Angemerkt!: Die Legende vom Heilpflanzenverbot
Seit einigen Wochen machen im Internet Kettenbriefe und Foreneinträge die Runde, die zur Unterzeichnung einer Online-Petition des deutschen Bundestags aufrufen. Laut dieser Petition soll es durch eine neue EU-Richtlinie ab April 2011 unmöglich werden, Naturheilmittel und Heilkräuter frei und ohne Zulassung zu verkaufen: "Was einfach in der Natur wächst, ist illegal", so der empörte Tenor. Damit sollen die Profite der Pharmaindustrie gesichert werden, in deren Augen "sanfte Naturheilmittel" unerwünscht seien, da nicht patentierbar und damit unprofitabel. Im Petitionsforum ereifert man sich daran, dass Bananen, Kräutertees und Körperpflegeprodukte illegalisiert werden sollen.
Die Richtlinie, die also ein ganz alter Hut ist, dient laut Titel zur Harmonisierung des EU-Verhältnisses von "Humanarzneimittel[n] hinsichtlich traditioneller pflanzlicher Arzneimittel". Was Arzneimittel sind, steht im Arzneimittelgesetz – Lebensmittel, Medizinprodukte oder Kosmetika gehören nicht dazu. Was es mit den "traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln" auf sich hat, und was harmonisiert werden soll, erfährt man bereits auf den ersten Seiten der Richtlinie.
Dort liest man, dass die Regulierung dieser traditionellen Arzneimittel bislang von den Nationalstaaten ganz unterschiedlich gehandhabt wurde, wodurch einerseits Wettbewerbsverzerrungen entstehen könnten und andererseits Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit nicht immer gegeben seien. Durch die Richtlinie sollen dies europaweit vereinheitlicht und damit verbessert werden.
Die Richtlinie bezieht sich außerdem ausschließlich auf so genannte Fertigarzneimittel, die industriell produziert und abgepackt werden. Sogenannte Rezepturarzneien, die grundsätzlich keinen Zulassungsprozess durchlaufen müssen und einem frisch in der Apotheke angerührt werden, sind von der Regelung überhaupt nicht betroffen. Und auch nicht die Kräuter, die auf der Wiese wachsen, denn diese sind schlicht keine Arzneimittel – und erst recht keine Fertigarzneimittel.
Es geht also überhaupt nicht darum, Kräutersammler zu kriminalisieren oder überhaupt Heilpflanzen zu verbieten. Erst wenn diese Pflanzen als Medikamente industriell vermarktet werden sollen, greift das Arzneimittelrecht, und man kann als Patient mit Fug und Recht fordern, dass diese Produkte ordnungsgemäß auf Sicherheit und Wirksamkeit geprüft werden.
Und das ist auch gut so, denn wohin kämen wir, wenn jeder seine Medikamente frei von "Behördenschikane" auf den Markt bringen könnte? Diese Verhältnisse hatten wir bereits: Bis 1971 mussten Medikamente lediglich registriert werden, ohne dass Wirksamkeit und Sicherheit von offizieller Seite kontrolliert wurden. Der Contergan-Skandal war schließlich eine Folge dieser Praxis. Zudem stehen "natürliche" Stoffe den "chemischen" in hinsichtlich der potenziellen Schädlichkeit in keinster Weise nach, denn man kann sich mit ihnen mindestens genauso gut vergiften. Jede Art von Medikament muss sich deshalb der Prüfungsprozedur unterwerfen – daran gibt es nichts zu deuten.
In der EU-Richtlinie ist nichtsdestotrotz ein Kompromiss eingebaut: ein Zugeständnis an die Hersteller, die normalerweise zahlreiche klinische und präklinische Studien vorlegen müssten, um Wirksamkeit und Sicherheit ihrer Produkte nachzuweisen. Es besteht ein vereinfachtes Registrierungsverfahren für pflanzliche Arzneimittel, die mindestens dreißig Jahre in dieser Zusammensetzung verwendet wurden und für die die beanspruchte Wirksamkeit damit "plausibel" ist. Zusätzlich muss die Unschädlichkeit der Anwendung nachgewiesen werden. Wenn die Hersteller verschlafen, diese Belege vor Verstreichen einer bereits im letzten Jahr ausgelaufenen Übergangsfrist vorzulegen, erlischt die Zulassung vieler traditioneller pflanzlicher Arzneimittel am 30.04.2011. Und das ist der eigentliche Grund der ganzen Aufregung.
Bis zum Ende der Petition hatten mehr als 115 000 Menschen für ein Anliegen unterzeichnet, das völlig ins Leere läuft. Spätestens, als der Fachverband der deutschen Heilpraktiker die Petition als "Panikmache" abgelehnt hatte, hätte man misstrauisch werden müssen. Nun könnte man darin eine Bestätigung sehen, dass Deutschland bisweilen doch noch nicht reif für direkte Demokratie ist.
