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Angemerkt!: Blamabler Auftritt

Daniel Lingenhöhl
Welterbe hat es in Deutschland schwer. Zwar schmücken sich viele gerne mit dem von der Unesco vergebenen Titel, weil er zahlreiche Touristen anlockt und Prestige bedeutet. Wenn aber die Vorgaben und Planungen der Unesco zu konkret werden, bekommen manche Politiker plötzlich kalte Füße.

Ein aktuelles Beispiel kommt aus Hamburg, wo der Senat sich weigert, den Welterbe-Plan zum Wattenmeer zu unterstützen. Man fürchte Einschränkungen beim Ausbau und der Vertiefung der Elbe, lautet die Begründung von Bürgermeister Ole von Beust, und damit um die Überlebensfähigkeit des für die Hansestadt immens wichtigen Hafens. Mit dieser ablehnenden Haltung droht nun der gesamte Antrag – gemeinsam verfasst von den Niederlanden, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und auch Hamburg – zu scheitern, da er bis Ende Januar abgegeben werden müsste. Ansonsten droht ein Zerfall des Bündnisses, das während der letzten 16 (!) Jahre geschmiedet wurde.

Auf den ersten Blick scheinen die Bedenken aus dem Hamburger Senat plausibel zu klingen – hängen doch am Hafen tausende Arbeitsplätze und der Wohlstand der Region. Und nur zu gut in Erinnerung dürfte noch die Diskussion um den Welterbe-Titel Dresdens sein, den die Unesco womöglich wieder aberkennt, weil die sächsische Metropole eine neue Brücke über die Elbe bauen möchte – ein Infrastrukturprojekt, dass die weltberühmte Silhouette der Stadt beeinträchtigen und die Sichtachse durch das Flusstal blockieren wird.

Die Unterschiede zwischen Hamburg und Dresden sind allerdings gewaltig. Im Jahr 2003 beantragte der Freistaat Sachsen bei der Unesco, dass das Dresdner Elbtal den ruhmvollen Titel erhalten möchte, wobei in den eingereichten Unterlagen der beabsichtigte Bau einer weiteren Brücke im Bereich des Welterbes sogar explizit erwähnt wird. Ihre genaue Lage und das ganze Ausmaß der zugehörigen Hochstraßen über den Elbauen wie der monströsen Zufahrtsrampen wurden jedoch verschwiegen. Ebenso fehlten Angaben über die Auswirkungen, die der Bau einer neuen autobahnähnlichen Verkehrstrasse auf das Antragsgebiet haben würde.

Deshalb sollte es eigentlich nicht verwundern, dass die tatsächlichen Pläne zum Bau der Waldschlösschenbrücke auf massiven Widerstand der Unesco stießen. Als Konsequenz setzte sie Dresden auf die Liste der gefährdeten Welterbestätten und droht mit einem Entzug des Titels auf ihrer nächsten Sitzung, schließlich haben nun die Bauarbeiten begonnen, und es wurden die ersten "störenden" Bäume aus dem Weg geräumt. Dabei hätte sich die Unesco nicht völlig gegen eine Brücke gestemmt, wäre sie schonender in die Landschaft eingefügt worden und nicht als schlicht-hässlicher Klotz dahergekommen. Hätten Stadt und Freistaat von Anfang an mit offenen Karten gespielt, hätte die Unesco wohl rasch klargestellt, dass das – euphemistisch Waldschlösschenbrücke genannte – Bauwerk nicht im Einklang mit den Regularien des Welterbes stehen könnte. In seiner Monströsität zerstört es schließlich eines der schutzwürdigsten Kriterien für die Ernennung Dresdens: den freien Blick durch das Elbtal.

Anders sieht der Fall in Hamburg aus. Im Projektantrag wird bereits explizit darauf verwiesen, dass die Stadt eine weitere Elbvertiefung plant, welche auch das Wattenmeer betreffen könnte. Sollte der Titel also vergeben werden, dann auch unter Berücksichtigung dieser Maßnahme: Sie wäre quasi Teil der Entscheidungsgrundlage und im abgesegneten Rahmen nachträglich nicht mehr von der Unesco angreifbar. Rechtlich würde sich für die Stadt Hamburg ohnehin nichts ändern, da die Unesco keine Genehmigungs- oder Regulierungshoheit hat und dementsprechend nicht eingreifen kann, wenn die Elbe ausgebaut wird. Einzig deutsches und europäisches Recht bleiben gültig. So gesehen wächst auch die Bürokratie nicht, wie Hamburg in einem weiteren Kritikpunkt moniert, denn es wird keine weitere Instanz eingerichtet. Und auch die beklagte angebliche Ausnahmeregelung für die Häfen Antwerpen und Rotterdam, die von der Welterbe-Regelung nicht betroffen sein sollen, ist ein dürftiges Argument: Beide grenzen nicht an das Wattenmeer und spielen folglich keine Rolle in der Entscheidungsfindung der Unesco. Zudem wurden alle deutschen Häfen – inklusive jener an der Elbe – ausgeklammert und können sich weiter entwickeln.

Warum also sperrt sich der Senat? Ein Blick auf den Kalender liefert vielleicht eine Antwort: Am 24. Februar wird eine neue Bürgschaft gewählt. Und zur Mobilisierung der eigenen Klientel könnte der CDU-geführte Senat versucht sein, wieder einmal die Umwelt gegen die Wirtschaft auszuspielen. Eine gefährliche Strategie, denn 83 Prozent der Hamburger haben sich in einer Umfrage für ein Welterbe Wattenmeer ausgesprochen. Vielleicht soll das Nein aber auch die beiden Nachbarn Niedersachsen und Schleswig-Holstein brüskieren und unter Druck setzen, die für den Unesco-Titel sind, weil sie sich unter anderem eine weitere Aufwertung ihrer Tourismusbranche an der Küste erhoffen. Beide sperren sich jedoch aus verschiedenen Gründen gegen einen weiteren Ausbau der Elbe.

Letztendlich enttarnt sich der Senat in seiner Ablehnung selbst. Denn zu den Einwänden gehört auch, dass der nötige Naturschutz bereits durch den Nationalpark Wattenmeer gesichert sei, während der Welterbe-Titel nur einen zusätzlichen Schmuck abgäbe. Damit gesteht Hamburg allerdings indirekt ein, dass mit der Anerkennung keine neuen Einschränkungen verbunden wären – und führt die eigenen Argumente dagegen ad absurdum. Die Hansestadt ist wohl die Erste, die sich gegen zusätzlichen Schmuck wehrt, und sie blamiert die gerne zitierte Kulturnation Deutschland ein weiteres Mal vor der Unesco und der Weltgemeinschaft. Die Ehrenrettung obliegt nun Niedersachsen und Schleswig-Holstein: Beide haben angekündigt, den Antrag auch ohne Hamburgs winziges Stück Wattenmeer einzureichen.

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