Storks Spezialfutter: Der falsche Traum der Vegetarier
Mittlerweile gibt es in den Supermärkten Berlins eine neue Sorte Eier. Sie sind nicht »bio«, bedienen aber dennoch das ausgeprägte Wohlfühlbedürfnis vieler Konsumenten: Auf die Schalen ist ein blaues Herz und das Wortspiel »respeggt« aufgestempelt. Und auf die Schachtel ist das Versprechen »Ohne Kükentöten« gedruckt.
Die kurze Werbebotschaft legt eine schmerzhafte Wahrheit offen, die auch ich nur allzu gern verdränge. Viele Vegetarier verzichten auf Fleisch, weil sie glauben wollen, dass dann ihretwegen keine Tiere getötet werden müssen. Doch wenn man etwas weiterdenkt, kommt man leicht darauf, dass das nicht stimmen kann. Dass auch, wer Eier isst, Teil des großen Tierverwertungssystems bleibt und Blut an seinen Händen kleben hat.
Normalerweise funktioniert unsere auf Hochleistung getrimmte Hühnerwirtschaft so: Wir wollen eine Hühnerrasse, die sehr viele Eier legt, und züchten diese. Wir wollen eine Hühnerrasse, die schnell Gewicht zulegt und einen schönen Fleischlieferanten ergibt – und züchten diese ebenfalls. Wir bekommen also entweder ein eher knochiges Tier, das am laufenden Meter Eier produziert, oder ein fettes Huhn, das so gut wie gar nicht legt. Beides zusammen geht nicht. Deshalb taugen die männlichen Küken, die bei der Legelinie schlüpfen, nicht als Brathähnchen. Und weil es keine kommerzielle Nutzung für sie gibt, werden sie nach dem Schlüpfen vergast oder geschreddert.
Bei den neuen Eiern nun entgehen die Hahnenküken diesem grausigen Schicksal, weil sie gar nicht mehr bis zu Ende ausgebrütet werden. Das Unternehmen »Seleggt« hat für die Rewe-Gruppe ein Verfahren entwickelt, mit dem das Geschlecht bereits nach neun Tagen unter der Schale sicher festgestellt werden kann. Die männlicher Eier werden dann aussortiert und zu Tierfutter verarbeitet.
Wenn dieses Verfahren bei allen Eiern angewendet würde, müssten 45 Millionen Küken nicht sinnlos getötet werden. Leben dürften sie trotzdem nicht, weil sie ja in einem frühen Entwicklungsstadium bereits aussortiert werden. Die Utopie von dem tierleidlosen Ovo-Lacto-Vegetarismus geht ganz grundsätzlich nicht auf. Legehennen sind auf Hochleistung gezüchtet, legen bis zu 300 Eier im Jahr. Nach etwa 15 Monaten sind sie so ausgelaugt, dass sie geschlachtet werden oder gleich in der Biogasanlage entsorgt werden.
Milch nur mit Kälbern
Bei anderen fleischlosen Produkten ist es genauso: Damit wir täglich Jogurt, Milch und Käse essen können, halten wir in Deutschland mehr als vier Millionen Kühe. Um Milch geben zu können, müssen diese jedes Jahr ein Kalb zur Welt bringen. Sind es Bullenkälber, landen sie nach ein paar Monaten beim Schlachter. Die Lebenserwartung der weiblichen Tiere immerhin ist deutlich höher. Milchkühe werden meist mit fünf Jahren geschlachtet, weil die Leistung dann stark nachlässt. Die natürliche Lebenserwartung von Rindern liegt zwischen 20 und 30 Jahren. Gleich wie wir es drehen, aus diesem Dilemma kommen die Vegetarier nicht heraus.
Die neuen Eier landen jetzt trotzdem regelmäßig bei mir im Einkaufskorb – im Wechsel mit denen, bei denen die männlichen Küken nicht geschreddert, sondern doch mühsam zu Masthähnchen aufgepäppelt werden. Da werden die Nutztiere wenigstens konsequent genutzt. Wenn Millionen Küken im Jahr nicht mehr sinnlos sterben müssen, ist das kein schlechter Anfang. Noch wichtiger aber finde ich, dass uns die Herzcheneier mit ihrem Slogan daran erinnern, dass tierische Produkte in letzter Konsequenz immer auch mit Tod verbunden sind.
Jetzt gibt es eine Auswahlmöglichkeit mehr in der ohnehin schon stark differenzierten Eierecke im Supermarkt. Die Käufer haben die Wahl zwischen Boden-, Freiland- und Bioeiern, zwischen nicht ausgebrüteten Hahneneiern und Eiern, die eine Masthähnchenzucht querfinanzieren. Wir können und müssen also selbst bestimmen, welche Produktionsbedingungen für uns in Ordnung, wie viel Tierleid wir zu tolerieren bereit sind.
Diese bewusste Entscheidung ist das Mindeste, was wir den Tieren schuldig sind.
Schreiben Sie uns!
8 Beiträge anzeigen