Im Blogeintrag von Martin Ballaschk können Sie ebenfalls über das Thema diskutieren.
Das klingt völlig absurd – und ist es auch: Ganz offensichtlich haben weder die Petenten noch die Mitzeichner verstanden, worum es in der EU-Richtlinie 2004/24/EG eigentlich geht. Diese wurde, nebenbei bemerkt, bereits 2005 mit der 14. Novelle des deutschen Arzneimittelgesetzes in nationales Recht umgesetzt (§ 39a-d und § 141 AMG).
Die Richtlinie, die also ein ganz alter Hut ist, dient laut Titel zur Harmonisierung des EU-Verhältnisses von "Humanarzneimittel[n] hinsichtlich traditioneller pflanzlicher Arzneimittel". Was Arzneimittel sind, steht im Arzneimittelgesetz – Lebensmittel, Medizinprodukte oder Kosmetika gehören nicht dazu. Was es mit den "traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln" auf sich hat, und was harmonisiert werden soll, erfährt man bereits auf den ersten Seiten der Richtlinie.
Dort liest man, dass die Regulierung dieser traditionellen Arzneimittel bislang von den Nationalstaaten ganz unterschiedlich gehandhabt wurde, wodurch einerseits Wettbewerbsverzerrungen entstehen könnten und andererseits Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit nicht immer gegeben seien. Durch die Richtlinie sollen dies europaweit vereinheitlicht und damit verbessert werden.
Die Richtlinie bezieht sich außerdem ausschließlich auf so genannte Fertigarzneimittel, die industriell produziert und abgepackt werden. Sogenannte Rezepturarzneien, die grundsätzlich keinen Zulassungsprozess durchlaufen müssen und einem frisch in der Apotheke angerührt werden, sind von der Regelung überhaupt nicht betroffen. Und auch nicht die Kräuter, die auf der Wiese wachsen, denn diese sind schlicht keine Arzneimittel – und erst recht keine Fertigarzneimittel.
Es geht also überhaupt nicht darum, Kräutersammler zu kriminalisieren oder überhaupt Heilpflanzen zu verbieten. Erst wenn diese Pflanzen als Medikamente industriell vermarktet werden sollen, greift das Arzneimittelrecht, und man kann als Patient mit Fug und Recht fordern, dass diese Produkte ordnungsgemäß auf Sicherheit und Wirksamkeit geprüft werden.
Und das ist auch gut so, denn wohin kämen wir, wenn jeder seine Medikamente frei von "Behördenschikane" auf den Markt bringen könnte? Diese Verhältnisse hatten wir bereits: Bis 1971 mussten Medikamente lediglich registriert werden, ohne dass Wirksamkeit und Sicherheit von offizieller Seite kontrolliert wurden. Der Contergan-Skandal war schließlich eine Folge dieser Praxis. Zudem stehen "natürliche" Stoffe den "chemischen" in hinsichtlich der potenziellen Schädlichkeit in keinster Weise nach, denn man kann sich mit ihnen mindestens genauso gut vergiften. Jede Art von Medikament muss sich deshalb der Prüfungsprozedur unterwerfen – daran gibt es nichts zu deuten.
In der EU-Richtlinie ist nichtsdestotrotz ein Kompromiss eingebaut: ein Zugeständnis an die Hersteller, die normalerweise zahlreiche klinische und präklinische Studien vorlegen müssten, um Wirksamkeit und Sicherheit ihrer Produkte nachzuweisen. Es besteht ein vereinfachtes Registrierungsverfahren für pflanzliche Arzneimittel, die mindestens dreißig Jahre in dieser Zusammensetzung verwendet wurden und für die die beanspruchte Wirksamkeit damit "plausibel" ist. Zusätzlich muss die Unschädlichkeit der Anwendung nachgewiesen werden. Wenn die Hersteller verschlafen, diese Belege vor Verstreichen einer bereits im letzten Jahr ausgelaufenen Übergangsfrist vorzulegen, erlischt die Zulassung vieler traditioneller pflanzlicher Arzneimittel am 30.04.2011. Und das ist der eigentliche Grund der ganzen Aufregung.
Bis zum Ende der Petition hatten mehr als 115 000 Menschen für ein Anliegen unterzeichnet, das völlig ins Leere läuft. Spätestens, als der Fachverband der deutschen Heilpraktiker die Petition als "Panikmache" abgelehnt hatte, hätte man misstrauisch werden müssen. Nun könnte man darin eine Bestätigung sehen, dass Deutschland bisweilen doch noch nicht reif für direkte Demokratie ist.
Im Blogeintrag von Martin Ballaschk können Sie ebenfalls über das Thema diskutieren.
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