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Freistetters Formelwelt: Die Wahrscheinlichkeit des Haarausfalls

Wahrscheinlichkeiten abzuschätzen, gehört zu den Dingen, die uns Menschen intuitiv sehr schwerfallen. Ebenso wie zu akzeptieren, dass - zumindest vielen Männern - im Alter die Kopfhaare ausfallen. Aber dank Mathematik können wir wenigstens herausfinden, wie viele Leidensgenossen wir haben!
Mann mit Haarausfall

Das "Geburtstagsparadoxon" ist eines der beliebtesten Beispiele, um unsere Probleme mit Wahrscheinlichkeiten zu demonstrieren. Es geht dabei um die Wahrscheinlichkeit, dass zwei beliebige Menschen in einer Menschenmenge am gleichen Tag Geburtstag haben. Berechnen kann man sie mit dieser Formel:

Geburtstagsparadoxon

Geht man davon aus, dass ein Jahr 365 Tage hat (und ignoriert damit diejenigen, die am 29. Februar geboren wurden), und betrachtet man eine Menge von n Menschen, dann erhält man mit dieser Gleichung die Wahrscheinlichkeit P, dass zwei davon am selben Tag des Jahres geboren wurden. Der Ausdruck in der Klammer ist der so genannte "Binomialkoeffizient". Er gibt an, wie viele Teilmengen mit n Elementen eine Menge von 365 Elementen haben kann. Das Ausrufezeichen wiederum zeigt die mathematische Operation der Fakultät an: n! = 1*2*3*…*n.

Rein intuitiv neigen wir dazu, zu denken, dass es ziemlich viele Menschen in einer Menge braucht, um eine ausreichend große Chance auf zwei Geburtstage am gleichen Tag zu haben. Wie die Formel jedoch zeigt, reichen schon 23 Personen für eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent.

Bei der Konstruktion der Formel spielt das so genannte "Schubfachprinzip" eine wichtige Rolle. Diese Idee, die vermutlich das erste Mal im Jahr 1834 vom deutschen Mathematiker Peter Gustav Lejeune Dirichlet formal aufgeschrieben wurde, klingt trivial, hat aber faszinierende Konsequenzen. Sie besagt, dass bei der Verteilung von n Objekten auf m Mengen es immer eine Menge geben muss, die mehr als ein Objekt enthält, sofern n größer als m ist. Oder anders gesagt: Hat man zum Beispiel eine gewisse Menge an Dingen und eine gewisse Mengen an Schubfächern, in die diese Dinge aufgeteilt werden, dann müssen in irgendeinem der Fächer mindestens zwei Objekte landen, sofern es mehr Dinge als Fächer gibt.

Das Prinzip ist simpel und klingt fast schon zu einfach, um irgendeinen wertvollen Beitrag zur Mathematik leisten zu können. Doch wie so oft verstecken sich hinter der schlichten Fassade überraschende Erkenntnisse. Zum Beispiel folgt daraus, dass irgendwo in Deutschland zwei Personen leben müssen, die exakt gleich viele Haare auf ihrem Kopf haben. Ein typischer Mensch besitzt ein paar hunderttausend Haare; Deutschland weist aber rund 82 Millionen Einwohner auf. Teilt man alle Menschen in Fächer entsprechend der Zahl ihrer Kopfhaare ein, dann gibt es deutlich weniger Fächer als Menschen und damit auch Fächer, die mehr als nur eine Person enthalten.

Die Anzahl der Haare auf meinem eigenen Kopf hat sich in den letzten Jahren leider überraschend stark verringert. Und ob es irgendwo in Deutschland jemanden gibt, der genauso viele Haare hat wie ich, ist wieder ein ganz anderes Problem. Das ist auch genau der Punkt, an dem wir beim Geburtstagsparadoxon oft einen gedanklichen Fehler machen. Dort geht es darum, wie wahrscheinlich es ist, dass zwei beliebig herausgegriffene Menschen aus der Menge sich einen Geburtstag teilen. Oft wird es als die Frage interpretiert, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Person aus der Menge genau den gleichen Geburtstag hat wie man selbst. Dann handelt es sich jedoch nicht mehr um zwei zufällig ausgewählte Personen, und man muss die Wahrscheinlichkeit anders berechnen.

Um etwa eine Chance von mehr als 50 Prozent zu haben, dass jemand am gleichen Tag Geburtstag hat wie ich (am 28. Juli), braucht es keine 23 Menschen, sondern schon mindestens 253. Genauso ist es bei der Suche nach Menschen mit der gleichen Menge an Kopfhaaren, wie ich sie habe. Wenn ich noch ein paar Jahre warte, dann hat sich dieses spezielle Problem mangels Haaren allerdings sowieso von selbst erledigt.

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