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Die fabelhafte Welt der Mathematik: Wie man garantiert im Lotto gewinnt

Es ist extrem unwahrscheinlich, sechs Richtige im Lotto zu erraten. Doch es gibt mathematische Kniffe, um Lotterien auszutricksen. Einige davon haben in der Vergangenheit schon funktioniert.
Lottokugeln
Würden Sie auch gerne im Lotto gewinnen? In der britischen Lotterie brauchen Sie dafür bloß 27 Scheine zu kaufen.

»27 Lose sind nötig, um im britischen Lotto garantiert zu gewinnen«: Dieser ungewöhnliche Titel einer mathematischen Fachveröffentlichung hat in den britischen Medien im Sommer 2023 für Schlagzeilen gesorgt. Die Mathematiker David Cushing von der University of Manchester und David Stewart von der University of Newcastle haben in ihrer Arbeit 27 Lottoscheine mit jeweils sechs angekreuzten Zahlen angegeben, mit denen man zwangsläufig gewinnt – egal wie die Ziehung ausfällt.

Wirklich Geld verdienen lässt sich damit aber leider nicht: Als die beiden Forscher einen Selbstversuch unternahmen und am 1. Juli 2023 die 27 Lottoscheine entsprechend ausfüllten, gewannen sie zwar drei Preise (sie hatten jeweils zwei richtige Zahlen), die jedoch darin bestanden, dass sie erneut kostenlos spielen durften. In diesen drei Spielen gingen sie leer aus. »Insgesamt hat uns das Experiment 54 Pfund gekostet«, schreiben Cushing und Stewart. Doch es gibt auch Fälle, in denen sich eine clevere Strategie ausgezahlt hat, wie das Beispiel des Mathematikers James Harvey vom Massachusetts Institute of Technology zeigt: Mit der passenden Mathematik konnten er und seine Kommilitonen mehrere hunderttausend US-Dollar gewinnen.

Das Prinzip von Lotterien ist im Wesentlichen immer gleich. Es werden zufällig p Werte aus einer Menge von 1, 2, 3, …, n Zahlen gezogen. Für einen bestimmten Betrag kann ein Spieler ein Ticket kaufen, auf dem er p Zahlen ankreuzt. Hat er mindestens t Richtige, erhält er einen Preis. Von Land zu Land unterscheiden sich die Details der Lotterien: In Deutschland werden 6 aus 49 gezogen, ab 3 Richtigen gewinnt man etwas; in Großbritannien sind es 6 aus 59, man gewinnt aber schon bei 2 Richtigen; in Ungarn sind es 5 aus 90, einen Gewinn gibt es ebenfalls ab 2 Richtigen.

Viele Menschen denken, Mathematik sei kompliziert und öde. In dieser Serie möchten wir das widerlegen – und stellen unsere liebsten Gegenbeispiele vor: von schlechtem Wetter über magische Verdopplungen hin zu Steuertricks. Die Artikel können Sie hier lesen oder als Buch kaufen.

Die Spiele sind immer so gestaltet, dass die Gewinnwahrscheinlichkeit niedrig ist. Möchte man den deutschen Jackpot (ohne Superzahl) knacken, muss man 6 aus 49 Zahlen richtig erraten, was einer Gewinnwahrscheinlichkeit von zirka eins zu 14 Millionen entspricht. Aber was, wenn man seinen Ehrgeiz zurückschraubt und nicht auf den Maximalgewinn abzielt, sondern auf irgendeinen Gewinn aus ist? Man könnte eine bestimmte Anzahl an Lottoscheinen mit möglichst unterschiedlichen Zahlenkombinationen so ankreuzen, dass sich darunter mit Sicherheit ein Gewinnerlos befindet. Sprich: Wie setzt man seine Kreuze in j Lottoscheinen richtig, damit bei jeder Ziehung mindestens ein Los mit mindestens drei Richtigen darunter ist?

Fragen dieser Art treiben Mathematikerinnen und Mathematiker seit Jahrzehnten um. Denn wie sich herausstellt, ist es extrem kompliziert, eine Mindestanzahl j von erforderlichen Tickets zu berechnen, die einen Gewinn garantieren. Bisher gibt es nur wenige Spezialfälle, für die sich j bestimmen ließ. Das ist der Grund, warum das Ergebnis von Cushing und Stewart in Fachkreisen für Aufsehen sorgte, als sie die Minimalzahl an benötigten Scheine für die britische Lotterie mit 27 angeben konnten. Auch wenn das Resultat in praktischen Situationen nicht unbedingt hilfreich ist, da der Lospreis den erwarteten Gewinn übersteigt, haben die Forscher ein kombinatorisches Ergebnis erhalten, das zuvor außer Reichweite lag.

MIT-Studierende tricksen Lotterie in Massachusetts aus

James Harvey nutzte eine ähnliche Strategie, um bei einer Lotterie in Massachusetts namens »Cash Winfall« abzusahnen. Das Spiel besaß nämlich eine Besonderheit, die die erwarteten Gewinne unter bestimmten Umständen stark anwachsen ließ – was Harvey schnell erkannte. Bei den meisten Lotterien gibt es einen hohen Hauptpreis, den die Person mit allen richtig angekreuzten Zahlen erhält. Falls bei einer Ziehung niemand diesen Jackpot knackt, erhöht sich der Preis bei der folgenden Losung. Nachdem in den 2000er Jahren allerdings mehr als ein Jahr lang niemand bei Cash Winfall die sechs Richtigen erraten hatte, sank die Anzahl der Spieler. Klar: Ohne strahlenden Gewinner lässt sich nur schwer für eine Lotterie werben. Daher wurden die Regeln von Cash Winfall verändert. Ab einer bestimmten Höhe wurde das Preisgeld auf alle Gewinner verteilt (also solche mit bloß drei, vier oder fünf Richtigen), selbst wenn niemand sechs Richtige hatte. Harvey erkannte, dass dieser Spezialfall den erwarteten Gewinn für Spieler deutlich erhöht – und das Spielen in einem solchen Fall richtig lohnenswert sein kann.

Um das zu nutzen, brauchte er Hilfe: Gemeinsam mit weiteren Kommilitonen erwarb er 700 000 Lotterielose, um das Preisgeld über die vorgegebene Grenze anwachsen zu lassen, bei der der Jackpot an alle Gewinnenden ausgeschüttet wird. Auf reines Glück beim Ausfüllen der Lose wollte Harvey als Mathematiker aber nicht setzen. Stattdessen kreuzten die Studierenden die Felder so an, dass möglichst viele Gewinner unter den Losen erschienen. Auf diese Weise verdiente die Gruppe in dieser Ziehung Schätzungen zufolge mehr als 700 000 US-Dollar.

Falls Sie nun überlegen, Lotteriescheine bei Cash Winfall zu kaufen: Der Fall der MIT-Studierenden ging durch die Presse und inzwischen wurden die Rahmenbedingungen geändert, der Jackpot wird nicht mehr umverteilt. Damit ist diese Lotterie nicht mehr lohnenswerter als andere.

Wie viele Lotteriescheine braucht man mindestens für einen garantierten Gewinn?

Dennoch ist es interessant zu überlegen, wie man seine Kreuze beim Lotto möglichst effektiv setzt. Angenommen, Sie nehmen an einer ganz kleinen Lotterie teil, bei der drei Zahlen von eins bis sieben ausgewählt werden. Bei drei Richtigen erwartet Sie ein Jackpot von 20 Euro, bei zwei korrekt gesetzten Kreuzen erhalten Sie einen Trostpreis von 3 Euro. Wie viele Scheine zum Preis von 2 Euro müssen Sie mindestens kaufen, um mit Sicherheit etwas zu gewinnen?

Insgesamt gibt es 35 Möglichkeiten, drei verschiedene Zahlen zwischen eins und sieben zu wählen. Rein theoretisch könnten Sie also alle 35 unterschiedliche Kombinationen auf 35 Losen ankreuzen – dann haben Sie mit Sicherheit gewonnen. Aber lohnt sich das? Sie kaufen für insgesamt 70 Euro Scheine. Das Los mit den drei Richtigen bringt Ihnen 20 Euro. Dann haben Sie noch Lose, die zwei richtige Zahlen enthalten: jene, bei denen entweder die ersten beiden, die letzten zwei oder die erste und die dritte Ziffern korrekt sind. Das macht neun Trostpreise, für die Sie insgesamt 27 Euro erhalten. Insgesamt haben Sie also 47 Euro gewonnen, aber 70 Euro ausgegeben – und damit einen Verlust von 23 Euro.

