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Gute Nacht – die Kolumne für besseren Schlaf: Besser Essen, besser schlafen?

Ein Kirsch-Cocktail zur guten Nacht oder lieber eine Nuss? Wie die falsche Ernährung uns wachhalten kann – oder die richtige den Schlaf unterstützt.
Blick von oben auf ein Glas mit rotem Cocktail, Eis und zwei Kirschen darauf, das Glas steht auf einem türkisfarbenen Teller, auf dem weitere Kirschen liegen (in Unschärfe).
Kirschen sollen beim Einschlafen helfen – dank des enthaltenen Tryptophans. Auf TikTok machten Influencer daraus Kirsch-Cocktails als Schlaftrunk. Nun ja …
Ob für das Lernen, die Laune oder die Gesundheit – guter Schlaf ist lebenswichtig. Doch leider klagen viele Menschen über Schlaflosigkeit oder Schlafprobleme. In der Kolumne »Gute Nacht – die Kolumne für besseren Schlaf« gehen wir regelmäßig auf Hintergründe zum Thema Schlaf ein und geben Tipps, wie Sie (wieder) besser ein- und durchschlafen.

Wer hätte es noch nicht bereut, das üppige Hühnchen am Abend, vielleicht noch mit einem (drei) Glas Wein obendrauf? Ich zumindest habe schon nach so manch gutem Essen wach gelegen und gewartet, dass passiert, was eigentlich nicht passieren kann: Ich wollte schlafen. Und konnte es nicht.

Gefühlt wissen wir: Wenn wir mittags reichlich essen, ist der Schlaf kaum abzuhalten. Essen wir abends »schwer«, dann bleiben wir wach. Dass die letzte Mahlzeit drei Stunden vor dem Zubettgehen gegessen sein soll, rät uns die Schlafhygiene. Und das Internet ergänzt, sucht man nach Schlaf und Ernährung, mit allerlei Hilfsmitteln, vom Kirschsaft bis zur rezeptfreien Pille. Das ist ganz schön kompliziert für etwas, das der Körper eigentlich allein können sollte. Was läuft da schief?

Schlaf – eine Ernährungswissenschaft für sich?

Zunächst einmal müssen wir sagen: Einen eindeutigen Einfluss der Ernährung auf Schlaf gibt es nach derzeitigem Wissensstand nicht. Das berichtet ein Team um den Schlafmediziner Nikolaus Netzer im Fachmagazin »Sleep and Breathing«. Stattdessen sei es der verkürzte oder fragmentierte Schlaf, der auf Ernährung und Fettverbrennung wirke. Schlaf macht uns anfälliger für die Risiken ungesunder Ernährung.

Forschende sehen ebenfalls Hinweise darauf, dass Fettzellen den Schlaf-wach-Zyklus beeinflussen. In Studien mit Tieren wirkten die braunen Adipozyten sowohl auf Hormone als auch auf Neuromediatoren. Vereinfacht können wir sagen: Braunes Fett beeinflusst, wie unser Körper kommuniziert. Und dabei wirken die Signalstoffe der braunen Fettzellen und das Melatonin aufeinander. Die wahre Gefahr für den Schlaf liegt also nicht in der einzelnen Mahlzeit – sie liegt im Übergewicht.

Und tatsächlich wurde beobachtet, dass späte Mahlzeiten mit nächtlichem Erwachen in Verbindung stehen – unabhängig davon, ob die Menschen Übergewicht hatten oder nicht.

Und was ist jetzt mit dem Hühnchen?

So ging aus einer Befragung von fast 100 000 Menschen hervor, dass Fleischessende schlechter schliefen als Menschen, die vor allem pflanzliche Proteine zu sich nahmen. Milchprodukte und Fisch wirken sich der Untersuchung zufolge nicht oder positiv aus.

