Hatts dufte Welt: Drei Sinne sorgen für Geschmack
Wer schon einmal so richtig erkältet war, kennt das Phänomen der verstopften Nase: Nichts »schmeckt« mehr. Die Schleimhäute sind geschwollen, kein Duftstoff erreicht die Rezeptoren. Das kann Vorteile haben, wenn es um übel riechende Medizin geht – man braucht sich nicht mehr die Nase zuzuhalten. Aber bei einem köstlichen Essen ist das richtig schade, denn dabei spielt die Nase eine Hauptrolle. Und wenn wir sagen: »Das hat mir super geschmeckt«, meinen wir eigentlich nicht das Schmecken, sondern ein Zusammenspiel von Geruchs-, Geschmacks- und dem Empfindungssinn des Trigeminus-Nervs.
Für das eigentliche Schmecken ist die Zunge zuständig. Im Gegensatz zur sensiblen Nase, die tausendfach zarte Blüten- und Gewürzaromen wahrnimmt, ist die Zunge allerdings eher simpel gestrickt. Sie besitzt Geschmacksknospen, die aussehen wie eine geschälte Navel-Orange, doch ihre Rezeptoren in den Sinneszellen (Orangenschnitze) nehmen nur die Basics auf: Zucker, Salz, Säure und Bitterstoffe. Dabei haben wir 25 verschiedene Rezeptortypen für Bitterstoffe, nur drei für süß und jeweils einen für salzig und sauer. Der Anteil der verschiedenen Typen ändert sich im Lauf des Lebens. Kinder (bis sieben Jahre) haben wenig Süßrezeptoren, es kann ihnen deshalb nicht süß genug sein, dafür aber mehr Rezeptoren für Bitterstoffe als Erwachsene.
Aus für die Supernasen
Deshalb mögen sie kein bitteres Gemüse und verweigern Rosenkohl und Spinat. Nicht um ihre Eltern zu ärgern, sondern um sich vor bitteren Dingen zu schützen wie zum Beispiel Nikotin, Kaffee oder Bier, die für sie schädlich sind. Auch pflanzliche Giftstoffe sind häufig bitter. Und während Süßes, Salziges und Saures überall auf der Zunge wahrgenommen werden, liegen die Bitterrezeptoren bevorzugt ganz hinten am Zungengrund, nahe dem Brechzentrum. Sie sind die letzte Analysestation des Körpers vor dem Schlucken. Oder dem Ausspucken. Pech für die Eltern!
Nach dem Kauen kommt die Nase ins Spiel. Sie ist nämlich untrennbar mit dem Mund verbunden. Durch eine spezielle Röhre wandern die freigesetzten Aromen sozusagen hintenherum in die obere Etage, wo die Riechzellen sitzen. 350 verschiedene Duftrezeptoren beginnen die ankommende Duftmischung zu analysieren. Keine einfache Aufgabe, denn Lebensmittel enthalten eine Mischung verschiedener Duftstoffe. Kaffee setzt sich zum Beispiel aus etwa 150 verschiedenen Stoffen zusammen.
Diese Duftmuster zu erlernen, ist ein komplizierter und mühsamer Prozess, und es ist gerade für Kinder wichtig, zuerst Naturaromen – also das Originalprodukt – riechen und schmecken zu lernen, bevor sie ihre Nase mit Imitaten aus künstlichen Aromen strapazieren. Feinschmecker und Sommeliers haben ihre Nasen jahrelang trainiert und können Lebensmittel oder Weine erkennen, die sich nur in wenigen Komponenten unter den Hunderten von Duftstoffen unterscheiden.
»Feine Zungen« gibt es also überhaupt nicht. Und auch mit den »Gaumenfreuden« ist es so eine Sache. Schmecken kann der Gaumen nämlich nichts, dafür kann er fühlen: das kühle Prickeln von Champagner, die sahnige Konsistenz von Mousse au Chocolat oder das Knackige beim Kauen von Cornflakes. Für dieses haptische Vergnügen, das »mouth feeling«, ist der Nervus trigeminus verantwortlich, der Dritte im Bunde der chemosensorischen Systeme.
Der Schoko-Nerv
Eigentlich ist er ein Warn- und Schmerznerv, der überall im Mund und in der Nase aktiviert werden kann. Seine Temperaturrezeptoren melden Kälte, wenn wir Menthol lutschen, lauwarme Temperaturen, wenn Thymol aus dem Öl von Thymian oder Oregano in der Nähe ist, oder Hitze bei richtig scharfer Currysoße. Wir brechen in Schweiß aus und empfinden sogar Schmerz, wenn der Koch allzu viel Capsaicin in Form von Pfeffer in die Sauce gerührt hat. Aber was im Übermaß weh tut, sorgt in der richtigen Dosis für den Pepp beim Essen.
Nicht zu unterschätzen ist der Trigeminus auch als Empfindungsnerv. Er erzeugt das wohlige Gefühl von Sahne und Fett im Mund und lässt uns den zarten Schmelz von Schokolade spüren. Unser Labor an der Universität Bochum konnte zeigen, dass auch das Barrique-Empfinden exklusiv von Rezeptoren auf dem Nervus trigeminus vermittelt wird. Dieses pelzig raue Mundgefühl, die so genannte Adstringenz, wird durch chemische Stoffe wie Gerbstoffe und Tannine ausgelöst. Wenn ein Wein im Eichenfass gelagert wird, entsteht der typische Barrique-Geschmack. Allerdings kann man diesen Geschmack inzwischen auch im Labor herstellen und so den Wein beliebig »nachbarriquen«. Ein Tropfen entspricht dabei einem Jahr Lagerung im Eichenfass.
Ob getäuscht oder echt: In der Belohnungs- und Glückszentrale unseres Gehirns, im Nucleus accumbens, werden alle Informationen von Geruchs-, Geschmacks- und Empfindungssinn verknüpft. Und wenn alles perfekt läuft, werden wir mit dem optimalen Glücksgefühl eines rundum vollkommenen Essens belohnt.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben