Freistetters Formelwelt: Ein Planet wie kein anderer
Seit im Oktober 1995 der erste Planet entdeckt wurde, der einen anderen Stern umkreist, sind wir auch auf der Suche nach einer »zweiten Erde«. Also nach einem Planeten, auf dem die gleichen lebensfreundlichen Bedingungen herrschen wie bei uns. Seit Jahren wird in dramatischen Schlagzeilen immer wieder behauptet, so ein »Planet B« sei gefunden worden. Was jedes Mal falsch ist und vermutlich noch länger falsch bleiben wird. Das illustriert diese Formel:
Die Gleichung beschreibt eine Möglichkeit, die so genannte »habitable Zone« zu definieren: einen Bereich um einen Stern herum, wo auf der Oberfläche eines passenden Planeten lebensfreundliche Bedingungen herrschen können. Die Position dieser Zone hängt massiv von der Leuchtkraft L des jeweiligen Sterns ab. In der Formel wird sie in Einheiten der Sonnenleuchtkraft L☉ angegeben, und das Resultat ist eine Distanz d in Astronomischen Einheiten (AE).
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Für unser Sonnensystem liefert die Formel daher auch einen Wert von exakt einer Astronomischen Einheit, das sind zirka 150 Millionen Kilometer und entspricht genau dem mittleren Abstand der Erde von der Sonne. Die habitable Zone eines Sterns, der nur ein Viertel der Sonnenleuchtkraft schafft, liegt bei 0,5 AE; hätte ein Stern die dreifache Leuchtkraft der Sonne, würde man bei knapp 1,7 AE landen.
Die Formel ist simpel, und genau das ist ihr Problem. Es handelt sich um die simpelste Näherung eines komplexen Phänomens. Abgesehen davon, dass sie nur den mittleren Abstand der habitablen Zone angibt, aber nicht ihre Ausdehnung, hängt sie auch ausschließlich von der Leuchtkraft des Sterns ab. Die ist zwar wichtig, doch bei Weitem nicht der einzige Faktor, der eine Rolle spielt.
Zu viele Unbekannte
Deswegen wurden im Lauf der Zeit immer komplexere mathematische Formulierungen entwickelt, um die habitable Zone zu definieren. Sie lassen sich teilweise gar nicht mehr in einzelne Formeln fassen, denn auch die Eigenschaften des Planeten spielen eine Rolle. Er muss nicht nur eine feste Oberfläche haben, sondern auch eine passende Atmosphäre, deren chemische Zusammensetzung die Oberflächentemperatur beeinflusst.
Die Rotation des Planeten und die Neigung seiner Rotationsachse müssen berücksichtigt werden, ebenso wie Vulkanismus oder Plattentektonik. Man muss wissen, in welcher Lebensphase sich der Stern gerade befindet, und so weiter. Und selbst wenn man das alles mit einbezieht, bleiben Lücken. Was etwa ist mit großen Monden, die Gasplaneten umkreisen?
Wäre etwa der Jupitermond Europa lebensfreundlich, wenn Jupiter sich dort befinden würde, wo heute die Erde ihre Runden zieht? Europa besitzt einen gewaltigen Ozean aus Wasser, der wegen der großen Entfernung zur Sonne aber unter einer dicken Eisschicht liegt. Wie wären die Bedingungen dort, wenn es wärmer wäre? Welchen Einfluss hätte die Nähe von Jupiter auf die habitablen Eigenschaften des Mondes?
Ein Planet ist ein komplexes Gebilde. Es ist schwierig, ihn in mathematische Gleichungen zu fassen. Doch vor allem fehlt es uns an Möglichkeiten, die entsprechenden Parameter zu bestimmen, die wir in solche Formeln einsetzen müssten. Größe und Masse eines Planeten können wir messen, ebenso den Abstand von seinem Stern und dessen Leuchtkraft. Die genaue chemische Zusammensetzung der planetaren Atmosphäre zu messen, liegt derzeit allerdings außerhalb unserer Fähigkeit, ganz zu schweigen von der Bestimmung geologischer und anderer Eigenschaften.
Irgendwann werden wir in der Lage dazu sein und vielleicht einen Planeten finden, der lebensfreundlich ist. Der aber wird viel zu weit entfernt sein, um ihm einen Besuch abzustatten. Der Befund bleibt bestehen: Es gibt keinen Planet B.
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