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Warkus' Welt: Das Klischee des zechenden Denkers

Philosophie und Alkohol: In den Augen vieler ist das eine unwiderstehliche Verbindung. Doch woher rührt die Vorstellung? Unser Kolumnist Matthias Warkus ist der Frage nachgegangen.
Buch und Wein

Diese Kolumne beschäftigt sich zwar meistens mit philosophischen Themen im engeren Sinn, manchmal geht es aber auch um Fragen über die Philosophie als Teil des Wissenschaftsbetriebs. Denn auch die sind wichtig: Was macht ihr eigentlich den ganzen Tag? Arbeitet ihr mit digitalen Medien, oder schreibt ihr noch mit Eisengallustinte? Was kommt bei der ganzen Sache raus?

Daher ist es unvermeidlich, irgendwann auch eine der Fragen zu besprechen, die am häufigsten an mich als Philosoph herangetragen werden: Sauft ihr wirklich so viel?

Es ist gar nicht so einfach herauszufinden, ob Menschen, die sich mit Philosophie beschäftigen, tatsächlich mehr Alkohol trinken als andere Personen. Rein popkulturell ist der Fall allerdings schon längst entschieden: Mit »Bruce’s Philosophers Song« von Monty Python (1973), »Große Männer« von Jürgen von der Lippe (1987) und »Die Philosoffen« von den Wise Guys (vor 2001) existieren mindestens drei Lieder zu dem Thema. Im Philosophiestudium kommt man praktisch nicht an ihnen vorbei. Früher oder später begegnet einem immer jemand, der sie vorsingt, weil er die Vorstellung lustig findet. Das Kartenmagazin »Katapult« hat gerade als Nebenbemerkung in einem Text, der aus anderen Gründen viel Aufmerksamkeit erregt hat, »ein Buch über Philosophen, die auch Säufer waren« angekündigt. Auch diese Ankündigung wurde viel geteilt und natürlich sofort grinsend an mich weitergereicht.

Gibt es vernünftige Rassisten? Hat nicht nur der Ärger unseres Vorgesetzten eine Ursache, sondern auch alles andere auf der Welt? Und was ist eigentlich Veränderung? Der Philosoph Matthias Warkus stellt in seiner Kolumne »Warkus’ Welt« philosophische Überlegungen zu alltäglichen Fragen an.

Wie kommt es nun zu diesem Eindruck? Vermutlich spielen hier mehrere Faktoren zusammen. Da ist erst einmal die landläufige Vorstellung, »philosophieren« wäre grundsätzlich ein lockeres und irgendwie unernstes Aneinanderreihen von interessanten Gedanken – etwas, das bei vielen Menschen ja tatsächlich verstärkt vorkommt, wenn sie Alkohol trinken. Dann hat Philosophie viel mit Lesen und Schreiben zu tun, und Literatur wird traditionell gerne im Zusammenhang mit Alkohol besprochen. Das Fach ist zudem eines der ältesten, die überhaupt an Hochschulen gelehrt werden, und wird daher vielleicht stärker als andere mit traditionellem studentischem Verhalten assoziiert, zu dem es gehört, Unmengen zu trinken. Nicht zuletzt ist eines der bekanntesten Werke von Platon, der immerhin so etwas wie der Großvater der abendländischen Philosophie ist, das »Symposion« (»Gastmahl«): Ein Dialog, der damit beginnt, dass ein paar noch vom Vortag stark verkaterte Athener beschließen, es beim neuerlichen Zusammentreffen (Zitat) »nicht auf den Rausch anzulegen, sondern nur so zu trinken zum Vergnügen«.

Philosophieren mit Rotweinglas

Das alles führt dazu, dass sich manche Menschen Philosophinnen und Philosophen schlechterdings gar nicht anders vorstellen können als mit einem Glas Rotwein in der Hand. (Warum es immer Rotwein ist, wäre auch eine interessante Frage. Vermutlich liegt es daran, dass Menschen, die in der Nähe von Geisteswissenschaften, Künsten und Literatur unterwegs sind, gerne ein verfeinerter Geschmack angedichtet wird und Rotwein das klischeehafte Schnöselgetränk schlechthin ist.)

Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus kann ich zwar bestätigen, dass unter Philosophiestudenten recht viel getrunken wurde, allerdings verblasst das im Vergleich dazu, was ich mit Angehörigen anderer Fächer erlebt habe. Gibt es objektive Daten dazu? Eine Studie aus dem Jahre 2013 legt nahe, dass zumindest an der untersuchten amerikanischen Universität in den Geisteswissenschaften nicht mehr getrunken wurde als in den Naturwissenschaften. Allerdings tranken Geisteswissenschaftler im Schnitt an mehr Tagen in der Woche, wobei es jedoch große Unterschiede zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen gibt (die Sozialwissenschaften liegen ganz vorne). Leider ist die Philosophie in diesem Fall nicht getrennt ausgewiesen.

Insgesamt gibt es nichts, das auf ein spezifisches Alkoholproblem an den Philosophieinstituten hindeutet. Dass sich das Vorurteil so hartnäckig hält, liegt aber vermutlich auch an uns selbst: Denn, so scheint mir, gar nicht so wenige im Fach fühlen sich eher geschmeichelt als gestört vom Klischee des zechenden Denkers.

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