Artenvielfalt: Das Ende der großen Bäume?
Als ich noch ein kleiner Junge war, stand ein stattlicher alter Baum in unserem Hinterhof. Meine Schwester und ich lebten praktisch auf und in ihm: Er war unser Lager, unsere Burg und Himmelsleiter. Jahrzehnte später erinnerte ich mich gelegentlich an diesen majestätischen Giganten, während ich Regenwaldbäume in Amazonien erforschte. Dort starben Baumriesen in großer Zahl. Oft waren die Ursachen offensichtlich – Bulldozer oder Kettensägen –, aber manchmal waren die Gründe geheimnisvoll.
In isolierten Fragmenten des Regenwalds beispielsweise ließen viele Bäume einfach ihre Blätter fallen und starben stehend ab; unzählige andere Exemplare verendeten durch Dürren. Am rätselhaftesten war, dass die mächtigsten Regenwaldbäume auch die am stärksten gefährdeten waren, wie wir entdeckten.
Warum sollten ausgerechnet Urwaldriesen so empfindlich sein? In Amazonien, wie andernorts, sind die größten Bäume meist hunderte oder gar tausende Jahre alt. Man sollte denken, dass derartige Behemoths während ihres Lebens zahlreiche klimatische Launen überlebt haben. Aber in einer zunehmend wechselhaften Welt ist ihre große Statur offensichtlich ein Fluch. Sie kämpfen damit, Wasser bis hinauf in ihre Kronen zu pumpen, ohne dass es dabei zu gefährlichen Embolien in ihrem Gefäßsystem kommt, weshalb Dürren oder allein die trockeneren Bedingungen in Regenwaldresten für sie fatal ausfallen können.
Große Bäume scheinen fast überall auf dem Rückzug zu sein. Holzfäller suchen seit Jahrhunderten gezielt nach ihnen, und riesige Waldflächen wurden weltweit in Ackerland oder städtische Vororte umgewandelt. Dazu kommen mittlerweile eine Reihe neuer und heimtückischer Bedrohungen. In Indien beispielsweise wuchern eingeschleppte Pflanzen wie Lantana – ein Gewächs aus der Familie der Eisenkrautgewächse – mittlerweile so dicht im Unterholz, dass sich Wälder nicht mehr natürlich verjüngen können. Ähnlich besorgniserregend ist das Gamba-Grass (Andropogon gayanu), das die Baumsavannen in Nordaustralien plagt. Dieses riesige afrikanische Gras brennt bei Buschfeuern so heiß, dass fast jeder Baum dadurch verbrennt. Es wurde so pestilent, dass der australische Ökologe David Bowman nur halb im Scherz vorgeschlagen hat, Elefanten nach Australien zu importieren, um seiner Herr zu werden.
Exotische Krankheiten und Insektenplagen werden ebenfalls zunehmend zum Problem. Durch das Ulmensterben verschwinden Millionen der majestätischen Bäume, die einst Wälder und Gärten zierten. In Nordamerika begünstigen die sich häufenden milden Winter den Ausbruch von Borkenkäferplagen, die ganze Wälder vernichten können. In Regenwäldern breiten sich Lianen aus: verholzte Schlingpflanzen, die Bäume parasitieren und deren Wachstum wie Überlebensfähigkeit schmälern. Womöglich profitieren sie vom steigenden Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre.
Immerhin finden die beängstigenden Nachrichten über die großen Bäumen mittlerweile ein großes Medienecho – zumal nachdem ein Artikel dazu in "Science" erschien, den ich zusammen mit zwei der weltweit renommiertesten Ökologen verfasst habe. Darin bewerten wir die globale Anfälligkeit der großen, alten Bäume. David Lindenmayer von der Australian National University ist bekannt für seine Studien über den Riesen-Eukalyptus (Eucalyptus regnans) – die hochwüchsigste Blütenpflanze der Erde –, die durch Abholzung und Buschbrände im südlichen Australien stark dezimiert wurde. Natürliche Höhlungen in ihrem Holz bilden lebenswichtige Rückzugsräume für 40 Tierarten. Diese Höhlen entstehen erst, wenn die Gewächse mindestens 120 Jahre alt sind – doch nur wenige Individuen dürfen so lange wachsen. Jerry Franklin von der University of Washington in Seattle wird für seine Forschung im Westen Nordamerikas gerühmt, wo Abholzung die meisten urtümlichen Nadelwälder vernichtet hat, obwohl sie Lebensraum zahlreicher seltener Arten sind.
Unsere Analyse beleuchtet die speziellen Herausforderungen, denen die alten Baumriesen gegenüberstehen. Ganz allgemein gesagt, benötigen sie einen sicheren Platz zum Leben und zur Fortpflanzung – und lange Zeiträume relativer Stabilität. Doch Zeit und Stabilität werden zunehmend zu raren Gütern in unserer modernen Welt, in der riesige Naturflächen umgewandelt werden und invasive Arten, eingeschleppte Krankheiten und Klimaveränderungen grassieren. Wenn die Baumgiganten überleben sollen, benötigen wir gezielte Strategien, um sie zu schützen – etwa indem wir lebensnotwendige Refugien bewahren, in denen noch große Bäume geschützt vor Abholzung und anderen Bedrohungen wachsen.
In vielerlei Hinsicht sind große Bäume ein Gradmesser für die Gesundheit der Erde. Ihr Niedergang deutet eine Welt an, in der die alten Riesen durch schmächtige, kurzlebige Allerweltsarten ersetzt werden, die überall vorkommen können. Die Wälder speichern dann weniger Kohlenstoff und bieten davon abhängigen Tierarten kaum mehr einen Lebensraum. Ich fürchte, es wird eine Welt sein, in der Kinder keine stattlichen Bäume mehr zum Klettern und Spielen finden – oder vor denen sie einfach stehen und staunend in die riesige, kathedralenartige Krone blicken.
Der Artikel erschien unter dem Titel "The end of big trees?" auf der Seite "The Conversation".
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