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Naturschutz: Börsengang für Wale

Die Zukunft der Internationalen Walfangkommission steht auf dem Spiel. Eine "Walschutzbörse" könnte sie retten, meinen Christopher Costello, Leah R. Gerber und Steven Gaines.
Fluke eines Buckelwals

Trotz des 1986 in Kraft getretenen Walfangmoratoriums der Internationalen Walfangkommission (IWC) hat sich die Zahl der getöteten Wale seit den frühen 1990er Jahren mehr als verdoppelt: Fast 2000 Wale werden nun jährlich gejagt – etwa 1000 für "wissenschaftliche Zwecke" (von Japan), 600 von Staaten wie Norwegen und Island, die sich dem Bann widersetzen, und 350 im Rahmen des so genannten Subsistenzwalfangs indigener Völker vor allem in Grönland, Russland und den USA [1]. Viele Populationen der großen Meeressäuger wurden gnadenlos ausgebeutet, weshalb der kommerzielle Walfang sie weiter bedroht. [2].

Der anhaltende und weitest gehend unkontrollierte Walfang hat eine hitzige Diskussion ausgelöst, ob der von ethischen und Managementproblemen lange Zeit gelähmte IWC den bislang sanktionierten Walfang wieder genehmigen sollte. 2010 hatten einige den Walfang ablehnende Nationen einen Kompromissvorschlag eingereicht: die Einführung von Kontingenten für den kommerziellen Walfang, um damit letztendlich den Walfang zu reduzieren. Nach langen Auseinandersetzungen fiel der Entwurf schließlich durch – vor allem weil einige Walfanggegner ein grundlegendes Problem damit hatten, überhaupt entsprechende Quoten aufzusetzen: Ihrer Ansicht nach würde das den kommerziellen Walfang legitimieren. Manche machen Japan für das Scheitern verantwortlich, da sich das Land geweigert hatte, einem Fangverbot im Südlichen Ozean zuzustimmen.

Wir schlagen einen alternativen Weg vor, um den momentanen Stillstand zu überwinden: einen globalen Markt, auf dem Walfangquoten gehandelt werden können, die für alle Beteiligten wirtschaftlich, ökologisch und gesellschaftlich vertretbar wären. Da auch Naturschützer Walfangrechte kaufen könnten, bietet sich für Walfänger die Option, an den Tieren zu verdienen, ohne sie überhaupt zu töten. Ein solcher Markt würde also die Mortalität senken und dabei die Auseinandersetzung umgehen, ob Walfang gesellschaftlich akzeptabel oder eine Schande ist.

Erprobtes Verfahren

Solche marktbasierten Ansätze haben in den letzten 20 Jahren im Naturschutz zugenommen. Bei sorgfältiger Planung können sie sehr erfolgreich sein. Handelbare Emissionsquoten für Schadstoffe wie Schwefeldioxid und Stickoxide konnten den Ausstoß stärker und kostengünstiger mindern als die herkömmlichen gesetzlichen Regelungen in den USA. Aus entsprechenden Projekten zum Schutz von Auen und Feuchtgebieten gingen nicht nur mehr als 80 000 Hektar Schutzgebiete hervor, sie förderten auch die Investition von Privatunternehmen in ökologische Maßnahmen. In Ländern wie Neuseeland, Island und Kanada sorgen übertragbare Fischereirechte für eine nachhaltige Fischerei und verhinderten den Kollaps von bedrohten Fischbeständen.

Das Konzept einer Auktion der jährlichen Walfangquoten durch eine "Welt-Walfang-Behörde" wurde schon 1982 vorgestellt [3]. Es wurde jedoch nie umgesetzt – vielleicht weil es seiner Zeit voraus war: Die ersten solchen Programme in der Fischerei, der Luftverschmutzung und der Biodiversität begannen in den 1990er Jahren. Vielleicht auch, weil es von den Walfängern verlangte, dass sie auf ein bis dahin uneingeschränkt frei verfügbares Privileg hätten verzichten müssen.

