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Klimapolitik: Durban und die Wissenschaft

Der IPCC solle nur noch eine beratende Rolle im Klimaschutz spielen, beschloss die Politik in Durban. Das ist ein Aufruf an die Wissenschaft, zukünftig noch besser zu arbeiten.
Mojib Latif

Die 17. Weltklimakonferenz (COP 17) ist gerade im südafrikanischen Durban ohne konkretes Ergebnis zu Ende gegangen – das hatte die Politik bereits im Frühjahr dieses Jahres vorsichtshalber durchsickern lassen. Der Beschluss von Durban sieht nun vor, dass 2020 ein neues Abkommen in Kraft treten "soll". Die internationale Klimapolitik verliert sich also mehr und mehr im Land des Unverbindlichen. Trotzdem übten sich die verantwortlichen Politiker in Wortakrobatik und redeten das Ergebnis schön: Einen Durchbruch habe es gegeben. Einige sprachen sogar von einem Abkommen historischen Ausmaßes. Das sind aber nur virtuelle Erfolge, die kein normal denkender Mensch mehr nachvollziehen kann. Kanada, und das sagt alles, verabschiedete sich nur einen Tag nach dem Ende der Konferenz vom Kioto-Protokoll. Damit liegt die internationale Klimapolitik endgültig in Trümmern.

Mojib Latif | Prof. Dr. Mojib Latif, geboren 1954 in Hamburg, ist Professor für Klimaphysik am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel (IFM-Geomar).

Seit 1990, dem Jahr, auf die sich die im Kioto-Protokoll festgelegten Minderungsziele beziehen, ist der weltweite Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) um etwa 40 Prozent gestiegen; allein im letzten Jahrzehnt um 30 Prozent und von 2009 auf 2010 um ganze 6 Prozent – der für das vergangene Jahr verzeichnete Anstieg ist der höchste seit Beginn der Erhebungen. Die Zahlen sprechen damit eine eindeutige Sprache: Einen internationalen Klimaschutz gibt es nicht, er ist eine Illusion. Es gibt nur einen herbeigeredeten "gefühlten" Klimaschutz. Das 2-Grad-Celsius-Limit ist unter diesen Vorzeichen kaum mehr zu erreichen, also die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Das steht im krassen Gegensatz zu der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen von Rio de Janeiro aus dem Jahr 1992, die von praktisch allen Ländern unterschrieben wurde und die Vermeidung eines "gefährlichen" Klimawandels zum Ziel hat.

An den Zahlen kann man nicht rütteln: Sie sind unstrittig. Nun gibt es "folgerichtig" Bestrebungen, die künftige Klimapolitik nicht mehr nur an wissenschaftlichen Gesichtspunkten auszurichten wie bisher. Denn bislang waren die Ergebnisse des so genannten Weltklimarats, des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), die einzige Grundlage für die Verhandlungen. Jetzt heißt es in der Erklärung von Durban, dass "der Prozess (...) Informationen unter anderem aus dem Fünften Sachstandbericht des (...) IPCC (...) beziehen soll". Offenbar dämmert es der Politik, dass sie sich niemals oder erst viel zu spät einigen wird. Also ändert man am besten die Geschäftsgrundlage, damit man doch noch reale Erfolge feiern kann. Und da man die Physik nicht überlisten kann, müssen eben andere – weichere – Kriterien her. Die Politik verabschiedet sich folglich leise von der Wissenschaft.

Die Klimaforschung trägt daran allerdings eine Mitschuld: Sie hat der Politik gewissermaßen eine Steilvorlage geliefert. Wir bewegen uns in einem sensiblen Thema, das viele Implikationen für die Wirtschaft und auch jeden Einzelnen hat. Insofern sind wir zur besonderen Sorgfalt verpflichtet, wenn es um die Kommunikation wissenschaftlicher Ergebnisse an die Öffentlichkeit geht. Der Fehler im letzten IPCC-Bericht des Jahres 2007, nach dem die Himalajagletscher bereits bis 2035 verschwunden sein könnten, hätte nicht passieren dürfen. Bei der im Bericht zitierten Studie handelt es sich nicht um eine in einer Fachzeitschrift publizierte wissenschaftliche Arbeit, sondern um graue Literatur. Ein in Fachzeitschriften übliches anonymes Begutachtungsverfahren hätte mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit den Fehler entlarvt.

Wir müssen daraus lernen, denn nicht weniger als die Glaubwürdigkeit der Klimaforschung steht auf dem Spiel. Wir sind in der Pflicht, die wissenschaftlichen Qualitätsstandards gegen alle anderen Interessen rigoros durchzusetzen. Darüber hinaus müssen wir offensiv mit Fehlern umgehen. Diese sind unvermeidlich, wenn über 1000 Wissenschaftler an einem Bericht arbeiten. Wenn sie allerdings passieren, dann sollten wir sie sofort und an prominenter Stelle veröffentlichen – ein Verfahren, dass etwa bei Lehrbüchern gang und gäbe ist. Nur so vermeiden wir den absurden Vorwurf der Manipulation.

Wir werden als Wissenschaftler die Öffentlichkeit von der Belastbarkeit unserer Forschung nur dann überzeugen können, wenn sie uns vertraut. Das Klimaproblem ist vermutlich eine der größten Herausforderungen der Menschheit im 21. Jahrhundert, und die Auswirkungen eines ungebremsten Klimawandels wären mit großer Wahrscheinlichkeit ein Desaster: für die Natur, die Weltwirtschaft und die Weltsicherheit. Wir haben als Wissenschaftler nur unsere Glaubwürdigkeit in die Waagschale zu werfen, und diese erfordert ein Höchstmaß an Objektivität und Transparenz der Forschung. Wenn die Politik also die IPCC-Berichte nicht mehr allein als Basis für die Klimaverhandlungen ansieht, müssen auch wir uns die Frage stellen, was wir besser machen können. Die Klimaforschung darf der Politik keinen Vorwand liefern, um sich von der Wissenschaft abzukoppeln.

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