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Freistetters Formelwelt: Eine Konstante voller Überraschungen

Wenn etwas konstant ist, wirkt es wenig aufregend. Was soll schon passieren, wenn alles so bleibt, wie es ist? Doch die Apéry-Konstante zeigt, dass unveränderliche Größen extrem spannend sein können.
Viele verschiedene bunte Zahlen fliegen durch einen dunklen Raum.
Nur weil etwas unveränderlich ist, muss es nicht langweilig sein.

Als »Konstante« werden in der Mathematik Zahlen bezeichnet, die eindeutig definiert und reell, also nicht ganzzahlig sind (sonst wären ja alle Zahlen gleichzeitig auch Konstanten). Die Kreiszahl π oder die Eulersche Zahl e sind bekannte Beispiele – aber auch diese Zahl ist eine Konstante:

Auf den ersten Blick mag es überraschen, dass diese Formel überhaupt eine konstante Zahl darstellt. Immerhin handelt es sich um eine unendliche Summe. In diesem Fall strebt die Reihe der inversen Kubikzahlen aber einem endlichen Wert entgegen. Ihn exakt anzugeben, ist aber nicht so einfach; die durch die Gleichung definierte Zahl hat einen Wert von 1,20205… Auch wenn man schon mehr als eine Billion weitere Nachkommastellen berechnet hat, wird man nie zu einem Ende kommen. 1979 bewies der französische Mathematiker Roger Apéry, dass die Zahl irrational ist, sich also nicht als Quotient zweier ganzer Zahlen darstellen lässt. So wie die prominente Kreiszahl π hat auch die »Apéry-Konstante« eine unendlich lange, nicht periodische Anzahl von Dezimalstellen.

Die legendärsten mathematischen Kniffe, die übelsten Stolpersteine der Physikgeschichte und allerhand Formeln, denen kaum einer ansieht, welche Bedeutung in ihnen schlummert: Das sind die Bewohner von Freistetters Formelwelt.
Alle Folgen seiner wöchentlichen Kolumne, die immer sonntags erscheint, finden Sie hier.

Der Beweis von Apéry kam überraschend. Um das zu verstehen, muss man sich die nach ihm benannte Konstante ein wenig genauer ansehen. Mathematisch versierte Personen werden darin den Wert der riemannschen ζ-Funktion an der Stelle drei erkennen. Diese nach Bernhard Riemann benannte Funktion berechnet für eine vorgegebene Zahl x die unendliche Summe der Kehrwerte der natürlichen Zahlen, die zur Potenz x erhoben werden. Bei der Apéry-Konstante ist der Exponent x = 3, aber bei der ζ-Funktion kann man dafür auch irgendwelche anderen Potenzen einsetzen.

Für gerade Exponenten liefert die ζ-Funktion immer eine irrationale (und sogar transzendente) Zahl. Bis zu Apérys Durchbruch im Jahr 1979 wusste aber niemand, wie es bei den ungeraden natürlichen Zahlen aussieht. Sein Beweis war der erste, der die Irrationalität für einen ungeraden Exponenten zeigen konnte. Die Beweismethode von Apéry ließ sich bis heute nicht auf andere Zahlen anwenden. Man weiß aber, dass die ζ-Funktion mindestens für eine der Zahlen 5, 7, 9 oder 11 einen irrationalen Wert liefert.

Primzahlen, Integrale und Photonendichte

Es verwundert nicht, dass die Apéry-Konstante auch mit den Primzahlen zusammenhängt. Immerhin steckt die ζ-Funktion ja im Zentrum der berühmten Riemannschen Vermutung, einem der größten ungelösten Probleme der Mathematik, das sich mit der Verteilung der Primzahlen beschäftigt. Ganz direkt sieht man den Zusammenhang zwischen Apéry-Konstante und den Primzahlen in einer alternativen Darstellung, bei der die Konstante als unendliches Produkt des Ausdrucks 1/(1−p−3) über die Menge der Primzahlen p geschrieben wird. Man kann die Apéry-Konstante auch als Integral darstellen, was wiederum bedeutet, dass diese Konstante ebenfalls in der Analysis auftaucht. Man trifft sie zudem in anderen überraschenden Themenfeldern, etwa wenn man bestimmen möchte, wie die Durchschnittsdichte von Photonen der kosmischen Hintergrundstrahlung ist. Man findet sie aber genauso in der Mechanik strömender Flüssigkeiten, bei der Untersuchung thermischer Strahlenquellen (wie Sternen) und in diversen anderen Bereichen aus Physik und Astronomie.

Carl Ludwig Siegel (1896–1981), der zu den bedeutendsten Mathematikern des 20. Jahrhunderts gehört, hat den Irrationalitätsbeweis von Apéry mit folgenden Worten kommentiert: »Man kann den Beweis nur wie einen Kristall vor sich hertragen.« Die darin ausgedrückte Wertschätzung ist verständlich; es bleibt aber zu hoffen, dass die Mathematikerinnen und Mathematiker den Beweis auch in Zukunft nicht nur vor sich hertragen, sondern weiter analysieren. Denn wer weiß, welche Erkenntnisse die Konstante noch zu bieten hat.

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