Freistetters Formelwelt: Die Wissenschaft der perfekten Pistazie
Ich kann beim besten Willen nicht mehr sagen, wie ich auf diesen Fachartikel gestoßen bin. Aber im Browser meines Computers ist seit einiger Zeit ein Fenster geöffnet, das die Arbeit »Modeling of microwave-convective drying of pistachios« der beiden iranischen Ingenieure Ahmad Kouchakzadeh und Sahameh Shafeei anzeigt. Erschienen ist sie im Jahr 2010 in der Fachzeitschrift »Energy Conversion and Management« und sie hat mir ein Tor in die überraschend vielfältige Welt der Trocknungsforschung geöffnet.
Wobei ich zugeben muss, dass ich nicht weiß, ob es so etwas wie »Trocknungsforschung« tatsächlich gibt. Es existieren aber erstaunlich viele wissenschaftliche Fachartikel aus den verschiedensten Disziplinen, die sich mit der Frage beschäftigen, wie man diverse Früchte und andere Lebensmittel trocknet. In diesem Fall geht es um Pistazien: Kein Wunder, immerhin gehört der Iran zu den weltgrößten Produzenten. Die Steinfrüchte müssen getrocknet werden, bevor man sie verkaufen und konsumieren kann. Traditionell passiert das in der Sonne, industriell gibt es auch andere Methoden, zum Beispiel durch heiße Luft.
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Am Ende hängen Geschmack und Qualität der Pistazien immer von den Details dieses Prozesses ab. In der Arbeit aus dem Jahr 2010 wurden verschiedene mathematische Modelle untersucht, mit denen sich der Trocknungsprozess von Pistazien in der Mikrowelle beschreiben lässt. Von den acht untersuchten Gleichungen hat sich diese hier als beste herausgestellt:
MR ist das Verhältnis der ursprünglichen Feuchtigkeit zur Feuchtigkeit bei einem bestimmten Zeitpunkt t; k und n sind Parameter, die man experimentell bestimmen muss. In der Arbeit wurden komplexere Formeln, aber auch simplere Gleichungen untersucht – am Ende war es jedoch diese, die den speziellen Vorgang der Mikrowellentrocknung von Pistazien am besten beschrieben hat. Denn Pistazien verlieren zuerst sehr schnell Feuchtigkeit und dann im weiteren Verlauf der Trocknungszeit nur noch sehr wenig.
Das mag auf den ersten Blick nach ziemlicher Nischenforschung aussehen. Aber wenn man zu den weltgrößten Produzenten von Pistazien gehört, dann lohnt es sich definitiv, so genau wie möglich über die Produktionsschritte Bescheid zu wissen. Das gilt nicht nur für Pistazien: Ausgehend von dieser Arbeit bin ich immer tiefer in die Welt der Trockenfrüchte eingestiegen. Ich habe Fachartikel gelesen, die Titel tragen wie »Drying kinetics and rehydration characteristics of microwave-vacuum and convective hot-air dried mushrooms«, »Determination of moisture transport parameters of some fruits under open sun drying conditions« oder »Drying of parsley leaves in a solar dryer and under open sun: Modeling, energy and exergy aspects«.
Forschung für die Nahrungsmittel der Zukunft
Wenn man ein wenig genauer darüber nachdenkt, ist es gar nicht mehr so seltsam, dass Menschen auf der ganzen Welt mathematische Modelle entwickeln, die das Trocknungsverhalten von Lebensmitteln beschreiben. Der Entzug von Wasser ist eine bewährte Methode, um Obst, Getreide, Fleisch, Fisch und diverse andere Waren haltbar zu machen. Sie verlieren dadurch auch an Gewicht, was den Transport erleichtert – und im Gegensatz zu anderen Methoden leidet der Geschmack nicht darunter.
Je besser man über diesen Prozess Bescheid weiß, desto einfacher lässt er sich optimieren. Durch die Klimakrise müssen wir sowohl Energie- und Transportsektoren als auch Landnutzungsformen reformieren. Außerdem wird die Weltbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich weiterhin wachsen und damit die Anzahl der zu ernährenden Menschen. Angesichts dieser Lage ist es eigentlich überraschend, dass die Trocknungsforschung nicht viel mehr Aufmerksamkeit bekommt.
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