Daher entscheiden Sie sich, gezielter zu spielen. Sie wollen nur so viele Scheine kaufen, dass sie garantiert einen Trostpreis gewinnen. Dabei ist es wichtig, die Kreuze clever zu verteilen: Wenn Sie bei einem Los 1, 2 und 3 ankreuzen und bei einem anderen 2, 3 und 5, taucht bei beiden Scheinen das Zahlenpaar 2, 3 auf. Effektiver wäre es, die Tripel so zu wählen, dass jedes mögliche Zahlenpaar nur exakt einmal darin auftaucht. Damit erhalten Sie die kleinste Auswahl an Losen, mit der Sie garantiert einen Trostpreis gewinnen.

Fano-Ebene | Indem man die Punkte der Fano-Ebene nummeriert, findet man sieben Zahlentripel, in denen jedes Zahlenpaar genau einmal vorkommt.

Mathematiker haben für dieses Problem eine geometrische Lösung gefunden. Es gibt nämlich einen Graph, die so genannte Fano-Ebene, die genau sieben Punkte durch sieben Linien miteinander auf ganz bestimmte Weise verbindet. Auf jeder Linie liegen genau drei Punkte und jedes Punktepaar ist durch exakt eine Linie verbunden. Wenn man die Zahlen von eins bis sieben auf den Punkten verteilt, liefert der Graph also eine interessante Eigenschaft: Folgt man den sieben Linien, erhält man sieben Zahlentripel, wobei kein Zahlenpaar in einem Tripel doppelt vorkommt (da jedes Punktepaar durch nur eine Linie verbunden ist). Die Fano-Ebene liefert daher die kleinste Auswahl an Tripeln, die alle möglichen Zahlenpaare einmal enthalten.

Damit lautet die Antwort sieben: Kauft man sieben Lose und setzt die Kreuze entsprechend der von der Fano-Ebene vorhergesagten Tripel, erhält man garantiert den Trostpreis – mindestens. Unter den sieben Losen befindet sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent sogar der Hauptgewinn. Mit diesem Taktik macht man also höchstens 11 Euro Defizit (für den Fall, dass wirklich nur ein Paar richtig ist). Im besten Fall hat man aber das Gewinnerlos (20 Euro) erspielt und macht damit sechs Euro Gewinn.

Lotteriescheine mit Graphentheorie optimieren

Möchte man eine ähnliche Berechnung für das deutsche Lotto anstellen, wird es kompliziert. Insgesamt gibt es etwa 14 Millionen verschiedene Kombinationen von Kreuzen, die man setzen kann. Nun möchte man die kleinste Sammlung daraus bestimmen, in der notwendigerweise drei Richtige auftauchen, denn das entspricht dem niedrigsten Preis beim Lotto. Bisher ist die minimale Größe dieser Sammlung nicht bekannt. Wie viele Lottoscheine man aber kaufen muss, um zwei Richtige zu garantieren, haben die Mathematiker John van Rees und Pak Ching Li im Jahr 2002 berechnet: 19.

Das Vorgehen, um solche Probleme zu lösen, ist dabei stets dasselbe: Man überträgt die Aufgabe in das Reich der Graphentheorie. Jeder Punkt eines Netzwerks entspricht dabei einer Kombination von sechs Zahlen aus 49 – also einer möglichen Ziehung. Der so entstehende Graph hat im Fall vom deutschen Lotto also knapp 14 Millionen Punkte. Da wir daran interessiert sind, mindestens drei Richtige zu haben, verbindet man alle Punkte miteinander, die drei gleiche Zahlen enthalten, zum Beispiel: {1,2,3,4,5,6} und {1,4,6,44,48,49}.

