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Freistetters Formelwelt: Die Formel gegen Klimawandelleugner

Es gibt nur eine wissenschaftliche Methode. Wenn wir sie ignorieren, dann tun wir das auf eigene Gefahr.
Merkur, Venus, Mars und Erde im Sonnensystem

Wenn man, wie ich, viel Zeit damit verbringt, in der Öffentlichkeit über Wissenschaft zu sprechen, dann trifft man früher oder später immer auf Menschen, die damit ein Problem haben. Die Personen, die Wissenschaft grundlegend anzweifeln und jegliche Forschung für falsch und schlecht halten, sind dabei noch nicht einmal am unangenehmsten. Viel mehr irritieren mich Menschen, die selektiv nur ganz bestimmte Ergebnisse der Wissenschaft für falsch erklären, um zum Beispiel die Existenz des Klimawandels zu leugnen.

Dabei spielt es auch keine große Rolle, ob die Erwärmung der Erde gleich komplett bestritten wird oder "nur" der Einfluss der Menschen auf die Veränderung unseres Klimas. Was mich in den Diskussionen mit den Klimawandelleugnern am meisten stört, ist deren eingeschränkter Blick auf die Wissenschaft. Denn die Methoden, Theorien und Modelle, die in der Klimaforschung verwendet werden, existieren nicht isoliert vom Rest der Welt. Es gibt nur eine Natur und auch nur eine Naturwissenschaft. Wenn man einerseits behauptet, die Forschung über das Klima wäre komplett unsinnig, müsste man andererseits auch den Rest der Physik, Astronomie, Chemie, Biologie, Geologie et cetera anzweifeln.

Das demonstriert diese Formel sehr gut:

Formel der Gleichgewichtstemperatur

Sie beschreibt die so genannte "Gleichgewichtstemperatur". Im Falle eines Himmelskörpers betrachtet man die Menge an Sonnenenergie S, die ihn erreicht, und den Anteil η davon, der von dieser Energie wieder reflektiert wird (σ ist die Stefan-Boltzmann-Konstante). Eingesetzt in die Formel erhält man so die Temperatur T, die sich auf diesem Himmelskörper dann im Laufe der Zeit einstellt.

In der Astronomie ist sie zum Beispiel wichtig, wenn es darum geht, eine erste Abschätzung über die Bedingungen zu erhalten, die auf einem Planeten herrschen. Eine "Abschätzung" ist es nur deswegen, weil in der Formel ein relevanter Parameter fehlt: die Atmosphäre. Das erkennt man schnell, wenn man die Erde als Beispiel betrachtet. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die komplette Energie der Sonne absorbiert und gar nichts reflektiert wird, erhält man hier eine Gleichgewichtstemperatur von wenig mehr als fünf Grad Celsius. Die tatsächliche Durchschnittstemperatur liegt aber zirka 10 Grad höher, und der Grund dafür ist unsere Atmosphäre und die in ihr enthaltenen Gase, die einen Treibhauseffekt verursachen. Dieser natürliche Treibhauseffekt macht unseren Planeten erst lebensfreundlich. Der von uns Menschen verursachte künstliche Treibhauseffekt kann dagegen unangenehme Auswirkungen haben. Dazu müssen wir nur zur Venus schauen: Dort sollte eigentlich eine Gleichgewichtstemperatur von 50 Grad Celsius herrschen. Tatsächlich sind es aber um die 450 Grad Celsius! Denn unser Nachbarplanet hat eine dichte Atmosphäre, die fast komplett aus dem Treibhausgas Kohlendioxid besteht.

Wenn wir wissen wollen, wie ein außer Kontrolle geratener Treibhauseffekt aussieht, müssen wir also nur ins Weltall blicken. Die Formel für die Gleichgewichtstemperatur führt uns den Einfluss der Atmosphäre mehr als deutlich vor Augen. Die ihr zu Grunde liegende Wissenschaft kommt in der Klimaforschung genauso zum Einsatz wie in der Physik oder der Astronomie. Dort spielt sie nicht nur bei der Beschreibung von Planeten eine Rolle, sondern beispielsweise auch bei der Charakterisierung von Sternen. Wäre unser Wissen über Wärme, Temperatur oder Strahlung grundlegend falsch, dann würde das nicht ausschließlich zu fehlerhaften Aussagen über das Klima der Erde führen. Dann wären auch die Fundamente der Astronomie falsch, und es wäre uns unmöglich, irgendwelche brauchbaren Vorhersagen über das Verhalten von Sternen und den Rest des Universums zu machen. Das ist aber nicht der Fall – die Astronomie funktioniert recht gut; genauso wie die anderen Naturwissenschaften inklusive der Klimaforschung. Es gibt nur eine wissenschaftliche Methode. Der australische Astronom Matthew Bailes hat das einmal sehr prägnat formuliert: "The scientific method is universal. If we selectively ignore it in certain disciplines, we do so at our peril."

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