Lobes Digitalfabrik: Der Mensch ist nicht ersetzbar
Die Roboter sind im Anmarsch. Vor amerikanischen Shopping-Malls patrouillieren Sicherheitsroboter. Durch immer mehr Wohnungen düsen Staubsaugroboter (und sammeln dabei nicht nur Staub, sondern auch jede Menge Daten ein). In Japan soll der Roboter "Pepper" bei buddhistischen Trauerfeiern Mantras rezitieren. Und Bosch will bis 2018 Robotertaxis auf die Straße schicken. Die zentrale Frage ist, wie viele Arbeitsplätze durch die Automatisierung beziehungsweise Roboterisierung verloren gehen. Es gibt dazu verschiedene Bücher und Befunde. Die erste Lesart ist, dass durch die Automatisierung mehr Jobs vernichtet werden – die Referenzstudie der Ökonomen Carl Frey und Michael Osborne ist jedoch methodisch umstritten. Das zweite Szenario ist, dass sich die Schaffung neuer und der Verlust alter Arbeitsplätze in etwa die Waage halten. Und die dritte, optimistische Aussicht ist, dass die Automatisierung im Saldo am Ende sogar positiv ist, sprich: mehr Arbeitsplätze schafft.
Die Automatisierung, schreibt die Autorin Laurie Penny in dem lesenswerten Essay "Men Will Lose the Most Jobs to Robots, and That's OK" für das Technikmagazin "Wired", sei kein ökonomisches, sondern im Kern ein kulturelles, Identitäts- und Gender-Problem. Penny verweist auf ein interessantes Phänomen: Von der Automatisierung sind hauptsächlich Männer betroffen. Laut einer Oxford-Studie fallen in den kommenden Jahrzehnten 70 Prozent der Jobs im US-Baugewerbe weg – vor allem durch 3-D-Druck und Bauroboter.
Der Bau ist eine klassische Männerdomäne. 97 Prozent der Bauarbeiter sind Männer. Die Automatisierung bedroht insbesondere klassische Männerberufe wie Bergarbeiter, Trucker und Bauarbeiter. Dagegen bleiben klassische "Frauenberufe" wie Kindergärtner, Alten- oder Krankenpfleger, also Berufsfelder, in denen Frauen dominieren, von der Automatisierung weitgehend verschont. Zwar kommen auch in diesen Dienstleistungsberufen Roboter zum Einsatz, doch steigt der Personalbedarf an Pflegekräften durch den demografischen Wandel rasant an. Und selbst wenn das Angebot von Pflegerobotern zunimmt, wird das Gros der Pflegebedürftigen – anders als bei Robotertaxis, wo es dem Fahrgast egal sein kann, ob er von einem Fahrer aus Fleisch und Blut oder einem Roboter chauffiert wird – den Menschen dem Pflegeroboter vorziehen, weil der Mensch empathiefähiger ist.
Nun könnte man sagen: Es ist unfair, dass Männer von der Automatisierung benachteiligt werden (die feministische Kritik scheint dieses Phänomen noch nicht hinreichend erkannt zu haben). Allerdings schwingt darin auch die Hoffnung mit, dass durch die Automatisierung der Gender-Gap, also die Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern, geschlossen werden könnte. Man muss freilich vorsichtig sein, die Automatisierung zum neuen Gerechtigkeitsinstrument auszurufen, weil automatisierte Prozesse genauso diskriminieren können, indem sie menschliche Vorurteile und Stereotype reproduzieren. Wenn man in Googles Bildersuche nach dem Stichwort "CEO" sucht, erscheinen mit Ausnahme einer Barbie ausschließlich Männer. Zum einen spiegelt das die Realität nicht korrekt wider – in den Fortune-500-Unternehmen sind 4,4 Prozent Frauen CEO und nicht null Prozent – und verdreht sie bizarr. Zum anderen zementiert sie dieses Zerrbild, weil man glaubt, dass dies so ist.
Ende der Gender-Diskussion?
Die Roboterisierung könnte die Gender-Diskussion beenden, weil Roboter kein Geschlecht haben; einmal abgesehen von Sexrobotern, deren Verhalten sich programmieren lässt. Die Feministin Donna Haraway schrieb in ihrem einflussreichen Cyborg-Manifest (1984): "Cyborgs sind Geschöpfe in einer Post-Gender-Welt." Es ist eine Ironie, dass ausgerechnet eine Feministin die Utopie einer Welt von genderfreien Menschmaschinen entwirft, in der Geschlechtskategorien, die der Feminismus politisch auflädt, keine Rolle mehr spielen.
Doch letztlich geht es nicht darum, welche Tätigkeiten von Maschinen in einer automatisierten Warenwelt verrichtet werden, sondern darum, welches Selbst- und Rollenverständnis der Mensch in dieser Umgebung hat. Laurie Penny schließt ihren Essay mit einem klugen Gedankengang: "Solange der Mensch danach strebt, ein Rädchen in einer überalterten Maschine zu sein, können Roboter ihn gut ersetzen. Aber wenn sie den Mut haben, sich andere Lebensentwürfe von Dienstleistungen und Würde vorzustellen, und dann fordern, dass diese Lebensweisen in Sachen Arbeitszeit und Bezahlung machbar sind, kann die Automatisierung uns helfen, menschlicher zu sein."
Dass Maschinen uns die Fron der Arbeit abnehmen und unseren Wohlstand erwirtschaften, während der Mensch es sich in der sozialen Hängematte bequem macht, mag ein frommer Wunsch sein. So wie die Maschinen in der ersten industriellen Revolution dürften die Roboter auch in der "Industrie 4.0" im Eigentum der "Kapitalmittelbesitzer" verbleiben, um einen marxistischen Begriff zu bemühen. Doch wenn Mitarbeiter in Amazons Logistikzentren von sich sagen, sie seien Roboter, oder Mitarbeiter einer US-Firma sich freiwillig "verchippen", also einen Mikrochip in die Hand implantieren lassen, damit sie kontaktlos Türen öffnen oder Snacks bezahlen können, zerlegen sich die Angestellten zu Automaten. Sie operieren wie Maschinen. Der Cyborg-Angestellte, der auf Knopfdruck "funktioniert" und dessen Leistungsdaten auslesbar sind, ist der Traum des Kapitalisten. Ein Mensch lässt sich nicht durch eine Maschine ersetzen. Eine Maschine durch eine andere Maschine dagegen schon.
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