Freistetters Formelwelt: Die Mathematik hinter Halloween
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Die Jahreszeiten entstehen durch die Bewegung der Erde um die Sonne und die Neigung der Erdachse. Zwei Tage, die Sommer- und die Wintersonnenwende, spielen dabei eine besondere Rolle. Am ersten Tag erreicht die Sonne mittags ihre größte Höhe über dem Horizont, am zweiten ihre geringste. Man kann die Sonnenwenden aber auch über die so genannte scheinbare ekliptikale Länge der Sonne definieren, die sich durch diese Formel berechnen lässt:
Die ekliptikale Länge LS ist eine von zwei Koordinaten im ekliptikalen Koordinatensystem, das in der Astronomie verwendet wird. Seine Bezugsebene ist die Bahnebene, in der sich die Erde um die Sonne herum bewegt (die »Ekliptik«). Die Details sind komplex; vereinfacht gesagt ist LS ein Winkel, der in Richtung des Erdumlaufs gemessen wird. Nullpunkt für die Bestimmung ist der Ort, an dem die Sonne zur Tag-und-Nacht-Gleiche im Frühling (auf der Nordhalbkugel) steht. An diesem Tag ist LS = 0°; zur Wintersonnenwende beträgt LS dann 270° (zur Sommersonnenwende sind es 90° und bei Herbstanfang 180°).
Die oben angegebene Formel entstammt der Praxis der astronomischen Almanache, in der es darum geht, konkrete Berechnungen über die Position der Himmelskörper anstellen zu können (zum Beispiel die Zeit von Sonnenaufgang und -untergang). Deswegen ist sie auch als numerische Näherungsformel angegeben und wird aus einer geozentrischen Sicht betrachtet. Tatsächlich entspricht die ekliptikale Länge der Summe von mittlerer Anomalie und mittlerer Länge der Sonne (die ekliptikale Länge, die die Sonne hätte, wenn die Erdbahn kreisförmig wäre). In der Formel sind diese beiden Parameter durch die Werte q und g gegeben, aber auch diverse Korrekturfaktoren (zum Beispiel für die Aberration des Lichts) inkludiert.
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Dass gefeiert wird, wenn LS ein Vielfaches von 90° beträgt, ist nachvollziehbar. An den Tag-und-Nacht-Gleichen beginnen Frühling beziehungsweise Herbst, und das waren immer schon wichtige Tage für die Landwirtschaft. Viele Kalendersysteme legten den Jahresanfang auf den Frühlingsbeginn fest, was wir heute noch an religiösen Festen wie Ostern sehen können. Ebenso verständlich ist es, dass zur Wintersonnenwende gefeiert wird, wenn die langen Nächte endlich wieder kürzer werden. Dass wir Weihnachten nicht exakt zur Wintersonnenwende feiern, sondern ein paar Tage später, liegt an den Kalenderreformen, die im Lauf der Zeit stattgefunden haben.
Traditionen ändern sich, die Mathematik aber nicht
Auch ein Fest wie Halloween, das Ende Oktober begangen wird, hat eine Grundlage, die weit über die moderne Interpretation als Gruseltag für Kinder hinausgeht. In vielen Kulturen waren die Tage von Bedeutung, die genau zwischen Sonnenwende und Tag-und-Nacht-Gleiche liegen – also nicht Anfang und Ende der Jahreszeiten, sondern ihr Mittelpunkt. Der 1. Mai ist zum Beispiel auch heute noch ein Feiertag; und das nicht nur als Tag der Arbeit: In der keltischen Kultur war das der »Beltane«-Tag, einer der wichtigsten Festtage des Jahres.
Zwischen Herbstanfang und Winterbeginn können wir zwischen mehreren Feiertagen wählen. Aus der christlichen Tradition heraus kann man Allerheiligen und Allerseelen am 1. und 2. November begehen – oder aber am 31. Oktober den Reformationstag oder eben Halloween. In der irisch-keltischen Tradition war das ein Tag, an dem die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und der Toten durchlässig wurde, was an die modernen Halloweenfeiern erinnert. Tatsächlich gibt es jedoch keine Belege für eine kontinuierliche Entwicklung keltischer Tradition zu den modernen Bräuchen an Halloween.
Egal ob wir mit langer Tradition feiern oder nicht: Am Ende können wir nicht anders, als uns an dem zu orientieren, was die Astronomie vorgegeben hat. Traditionen ändern sich, die Mathematik dagegen nicht.
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