Hatts dufte Welt: Der gute Riecher der Tiere
Einen guten Riecher zu haben, ist für Tiere lebenswichtig. Der Geruchssinn hilft ihnen, sich zu orientieren, Gefahren frühzeitig zu erkennen, Nahrung zu finden und den richtigen Partner auszuwählen. Die meisten Tiere können deshalb viel besser riechen als Menschen. Nicht nur Säugetiere verfügen über ein exzellentes Riechorgan, auch Reptilien, Vögel und Fische können Gerüche hervorragend wahrnehmen.
Die längste Nase im Tierreich ist sicher der Rüssel des Elefanten. Zur allgemeinen Überraschung − selbst der Wissenschaftler − haben neuere Studien gezeigt, dass Elefanten außerdem sogar die meisten funktionsfähigen Gene für Riechrezeptoren besitzen, nämlich etwa 2000, während Maus, Ratte oder Hund es gerade mal auf die Hälfte bringen. Beim Menschen sind nur noch ungefähr 350 übrig. Einer unserer Lieblinge unter den Säugetieren kommt übrigens ganz ohne Riechrezeptoren aus: der Delfin. Er ersetzt den Geruchssinn durch eine exzellente Ultraschallsensorik.
Die Zahl der unterschiedlichen Riechrezeptoren sagt etwas darüber, wie viele verschiedene Duftstoffe die Nase erkennen kann, aber nichts darüber, wie empfindlich sie ist. Dabei spielt die Sensitivität der einzelnen Riechrezeptoren und deren Passgenauigkeit (Spezifität) für bestimmte Duftstoffe eine genauso wichtige Rolle wie die Anzahl der Riechzellen. Und hier gibt es einen Überraschungssieger: Mit etwa einer Milliarde Riechzellen ist der Europäische Aal der derzeit bekannte Spitzenreiter.
Tierische Supernasen
Zum Vergleich: Der Schäferhund hat 200 Millionen, der Mensch gerade noch 20 Millionen Riechzellen. Wissenschaftler haben ausgerechnet, dass die Aal-Nase bereits einen Tropfen Parfum in der dreifachen Wassermenge des Bodensees aufspüren kann. Dieser überragende Geruchssinn hilft dem Aal, im dunklen Wasser seine Beute zu jagen, vor allem aber, für Paarung und Eiablage den Weg zurück in heimatliche Gewässer zu finden. Und das, obwohl er auf seinen Wanderungen tausende Kilometer zurücklegt.
Der Aal beweist damit eindrucksvoll, dass Riechen nicht nur in der Luft, sondern auch unter Wasser funktioniert. In der Dunkelheit des Urmeeres entstand das Riechen sogar. Dort, wo alles Leben auf dieser Erde begann.
Auch unser Leben übrigens. So wundert es nicht, dass wir Menschen genau besehen ebenfalls »unter Wasser« riechen, denn bei uns müssen die Duftmoleküle erst durch eine dicke, wässrige Schleimschicht hindurch zu den Riechzellen. Einer der letzten noch lebenden Vorfahren aller Wirbeltiere ist der Schleimaal. Er lebt seit 300 Millionen Jahren in bis zu 2000 Meter Tiefe in nahezu völliger Dunkelheit. Schon dieser Aal besitzt zehn Gene für Riechrezeptoren, die sich bis heute bei allen Fischen und selbst bei uns Menschen wiederfinden. Die am höchsten entwickelten Fische wie zum Beispiel Zebrafische bringen es dann immerhin bereits auf etwas mehr als 100 verschiedene Riechrezeptoren.
Als die Tiere an Land gingen, bekamen Duftstoffe eine immer größere Bedeutung für ihr Leben. Gerüche wurden vom Wind über viel weitere Entfernungen getragen, als das Auge (und Ohr) reichte. So konnten sie vor Feinden und Gefahren warnen, Nahrungsquellen und Wasser anzeigen und über mögliche Fortpflanzungspartner informieren. Mit den Anforderungen stieg die Zahl der Riechrezeptoren stetig an. Erst als Augen und Gehirn sich immer besser und komplexer entwickelten – wie bei Primaten und Menschen –, verlor der Geruchssinn wieder etwas an Bedeutung. In der Folge sank die Zahl der Riechrezeptoren von mehr als 1000 bei Ratte und Maus, Hund und Katze deshalb auf etwa 550 beim Affen und auf rund 350 beim Menschen.
Zahlenmäßig hat der Hund also die Schnauze vorn. Doch die Geruchsleistung lässt sich kaum anhand dieser Zahlen voraussagen. Bei Geruchsidentifikationstests schnitten Mensch und Affe oft ähnlich gut ab. Eher kommt es darauf an, wie wichtig Duftmoleküle für das tägliche Leben sind. Menschen finden Bananen prima, Hunden sind sie egal. Kein Wunder, dass ein Hund deshalb eine Banane tendenziell schlechter riecht als ein Mensch.
Übung macht den Meister
Und nicht alle Hunde sind mit einer super Spürnase ausgestattet. So sind die kurzen, platten, schlecht durchlüfteten Nasen eines Boxers mit einer geringen Fläche Riechschleimhaut und entsprechend weniger Riechzellen bei Weitem nicht so gut zur Spurensuche geeignet wie die langen Nasen der Blut- oder Schäferhunde. Deren Schnüffelfrequenz kann auf bis zu 300-mal pro Minute ansteigen und damit noch geringste Duftmengen zum Analysieren in die Nase transportieren. Gleichzeitig sammelt sich die einmal eingeatmete Luft samt den darin enthaltenen Duftmolekülen in einer Art »olfaktorischen Nische« in der Tiernase. Die Duftmoleküle bleiben so für lange Zeit mit den Riechzellen in Kontakt. Beim Menschen dagegen wird die Nase beim Ausatmen jedes Mal leer gefegt.
Einen ganz wesentlichen Beitrag zur Supernase leistet jedoch die bewusste Beschäftigung mit Düften. So sind viele Tiere nach der Geburt blind und vom ersten Atemzug an davon abhängig, Duftstoffe wahrzunehmen. Sie müssen die Mutterbrust finden, Artgenossen erkennen oder sich in der Umgebung orientieren. Während Menschen Düfte meist nur unbewusst registrieren und keine Aufmerksamkeit darauf richten, ist dies bei Hunden, Katzen oder Mäusen völlig anders. Von klein auf »sehen« sie ihre Welt mit der Nase, üben, trainieren und schulen sich im Schnüffeln.
Das Beispiel von Parfumeuren oder Sommeliers zeigt, dass eine intensive und bewusste Beschäftigung mit Düften und tägliches, stundenlanges Üben uns Menschen ebenfalls zu Supernasen machen kann. Auch wir verfügen über herausragende olfaktorische Fähigkeiten, wenn wir sie nur nutzen. Ob wir es jemals zur Perfektion eines Spürhundes bringen könnten, ist allerdings fraglich. Exakte wissenschaftliche Daten fehlen. Denn bisher hat noch kein Mensch mit der Nase am Boden Spuren über lange Strecken verfolgt oder sich systematisch mit dem Erschnüffeln von Sprengstoff und Rauschgift beschäftigt.
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