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Mäders Moralfragen: Eine Waffe gegen Malaria

Darf man eine Tierart ausrotten, um Menschenleben zu retten? Die neue Technologie "Gene Drive" könnte es möglich machen. Ihr Einsatz ist riskant, aber das Militär ist schon mal interessiert.
Malariamücke beim Blutsaugen

Bisher weiß niemand, wozu Anopheles-Mücken gut sind, außer dass sie jedes Jahr mehr als 200 Millionen Menschen mit Malaria infizieren. Daher könnte man auf diese Insektenart auch verzichten. Wer hat schon Mitleid mit Moskitos? Diese drastische Argumentation ist nicht nur hypothetisch, da seit einigen Jahren eine neue Technologie entwickelt wird, mit der man bestimmte Gene in einer Population durchsetzen kann: Sie werden zwangsweise an alle Nachkommen vererbt. Und wenn es sich um schädliche Gene handelt, kann die Art innerhalb weniger Generationen dezimiert werden. Auf diese Weise Malaria auszurotten, ist eine der nahe liegenden Anwendungsmöglichkeiten der Technologie, die "Gene Drive" genannt wird. Das Ende einer weiteren Art mag verschmerzbar sein im Kontext der Tatsache, dass derzeit einige hundert, vielleicht sogar einige tausend Tier- und Pflanzenarten im Jahr verschwinden – weil sie gejagt werden oder ihr Lebensraum zerstört wird.

Wissenschaftler sehen im Gene Drive Potenzial und wollen die Technologie weiter erforschen, wie im Herbst bei einem Journalistenworkshop der Nationalen Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) und einer Tagung des Deutschen Ethikrats deutlich wurde. Doch die Risiken liegen ebenfalls auf der Hand – und sind genauso wenig erforscht wie die Chancen: Eine Art zu eliminieren kann ein Ökosystem auf unvorhergesehene Weise aus dem Gleichgewicht bringen. Unklar ist auch, wie effektiv die Technologie ist: Die Mücken könnten rasch resistent werden, doch eine neue Analyse bescheinigt dem Gene Drive eine überraschend hohe Aggressivität. Beim Ethikrat sagte Arnim von Gleich von der Universität Bremen, dass es noch zu früh sei, von Chancen und Risiken der Technologie zu sprechen. Derzeit kenne man nur "Nutzenversprechen und Besorgnisgründe". Trotzdem drängt sich die Frage auf, wie man mit dem Gene Drive umgehen sollte. Sollten wir die Forschung fördern – und gar Freilandversuche erlauben?

Gegen Malaria helfen auch Moskitonetze

Es gibt noch andere Möglichkeiten, die Malariaepidemie einzudämmen: zum Beispiel Insektizide zu versprühen oder Moskitonetze über Betten zu hängen. Es gilt also nicht nur, das ökologische Risiko des Gene Drives gegen den möglichen Nutzen abzuwägen, sondern auch den Nutzen gegen die Effektivität weniger riskanter Maßnahmen. Gene Drive zählt zu den so genannten "Technofixes", die eine Lösung auf einen Schlag versprechen, während andere Maßnahmen viel Geduld erfordern. Bei solchen technischen Hauruck-Lösungen ist eine grundsätzliche Skepsis angebracht, denn was in der Theorie elegant funktioniert, kann in der Praxis durchaus kompliziert werden.

Wie diese Abwägung ausgeht, lässt sich noch nicht absehen. Doch es zeichnet sich schon jetzt ein weiterer Grund für Skepsis ab: das Interesse des Militärs. Die Umweltschutzorganisation ETC Group hat die Veröffentlichung von E-Mails erstritten, die belegen, dass die US-amerikanische Militärbehörde DARPA die Gene-Drive-Forschung mit vielen Millionen Dollar fördert. Das berichtete der britische "Guardian". Und hier warnt die Biowaffenexpertin Filippa Lentzos vom King’s College London: In der Vergangenheit haben neue Methoden auch das Interesse an biologischen Waffen geweckt. So sei es in den 1970er und 1980er Jahren nach der Entwicklung der rekombinanten DNA gewesen, mit der sich das Genom verändern lässt. "Es gab die klare Absicht, diese Technologie offensiv zu nutzen", sagt Lentzos.

Lentzos setzt sich daher für eine Modernisierung der Biowaffenkonvention ein, denn es reicht ihrer Ansicht nach nicht aus, die Entwicklung von Waffen bloß zu verbieten, wie es das Abkommen tut. Es müsse auch Vertrauen zwischen den Staaten wachsen, sagt sie. Als positives Beispiel hebt sie Deutschland hervor: An der Universität der Bundeswehr konnte eine Gruppe internationaler Beobachter im vergangenen Jahr die Labors besichtigen, in denen biologische Gefahrenabwehr betrieben wird. Auf einer Tagung der Vertragsstaaten der Biowaffenkonvention forderte Lentzos vergangene Woche im Namen von 19 Nichtregierungsorganisationen, diese Maßnahmen auszubauen: "Für die Gesundheit der Konvention ist es unerlässlich, alle Möglichkeiten der Rückversicherung auszuloten und zu nutzen." Die ETC Group wird diese Woche hingegen eine Tagung der Konvention zur biologischen Vielfalt nutzen, um die Diskussion über ein Moratorium der Gene-Drive-Forschung voranzutreiben.

Die Moral von der Geschichte: Technologien, die sich missbrauchen lassen, gehören in die Hände von besonders vertrauenswürdigen Einrichtungen.

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