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Weitemeiers Widerspruch: Die Schlacht um das süße Gebäck

An Agavendicksaft scheiden sich die Geister. Die einen loben ihn als beinahe gesundes veganes Süßungsmittel, für die anderen ist er zuckriges Gift. Überraschung: Beides ist falsch.
Appetitliche Törtchen mit je einem Spielzeugsoldaten drauf. Ich finde es ja auch niedlich, aber es gibt immer einen, der versucht, die Figur mitzuessen - und sie dann in die Luftröhre kriegt.

Es ist ein Glaubenskrieg. Ausgetragen längst nicht mehr nur in veganen Kochbüchern und hippen Cafés – auch beim gemeinsamen Plätzchenbacken, bei der Wahl des Geburtstagskuchens oder beim Dinner mit Freunden ist es diese eine Frage, die die Küchen der Nation spaltet: Zucker oder Agavendicksaft?

Gegenüber stehen sich: die Mit-Agavendicksaft-ist-Backen-im-Grunde-sogar-gesund-Fraktion – und das oppositionelle Lager, fest überzeugt: Agavendicksaft ist, mehr noch als herkömmlicher Zucker, pures Gift. Und jetzt grätsche ich dazwischen und postuliere: Entspannen Sie sich! Beides ist falsch. Welche Art des Zuckers Sie benutzen, ist so ziemlich egal.

Eine – für manche ketzerische – These, die einer Erläuterung bedarf. Erste Erkenntnis vorneweg: Es gibt keine Studie, die die Wirkung von Agavendicksaft und Haushaltszucker auf den Körper unter kontrollierten Bedingungen vergleicht. Also müssen wir uns anders herantasten – über die Inhaltstoffe. Und die sind weitaus besser untersucht.

Während weißer Haushaltszucker aus Saccharose besteht, einem Zweifachzucker, der bei der Verdauung jeweils zur Hälfte in Glukose und Fruktose gespalten wird, steckt in Agavendicksaft zu etwa 90 Prozent Fruktose – Fruchtzucker wie in Obst. So lässt sich schon an dieser Stelle festhalten: Das Versprechen ganz ohne Zucker, mit dem viele Cafés ihre mit Agavendicksaft gesüßten Törtchen, Bananenbrote oder Zimtschnecken anpreisen, ist blanker Unsinn. Beides ist schlicht und einfach Zucker.

Studien-Showdown im Disaccharid-Dschihad

Der Unterschied: Alle Zellen unseres Körpers lieben Glukose. Ganz egal, ob im Herz, in den Muskeln oder im Hirn – Glukose kann sie alle direkt mit Energie beliefern. Fruktose dagegen tut das nur über Umwege: über die Leber. Einen Teil verwandelt diese einfach in Glukose, völlig harmlos. Mit einem weiteren Teil aber passiert etwas, was die Fruktose wie die dunkle, lasterhafte Schwester der Glukose erscheinen lässt: Die Leber baut sie in Fett um, das sie bei großen Fruktosemengen auch speichert.

So gibt es einige Studien, die die Agavendicksaft-ist-Gift-Fraktion zu bestätigen scheinen. Langfristig könne ein hoher Fruktosekonsum demnach das Risiko für eine Fettleber erhöhen, das Risiko für Insulinresistenz und damit Diabetes, für Übergewicht und erhöhte Blutfettwerte.

Klingt verheerend. Schaut man aber noch einmal genauer hin, so fällt auf: Diese durchaus unerwünschten Effekte treten in den Studien immer nur dann auf, wenn die Probanden durch den vielen Zuckerkonsum auch zunehmen. Bleibt das Gewicht gleich, schneidet die Fruktose plötzlich nicht mehr schlechter ab. Gleichstand.

Hinzu kommt, und jetzt gelangen wir zum zentralen Punkt: Bei den Mengen, die wir im Alltag so zu uns nehmen, ist die penible Differenzierung zwischen den beiden Zuckerarten ohnehin wenig relevant. Naschen wir mal ein Stück Kuchen hier, ein Dattel-Energiebällchen da, hat die Fruktose kaum eine Chance, ihre schädlichere Wirkung zu entfalten. Schon eher dann, wenn wir viel süße Fruchtsäfte und Limonaden trinken. Doch da wage ich zu unterstellen: Wer sich umfassend Gedanken darüber macht, welche Art des Süßens denn nun gesünder ist, wird dies kaum gedankenlos tun.

Ein Gift ist Agavendicksaft also schon einmal nicht. Bleibt noch das Argument der Agavendicksaft-Anhänger, die gesunden Begleitstoffe wie Mineralien, sekundäre Pflanzenstoffe und Spurenelemente im Agavendicksaft machten ihn eben doch gesünder als reinen, hochraffinierten Zucker. Aber auch das lässt sich schnell entkräften: Die pflanzlichen Stoffe haben laut aktuellem Forschungsstand in dieser Dosis keinerlei gesundheitlichen Nutzen.

Das Urteil von Experten fällt entsprechend hart aus: Das Einzige, was Agavendicksaft wirklich von Haushaltszucker unterscheidet, ist sein Preis. Gesünder wäre einzig und allein: weniger Zucker.

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