Langfristige Planung: Demografiepolitik muss ehrlicher werden
Kein Thema wird unser Land mehr verändern als das Altern und Schrumpfen der Bevölkerung, das über die nächsten Jahrzehnte ansteht. Umso wichtiger wäre eine langfristig angelegte Demografiestrategie. Zwar hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr ein Werk gleichen Namens vorgelegt. Doch dieses ist ein kleinteiliges Sammelsurium aus Programmen und Initiativen, die ohnehin schon existieren. Außerdem endet sie im Jahr 2030 – dann, wenn die Alterung der Gesellschaft erst richtig beginnt. Und es ist eher ein Wunschzettel als eine Strategie, denn sie formuliert Ziele, die in keinem Verhältnis zu den finanziellen Möglichkeiten stehen.
Eine Demografiestrategie, die ihren Namen verdient, müsste gerade die ungelösten oder gar unlösbaren Probleme ansprechen. Mit langfristiger Planung und Ehrlichkeit den Bürgern gegenüber lässt sich der demografische Wandel zwar nicht ausschalten, aber bewältigen. Erheblicher Reformbedarf besteht vor allem an den vier Baustellen Familienpolitik, Fachkräftesicherung, Sozialsysteme und Regionalpolitik.
Der Familienpolitik ist es bisher trotz erheblichen Aufwands nicht gelungen, etwas am Nachwuchsmangel – einer der Hauptursachen für die demografischen Probleme – zu verändern. Sie ist teuer, ineffizient und ohne klares Ziel. Allzu häufig unterstützt sie die Institution Ehe statt die Menschen, die durch Kindererziehung und Pflege Verantwortung übernehmen. Genau diesen müsste die Politik jedoch unter die Arme greifen – und zwar unabhängig von Trauschein und Verwandtschaftsgrad. Neben der finanziellen Förderung würde vor allem eine zuverlässige, qualitativ hochwertige Betreuungsinfrastruktur die Familien entlasten.
Bei der Fachkräftesicherung baut die Bundesregierung vor allem auf die Aktivierung der "stillen Reserve" – auf die Arbeitslosen, die Frauen und die Älteren. Die Anwerbung von Fachkräften aus anderen Ländern gilt erst als nachrangige Option. Die Lücken im Arbeitsmarkt werden jedoch demografiebedingt schon bald so groß werden, dass alle Möglichkeiten der Fachkräftesicherung gleichzeitig genutzt werden müssen. Deshalb muss Deutschland offensiv Zuwanderer aus Nicht-EU-Staaten anwerben. Denn nur dort existiert langfristig ein ausreichend großes Reservoir, um das allerdings künftig ein scharfer internationaler Wettbewerb entbrennen dürfte.
Die Fachkräftesicherung ist auch für den Erhalt funktionierender Sozialsysteme wichtig. Denn trotz Nachhaltigkeitsfaktor oder Rente mit 67 sind diese nicht demografiefest. Spätestens wenn in etwa zehn Jahren die Verrentungswelle der Babyboomer einsetzt, muss die Regierung eine Lösung finden, um einerseits die jungen Generationen nicht über Gebühr zu belasten und andererseits den Älteren mindestens eine Grundsicherung zu garantieren. Den größten Entlastungseffekt hat dabei eine längere Lebensarbeitszeit. Daher sollte das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung gekoppelt werden. Da die Menschen heute im Schnitt 40 Jahre arbeiten und 20 Jahre im Ruhestand verbringen, wären die hinzugewonnenen Lebensjahre ebenfalls im Verhältnis von 2 zu 1 auf Erwerbs- und Ruhestandsphase zu verteilen. 2050 läge das gesetzliche Rentenalter damit bei 69 Jahren.
Die letzte Baustelle schließlich betrifft die Regionalpolitik: Da Bevölkerungsrückgang und Alterung ländliche Gebiete besonders stark treffen und deren Zukunftsfähigkeit in Frage stellen, muss die Politik vom Primat gleichwertiger Lebensverhältnisse Abschied nehmen. Stattdessen sollten die Kommunen gefördert werden, die gegen den Trend Bevölkerung an sich binden können. Und umgekehrt jene beim Rückbau und Rückzug unterstützt werden, die trotz Förderung und Subventionen nicht auf die Beine gekommen sind. Die Verwaltung sollte also das Schrumpfen organisieren und einen Ordnungsrahmen für das Kleinerwerden aufstellen.
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