Eine Walschutzbörse wäre jedoch anders gestrickt. Dort würden "Walaktien" in ökologisch vertretbarer Zahl an alle Mitgliedstaaten der IWC verteilt. Diese hätten dann die Wahl, ob sie sie nutzen wollen, für ein Jahr ruhen lassen oder auf Dauer stilllegen. Die Aktien wären unter strenger Aufsicht global vermarktungsfähig, vielleicht noch mit der Auflage, dass Mitgliedsländer keine Walprodukte mit Nichtmitgliedern handeln dürfen. Die Zahl der gejagten Wale hinge damit davon ab, wer wie viele Anteile besitzt. Im einen Extrem – alle wurden von Walfängern aufgekauft – würden so viele Wale getötet, wie als nachhaltig definiert wurde. Im anderen Extrem – alle Anteile bei Schutzorganisationen – gäbe es gar keinen Walfang.

Es gibt einige Hürden, ein solches System zu etablieren, insbesondere die Fragen, was als nachhaltig einzustufen wäre und wie die Anteile verteilt werden sollten. Wir denken aber, dass der IWC in der Lage ist, die richtigen Antworten zu finden.

Die richtige Quote

Es gibt verschiedene etablierte Methoden, eine ökologisch vertretbare Menge für den Walfang festzulegen [4]. So ließe sich beispielsweise der IWC-eigene Algorithmus für die Höchstgrenze bei Bartenwalen auch auf andere Gruppen anwenden. Das US-amerikanische Gesetz zum Schutz von Meeressäugern wählt einen mehr konservativen Ansatz, die "potenzielle biologische Entnahme", um nachhaltige Fangquoten für US-amerikanische Gewässer festzulegen. Die Ursache für das Scheitern von Verhandlungen über verbindliche Quoten wie im Jahr 2010 gehen auch weniger auf die eigentlichen Zahlen zurück. Sie sind ein eher philosophisches Problem, ob man überhaupt Quoten festlegen darf. Wäre das Handeln der Anteile aber wie in unserem Vorschlag erlaubt, führt das nicht automatisch zum Tod der Tiere. Auch wären nationale Beschränkungen der Fangzahlen nicht notwendig. So wäre beiden Parteien gedient.

Erfolgreiche Waljagd | Der Subsistenz-Walfang einiger indigener Völker wie der Inuit in Kanada und Grönland kostet im Jahr etwa 350 der Meeressäuger das Leben.

Wer zu Beginn wie viele Anteile erhält, ist eine heikle Frage. Im Klimaschutz hat sich das Verteilen von Emissionsrechten- und Reduktionszielen auf die einzelnen Länder als wenig praktikabel erwiesen: Die Entwicklungsländer argumentieren, dass strenge Vorgaben ihre wirtschaftliche Entwicklung bremsen. Andere beanspruchen höhere Grenzwerte auf Grund besonderer Umstände wie beispielsweise besonders kalte Winter oder ausgedehnte Aufforstungsprojekte als Kohlenstoffsenken. Diese Verteilung war auch in der Fischereiwirtschaft sehr umstritten, wo sie für den Empfänger einen hohen wirtschaftlichen Wert darstellen.

In der Praxis stimmten sowohl im Emissionshandel wie in der Fischereiwirtschaft die ursprünglichen Anteile weit gehend mit der historischen Nutzung überein. Forschung im Bereich der globalen Märkte für Luftschadstoffe [5] als auch der Fischerei [6] bieten viele möglichen Lösungen für das Verteilungsproblem beim Walfang. Eine Option wäre, die Quoten gemäß ihrer Walfanghistorie an die Nationen zu vergeben. Der Rest käme frei auf den Markt, und daraus entstehende Erlöse gingen dann an entsprechende Schutzorganisationen.

Die Verteilung von Quoten innerhalb des Landes wiederum ist meist erfolgreicher und auch weniger umstritten. In Nationen, die keinen Walfang betreiben, würden die ursprünglichen Anteile wahrscheinlich an Schutzorganisationen gehen, die sich um den Erhalt einzelner Arten bemühen. Solche Anteile könnten in ihrer Gültigkeit zeitlich auf beispielsweise zehn Jahre beschränkt werden – mit der Möglichkeit der Verlängerung – oder bei Subsistenzwalfang eine Dauerberechtigung verleihen.

Einen solchen Markt zu kontrollieren, ist nicht ganz einfach. Ein globales Schiffsverzeichnis und sorgfältig überwachter Handel würden dazu beitragen, die Integrität des Systems zu sichern. Wenn die Preise und Handelsabläufe öffentlich gemacht werden müssten, würde das Transparenz in einen Wirtschaftszweig bringen, dem bislang Geschäfte hinter verschlossenen Türen und unlautere Absprachen vorgeworfen werden.

