bedachten Institutionen aus. Hinzu kamen Aachen aus Nordrhein-Westfalen, Göttingen aus Niedersachsen und die FU Berlin. Damals war keine Hochschule aus Ostdeutschland unter den erwählten und auch kein Nordlicht.

Das hat sich geändert: Im Juni 2012 zählten zu den Gewinnern die TU Dresden und die Humboldt-Universität in Berlin, aber auch die Universität Bremen. Gegenüber der ersten Förderzeit gab es jetzt drei Absteiger: das KIT, Göttingen und Freiburg.

Für die Exzellenzinitiative evaluiert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Anträge auf Graduiertenschulen und auf Exzellenzcluster, der Wissenschaftsrat kümmert sich um die Bewerbungen der Zukunftskonzepte, die von den Universitätsrektoren formuliert und eingereicht werden. Die Strategiekommission des Wissenschaftsrats, die mit der Evaluation der Rektorenanträge beschäftigt sind, besteht aus zwölf Mitgliedern (allesamt Professoren und Professorinnen), wovon die Hälfte aus dem Ausland kommt, vor allem aus Europa und den USA. Jedes Mitglied liest nicht nur kritisch und vergleichend die eingereichten Zukunftskonzepte, sondern nimmt auch an zwei oder drei "Begehungen" jener Universitäten teil, deren Rektoren ein Zukunftskonzept eingereicht haben. Bei diesem Besuch leitet ein Mitglied der Strategiekommission eine vom Wissenschaftsrat speziell zusammengestellte Expertengruppe von Hochschullehrer und -lehrerinnen, deren Mehrzahl aus dem Ausland rekrutiert worden ist.

In einer Serie von Treffen begegnet man der Universitätsspitze, den Dekanen, dem Hochschulrat, dem Senat, den Nachwuchswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen, den Studenten sowie den Direktoren vieler einzelner markanter disziplinärer und interdisziplinärer Forschungszentren. Grundlage der Diskussion ist immer die Selbstdarstellung des Status quo und das angestrebte Ziel der jeweiligen Gruppe, die man am Anfang noch im Gesamtzusammenhang und in der Folge einzeln interviewt.

Selbstdarstellung und Ziel sind dem umfangreichen Antrag des Rektors zu entnehmen. Die Begehung interessiert sich für die faktische oder mangelnde Übereinstimmung zwischen Antrag und Realität, aber auch für Klärungen von Details, die ohne Anschauung vor Ort nur schwer nachzuvollziehen sind. Ohne solche Begehungen sind keine Evaluationen möglich. An der Humboldt-Universität und in Tübingen leitete ich diese Evaluationsgruppen, musste also den Dialog zwischen Expertengruppe und den unterschiedlichen Vertretern der Hochschule in Gang halten. Der Bericht der Expertengruppe ist für die Entscheidungsfindung bei den folgenden vergleichenden Diskussionen innerhalb der Strategiekommission naturgemäß von besonderer Bedeutung.

"Es weht seit der Exzellenzinitiative ein merklich frischerer Wind durch die Hörsäle und Seminare deutscher Universitäten"

Im Juni 2012 trafen sich die Fachkommission der DFG und die Strategiekommission des Wissenschaftsrats noch einmal einzeln und zur vergleichenden Diskussion, und am Ende stand ein Abschlussgespräch dieser gemeinsamen Kommission aus DFG und Wissenschaftsrat mit der Bundesministerin für Bildung und Forschung sowie den Kultusministern der 16 Bundesländer. Diese Gruppe ist zur Beschlussfassung berechtigt, und sie akzeptierte die Empfehlungen der Vertreter in der Fachkommission der DFG und der Strategiekommission des Wissenschaftsrats. Das Ergebnis war, dass neben der erneuerten Förderung von sechs Universitäten (München TU, München LMU, Aachen, FU Berlin, Heidelberg, Konstanz) fünf neu geförderte hinzukommen: HU Berlin, TU Dresden, Bremen, Tübingen und Köln. Für die "alten" Hochschulen wird es keine erneuerte Förderung über 2017 hinausgeben; für die "neuen" dagegen wird eine Unterstützung um weitere fünf Jahre bis ins Jahr 2022 ins Auge gefasst. Der Grund dafür liegt im Prinzip der Gleichbehandlung. Allerdings wird diese weitere Förderung der "neuen" nicht automatisch erfolgen, sondern nur nach nochmaligem Antrag und weiterer Prüfung.

Es wird oft – und nicht zu Unrecht – die Frage gestellt, ob sich der Aufwand für den Wettbewerb um den Exzellenzstatus lohnt. Ich meine doch. Auch wenn ein Antrag abgelehnt werden sollte, hat sich für die Wissenschaftler, die sich zur Beschreibung der Graduiertenschule oder eines Exzellenzclusters zusammenfanden, durchaus gelohnt. Und oft wenden sich die betreffenden Hochschullehrer mit Erfolg an Stiftungen oder an Ministerien der Länder, um Schule oder Cluster zu finanzieren. Es weht seit der Exzellenzinitiative ein merklich frischerer Wind durch die Hörsäle und Seminare deutscher Universitäten.

Über einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren hinaus muss diese Art von strukturierter, von den Ländern in Zusammenarbeit mit dem Bund angeregter und finanzierter Unterstützung aber nicht hinausgehen. Dann sollte man über neue Formen wettbewerbsorientierter Hochschulförderung nachdenken, die belebend auf Wissenschaft und Lehre wirken. Erwähnenswert ist übrigens, dass andere Länder wie Frankreich und Indien sich bereits zu vergleichbaren – aber keineswegs identischen – Exzellenzinitiativen an ihren Universitäten durch das Beispiel Deutschland haben inspirieren lassen. Ich denke, dass das nicht die einzigen Fälle bleiben werden.

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