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Hatts dufte Welt: Der Duft der fliegenden Sexmaschinen

Bei Insekten steckt die Nase in den Fühlern. Damit entdecken sie Duftstoffe, über die sie miteinander kommunizieren. Ihre Spezialität: Dirty Talk.
Zwei Marienkäfer haben Sex auf einem rostigen Rohr.

Mit ihren Fühlern, die auch »Antennen« genannt werden, können Fliegen, Bienen, Falter oder Ameisen jede Art von Geruch wahrnehmen. Sie erkennen Nahrung, Gefahr und auch den Duft von Artgenossen. An den Fühlern sitzen Riechhaare, die Sensillen, in deren Innerem sich Riechzellen mit Duftsensoren, so genannten Rezeptoren, befinden.

Jede Riechzelle ist eine Spezialistin, sie stellt nur einen Typ Duftrezeptor her. Die Wand des Riechhaars ist porös, so dass die Duftstoffe von außen zu den Sinneszellen gelangen können. Dort werden die chemischen Informationen mit Hilfe der Duftrezeptoren in elektrische Impulse umgewandelt, die über die langen Nervenfasern der Sinneszellen ins Gehirn geleitet werden, was bei Insekten ganz ähnlich abläuft wie bei Menschen und Wirbeltieren. Die Strompulse wiederum erzeugen geruchsspezifische Erregungsmuster, an denen die Insekten die verschiedenen Duftstoffe erkennen.

In Bochum gelang es uns im Jahr 2005 erstmals, einen Insekten-Duftrezeptor mit einem Duftstoff zu aktivieren und so zu zeigen, dass sie − anders als bei Wirbeltieren – als Tandem arbeiten, mit einem duftstoffspezifischen Teil und einem Strom produzierenden Verstärkungsteil. Das erhöht die Empfindlichkeit enorm: Bereits wenige Duftmoleküle reichen aus, um eine Zelle zu erregen.

Chemische Kommunikation

Bei diesen Untersuchungen fanden wir zufällig den Marzipan-Rezeptor der Fruchtfliege Drosophila und konnten ihn sogar mit einem Antiduft blockieren. Schade, dass wir ihn beim Menschen noch nicht kennen. Er könnte vielen Marzipan-Liebhabern zu Weihnachten zusätzliche Kilos ersparen.

Auf den Antennen gibt es noch eine zweite Rezeptorfamilie, die Pheromonrezeptoren. Sie sind extrem spezialisiert, reagieren bloß auf einen einzigen Duftstoff und dienen ausschließlich der Duftkommunikation zwischen den Tieren selbst. Das Verschaltungsmuster der Riech- und Pheromonzellen ist von Geburt an fest im Gehirn verdrahtet, allerdings sehr unterschiedlich.

Mit den Riechrezeptoren können Fliegen, Hummeln, Schmetterlinge oder Ameisen Nahrungsquellen ausfindig machen und auch Pflanzen, Pilze oder tierische Gewebe erkennen, die für die Eiablage in Frage kommen. Manche Düfte wirken abschreckend und führen zu einem Fluchtverhalten, weil sie eine Gefahr signalisieren. Solche Verhaltensweisen können schon bei Insekten durch Belohnung – Nahrung – oder Bestrafung verstärkt werden.

Darüber hinaus haben Insekten untereinander ein ausgeprägtes System der chemischen Kommunikation, die »Sprache der Pheromone«, entwickelt. Jede Insektenart spricht dabei ihre eigene Sprache. Soziale Insekten wie Ameisen oder Bienen erkennen daran die Mitglieder des Staats als Freunde und können sie von feindlichen Kolonien unterscheiden. Es gibt Spurpheromone, also Markierungsdüfte, mit denen man selbst den Weg wieder zur Futterquelle findet oder ihn auch anderen anzeigt. Es gibt Warn- und Alarmpheromone, die Individuen abgeben, wenn sie bedroht werden, um die anderen Koloniemitglieder zu warnen oder sogar angriffslustig zu machen. So reicht oft der Stich einer einzigen Biene, Wespe oder Hornisse, um bald den gesamten Schwarm am Hals zu haben. Das dabei abgegebene Alarmpheromon macht alle Tiere in Reichweite höchst aggressiv.

Fliegende Sexmaschinen

Schließlich werden viele Pheromone bei der Brutpflege eingesetzt, um zu signalisieren, dass der Nachwuchs Futter benötigt, und vor allem: welches Futter. Arbeiterinnen, Drohnen und Königin erhalten nämlich unterschiedliche Nahrung. Am bekanntesten ist vermutlich die »queen substance« bei Bienen, das Spezialfutter für die Königin. Diese so genannte Königinnensubstanz ist ein Pheromon, das die Ausbildung von Ovarien bei den Arbeitsbienen hemmt und damit die Nachzucht weiterer Königinnen verhindert. Sie dient aber beim Ausschwärmen eines Bienenvolks auch als Sexuallockstoff während des Hochzeitsflugs. Womit wir bei einem der wichtigsten Pheromonduftstoffe bei Insekten wären: den Sexualpheromonen.

Bei meiner wissenschaftlichen Forschung im Max-Planck-Institut in Seewiesen untersuchte ich Schmetterlinge, genauer gesagt: Nachtfalter. Es ging darum herauszufinden, wie die Männchen in der Dunkelheit ihre Weibchen finden können. Wir stellten fest, dass bei den etwa 400 verschiedenen Nachtfalterarten die Weibchen jeweils eine Mischung spezifischer Sexualpheromone abgeben, um damit gezielt Männchen der gleichen Art anzulocken. Mit zunehmender Artenzahl führte das im Lauf der Evolution dazu, dass die Duftstoffmoleküle und ihre Mischungen immer komplexer wurden. Entsprechend spezialisierten sich die Empfänger immer weiter.

So können 90 Prozent der Riechzellen des Seidenspinner-Männchens nur noch Sexualpheromone erkennen, aber diese dafür in geringsten Konzentrationen und über kilometerweite Entfernungen. Da diese Tiere von Geburt an große Energievorräte mitbringen, brauchen sie keine Nahrung. Ihre einzige Aufgabe besteht darin, ein Weibchen zu finden und sich fortzupflanzen. Sie sind tatsächlich als »flying sex machine« unterwegs.

Dass sie dann auch noch selbst ein spezifisches Sexualpheromon abgeben, dient allein der Sicherheit: Die Weibchen sollen nur solchen Männchen die Kopulation erlauben, die das richtige »Parfüm« verströmen. Nach der Kopulation verlieren viele Insektenweibchen plötzlich ihre Attraktivität und lassen auch partout keine Paarung mehr zu. Auch hierfür ist ein Pheromonduft verantwortlich: ein Abschiedsgruß der Männchen, die damit ihre Damen besprühen.

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