Um herauszufinden, wie viele Verbindungen jeder Punkt hat, braucht man ein bisschen Kombinatorik. Jede sechselementige Menge wie {1,2,3,4,5,6} besitzt 20 verschiedene Tripel ({1,2,3}, {1,2,4}, {1,3,4} und so weiter). Die restlichen drei Zahlen können jeden beliebigen Wert zwischen 1 und 49 annehmen, wobei kein Zahlenwert mehrmals auftauchen darf. Damit hat jeder Punkt 20 · (49-3) · (49-4) · (49-5) = 1 821 600 Nachbarn. Wie Sie sich vorstellen können, ist ein solcher Graph ganz schön unübersichtlich!

Stabile Menge | Die stabile Menge enthält jene Punkte (rot) eines Graphen, die nicht direkt miteinander verbunden sind.

Die Aufgabe besteht nun darin, eine »stabile Menge« zu finden: Man möchte Punkte des Graphen identifizieren, die nicht direkt miteinander verbunden sind – das entspricht jenen Kombinationen aus sechs Zahlen, die keine gemeinsamen Tripel enthalten. Bei so großen Graphen lassen sich mehrere stabile Mengen finden. Wir sind jedoch an der Kleinstmöglichen interessiert, schließlich möchten wir möglichst wenige Lotteriescheine kaufen. Um die kleinste stabile Menge zu bestimmen, ist man in der Regel auf die Unterstützung von Computern angewiesen. Doch auch für leistungsfähige Rechner ist die Aufgabe kaum zu bewältigen. Den Fall von drei Richtigen beim Lotto konnte man auf diese Weise bisher noch nicht knacken.

Es ist aber möglich, Abschätzungen zu treffen, auch ohne den genauen Aufbau des Graphen zu kennen. Zum Beispiel könnte man einfach alle möglichen Tripel notieren, die sich aus Zahlen von 1 bis 49 bilden lassen, und je zwei dieser Tripel auf einem Lottoschein ankreuzen. Insgesamt gibt es 18 424 Tripel, also müsste man 9212 Scheine kaufen, um einen garantierten Gewinn zu erzielen. Allerdings lassen sich aus sechs Zahlen auf einem Lottoschein nicht nur 2, sondern 20 Tripel bilden, so dass man sich viele der 9212 Scheine sparen könnte. Eine optimale Lösung besteht also aus deutlich weniger als 9212 Losen.

»Dieser unglückliche Vorfall belegt den Grundsatz, dass man beim Glücksspiel immer damit rechnen sollte, Geld zu verlieren«David Cushing und David Stewart, Mathematiker

Eine andere Abschätzung lässt sich treffen, wenn man sich den ursprünglichen Graph mit den knapp 14 Millionen (um genau zu sein: 13 983 816) Punkten anschaut. Verbundene Punkte besitzen mindestens ein gleiches Tripel und jeder Punkt ist mit 1 821 600 anderen verbunden. Daher muss die stabile Menge mindestens 13 983 816 ⁄ 1 821 600 = 8 Punkte enthalten. Damit wissen wir: Um mit Sicherheit etwas im Lotto zu gewinnen, braucht man eine Anzahl von Lottoscheinen, die zwischen 8 und 9212 liegt. Berücksichtigt man das Ergebnis von Van Rees und Li, das besagt, dass man mindestens 19 Lose für zwei Richtige braucht, kann man die untere Schranke auf 19 erhöhen. Demnach muss die gesuchte Mindestanzahl zwischen 19 und 9212 liegen. Das ist eine riesige Spannweite.

Auch wenn sich diese Spannweite mit cleveren Überlegungen weiter reduzieren lässt, sagt das noch nichts darüber aus, wie genau man die Kreuze auf den Lottoscheinen setzen muss. Und eines steht jetzt schon fest: Selbst wenn man die Anzahl der Lotteriescheine und die anzukreuzenden Werte kennt, wird man damit auf Dauer trotzdem keinen Gewinn erzielen – ebenso wenig wie Cushing und Stewart mit ihren 27 Losen die britische Lotterie knacken konnten. Die zwei Mathematiker haben ihren Verlust von 54 Pfund wie folgt kommentiert: »Dieser unglückliche Vorfall belegt sowohl unser Ergebnis [Anm. der Red.: Sie hatten drei Lose mit je einem richtigen Zahlenpaar] als auch den Grundsatz, dass man beim Glücksspiel immer damit rechnen sollte, Geld zu verlieren.«

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