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Freistetters Formelwelt: Das mathematische Geheimnis des Kernöls

Ein erstaunlicher Farbentrick mit einer einfachen Erklärung: Manchmal bestimmt das Auge die Wahrnehmung, manchmal die Physik.
Ein dunkles, grünliches Öl auf einem Teller. Daneben ein Stück Brot.

Kürzlich war ich in Freiburg auf der Kulturbörse, einer Branchenmesse für die Kultur- und Eventszene im deutschsprachigen Raum. Das ist eine Messe wie alle anderen auch, allerdings werden dort keine Bücher, Maschinen oder Autos angepriesen, sondern Künstlerinnen und Künstler. Meine Kollegen und ich waren dort, um unsere neue Wissenschaftskabarettshow zu verkaufen; wir haben uns aber auch angesehen, was es sonst noch so an Neuigkeiten in der Kabarettbranche gibt.

Dabei habe ich auch zwei österreichische Künstlerinnen getroffen, die unter dem schönen Namen Kernölamazonen auftreten. Sie haben mir vom Besuch bei einem lokalen Radiosender erzählt, wo sie vom Moderator eine chemische Formel präsentiert bekamen, die angeblich den molekularen Aufbau von Kernöl zeigen sollte. Was, wie wir dann herausgefunden haben, nicht ganz korrekt war, mich aber trotzdem ein wenig über die Wissenschaft hinter dieser Spezialität aus der Steiermark nachdenken ließ.

Kernöl ist eine interessante Substanz. Es wird aus Kürbiskernen gepresst, und man bekommt es vor allem in Südösterreich mit vielen Gerichten serviert. In der Flasche sieht das Öl noch dunkelrotbräunlich und fast schon schwarz aus, auf dem Teller erscheint es dann eher grünlich. Wieso ändert das Öl seine Farbe, habe ich mich gefragt und war mir sicher, die Antwort müsse irgendwo im Umfeld des lambert-beerschen Gesetzes zu finden sein:

Diese Formel kenne ich noch aus dem Astronomiestudium: Erstmals formuliert von dem Astronomen Pierre Bouguer und benannt nach den Physikern Johann Heinrich Lambert und August Beer, beschreibt es die Abschwächung der Intensität von Strahlung, wenn sie ein absorbierendes Medium durchquert. Mit d wird dabei die Dicke des durchstrahlten Körpers bezeichnet; c ist die Stoffmengenkonzentration der absorbierenden Substanz, und ελ ist der Extinktionskoeffizient des Materials, bezogen auf eine bestimmte Wellenlänge. In der Astronomie spielt dieser Zusammenhang zum Beispiel eine Rolle, wenn es darum geht, die Eigenschaften von Licht zu untersuchen, das durch die Atmosphäre strahlt. Beim Kernöl muss jedoch noch etwas anderes eine Rolle spielen, denn hier geht es ja nicht nur um die Änderung der Intensität, sondern um die der Farbe.

Auge gegen Absorption

Was in so einem Fall passiert, haben die slowenischen Wissenschaftler Samo und Marko Kreft im Jahr 2007 untersucht. Die für das Phänomen verantwortliche, Dichromatismus genannte Eigenschaft tritt dann auf, wenn das Absorptionsspektrum der Substanz ganz bestimmte Kriterien erfüllt. Außerdem hängt sie davon ab, wie gut die Farbrezeptoren in unseren Augen bei bestimmten Farben angeregt werden können.

Betrachtet man nur eine dünne Schicht Kernöl, dann hat das Absorptionsspektrum im grünen Bereich ein breites lokales Minimum – das heißt, ein großer Teil der grünen Wellenlängen wird weniger abgeschwächt. Es gibt auch ein Minimum im roten Bereich, das sogar »tiefer« ist, also noch mehr Licht durchlässt.

Eigentlich erreicht folglich mehr rotes Licht das Auge als grünes. Allerdings ist unser Auge für das langwelligere rote Licht nicht so sensibel; dagegen kann es grünes Licht sehr gut registrieren. Deswegen sehen dünne Schichten des Öls grünlich aus. Wird die Ölschicht dagegen dicker, gewinnt irgendwann das lambert-beersche Gesetz die Oberhand und löscht die Farben gemäß ihrer Absorption nacheinander aus: Irgendwann kommt nur noch so verschwindend wenig grünes Licht durch, dass man lediglich das weniger stark absorbierte Rot sieht.

Tatsächlich ist Kürbiskernöl, wie Samo und Marko Kreft in einer weiteren Arbeit festgestellt haben, sogar eine der Substanzen, bei denen dieser Dichromatismus besonders stark ausgeprägt ist. Ähnlich deutlich ist der Farbwechsel bei den Bromphenolen, chemischen Verbindungen aus Chrom, Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Die sind aber tendenziell gefährlich und werden etwa als Desinfektionsmittel eingesetzt. Definitiv nicht so schmackhaft wie das Kernöl – und auch nicht so gut geeignet als Namensgeber für eine Kabarettgruppe.

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