Die Walschutzbörse hätte gute Aussichten, sowohl bei Gegnern als auch Befürwortern des Walfangs Anklang zu finden. Wenn die Quoten richtig gesetzt werden, sollten die Transaktionen die Zahl gejagter Tiere senken, recht wahrscheinlich sogar auf Null – anders als bestehende Vereinbarungen, die die Fangzahlen offenbar eher steigern. Die Walfänger würden aber für den Verlust durch nicht gejagte Tiere angemessen entschädigt. Und da der Handel freiwillig ist, könnte der Markt für alle Parteien einen Gewinn bringen und gleichzeitig die Schutzanstrengungen unterstützen.

Gutes Geschäft für alle Beteiligten

Ein leidenschaftlicher Walschützer wird sofort argumentieren, man könne und dürfe keinen Preis für das Leben eines Wals festlegen, denn eine Art müsse unabhängig von ihrem wirtschaftlichen Wert geschützt werden. Doch solange nicht alle Nationen diese Ansicht teilen, wird der Walfang weitergehen. Gerade das Fehlen eines wirtschaftlichen Wertes ist die Ursache dafür, dass Walschutzunterfangen bislang so wenig erfolgreich waren.

Großzügig geschätzt beläuft sich der jährliche Gewinn aus dem kommerziellen Walfang auf 31 Millionen US-Dollar. Walfänger geben Millionen Dollar für die Jagd der Tiere aus, von denen viele anschließend auf dem Weltmarkt verkauft werden. Selbst einige Tiere aus dem Subsistenzwalfang enden offenbar irgendwo anders im Handel – womit das Argument, das Walfleisch sei eine essenzielle Proteinquelle in der Ernährung der indigenen Völker, ausgehebelt wird [7].

Einfache Berechnungen auf der Basis von aktuellen Marktpreisen, Walgrößen und den Kosten für den Walfang kommen zu dem Ergebnis, dass der Gewinn für die Waljäger pro Wal zwischen 13 000 US-Dollar für einen Zwergwal und 85 000 US-Dollar für einen Finnwal beträgt. Der Preis für einen Wal sollte damit im erschwinglichen Bereich für Naturschutzorganisationen und selbst mancher Einzelpersonen liegen.

Eine konservative Schätzung der jährlichen Ausgaben für den Walschutz seitens privater Organisationen (basierend auf den Daten von Greenpeace USA, Greenpeace International, Sea Shepherd Conservation Society, WWF International und WWF UK) beläuft sich auf 25 Millionen US-Dollar. Statt damit entsprechende Protestaktionen zu finanzieren, könnten die Organisationen Walaktien erstehen, mit demselben oder sogar einem größeren Effekt. Sea Shepherd beispielsweise vermutet, dass sie mit ihrer mehrere Millionen teuren Kampagne im Jahr 2008 etwa 350 Zwergwale gerettet haben. Nach unserem Modell wären dafür etwa vier Millionen US-Dollar nötig gewesen.

Bei sorgfältiger Planung könnte ein Weltmarkt für Wale auch Probleme wie den Beifang von Walen in der Fischerei und die Kollisionen von Walen mit Schiffen mit aufnehmen. Man könnte sie vielleicht sogar mit anderen Projekten verknüpfen: Kürzlich kam der Vorschlag, für lebende Wale CO2-Emissionsrechten zu verleihen [8]. Durch einen angemessenen Preis für einen Wal würde eine "Walschutzbörse" eine unmittelbare und greifbare Methode darstellen, die Meeressäuger zu schützen.

  • Quellen
[1] International Whaling Commission "Catch Limits & Catches Taken", verfügbar unter http://go.nature.com/rcnfq5
[2] Am. Sci. 88, S. 316–324, 2000
[3] Mar. Pol. 6, S. 103–120, 1982
[4] Fish.Res. 100, S. 42–56, 2009
[5] J. Environ. Econ. Manage. 60, S. 161–181, 2010
[6] Annu. Rev. Res. Econ. 3, S. 159–179, 2011
[7] BBC News (17. Juni 2008), verfügbar unter http://go.nature.com/vspyd5
[8] PLoS ONE 5, e12444, 2010.

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