Solche Studien müssen wir mit Vorsicht betrachten. Die Untersuchung gibt natürlich eine tolle Erzählung her: Fleisch ist schlecht für den Schlaf! Doch fehlt dieser Studie trotz der großen Stichprobe eine Untersuchung der Kausalität: Wirkt hier die Ernährung auf den Schlaf? Wirkt der Schlaf auf die Ernährung? Wirkt ein dritter Faktor auf beide, und wenn ja: wie? Das müssen wir wissen, wenn wir über Nachrichten sprechen, nach denen ein Lebensmittel guten Schlaf verspricht. Viele dieser Geschichten benennen nur einen Zusammenhang zwischen Ernährung und Schlaf, aber nicht dessen Ursache. In den Studien steht das übrigens genau so drin, nur schafft es dieser Fakt nicht immer bis in die öffentliche Debatte hinein.

Wundermittel Kirsch-Cocktail?

Eine Ausnahme sind Lebensmittel, die bestimmte Wirkstoffe enthalten, die den Schlaf fördern. Bei ihnen ist eine tatsächliche Wirkung teilweise belegt. Bekannt sind das Schlafhormon Melatonin und seine Vorstufe Tryptophan. Sie verhalfen in diesem Frühjahr dem Sauerkirschsaft zu einigem Ruhm, denn der enthält beide Stoffe. Vor allem die Montmorency-Kirsche soll uns helfen. Es folgten: TikTok-Videos mit Sauerkirschsaft-Cocktails, komplett mit Partykirschen auf einem Spießchen. Cheers.

Die Wissenschaft dahinter ist aber nicht neu, sondern von 2010, doch für den Hype brauchte es vielleicht spezielle Bedingungen. Denn zwar enthalten 100 Gramm Montmorency-Sauerkirsche tatsächlich neun Milligramm Tryptophan, allerdings ist das nicht viel. Außerdem ist in Sauerkirschsaft halt auch noch etwas anderes drin: andere Bestandteile der Pflanze – und eben Wasser. Wer es mit dem Saft der Montmorency-Sauerkirsche probieren will, der tut damit nicht grundsätzlich etwas Falsches. Es wäre aber wichtig, den richtigen Saft der echten Montmorency-Sauerkirsche zu besorgen und diesen nicht direkt vor dem Schlafengehen zu trinken, weil sonst der Harndrang droht. Ach ja: Zucker sollte natürlich auch nicht zugesetzt sein. Und ganz sicher keine Limonade, wie auf TikTok empfohlen wird.

Schlaffördernde Snacks

Natürlich gibt es auch Lebensmittel, die ebenfalls recht viel Tryptophan enthalten und leichter zu besorgen sind: Eier, bestimmte Käsesorten wie Parmesan oder Emmentaler, Sojabohnen und Erdnüsse, Cashews und Walnüsse, um nur einige zu nennen. Das Problem aus der Perspektive der Schlafberatung: Während solche Lebensmittel physiologisch tatsächlich helfen können, richten sie emotional vielleicht Schaden an. Deshalb lohnt es sich, mit einer gewissen Vorsicht an sie heranzugehen.

Grundsätzlich ist es eine gute Idee, Schlafproblemen mit Umstellungen im Lifestyle zu begegnen. Ausgewogene Ernährung spielt dabei eine Rolle, vor allem mit Blick auf das Gewicht. Im Körper werden diese Lebensmittel wahrscheinlich leicht schlaffördernd wirken. Doch der Schlaf soll nicht zwingend von ihnen abhängen. Wer also unglücklich im Bett liegt und eine schlaflose Nacht erwartet, weil die Cashews alle waren, den erwartet wahrscheinlich eine schlaflose Nacht. Dafür können die Cashews aber nichts, das war dann der Kopf – genauer gesagt: die Erregung, die aus der Sorge resultiert.

Eine Nuss und ein Glas Saft werden Schlafprobleme nicht lösen. Grundsätzliche Änderungen aber schon: Wer gleich morgens 20 Minuten rausgeht, um ein leckeres Frühstück vom Bäcker zu holen, der tut seinem Schlaf damit etwas Gutes. Das liegt dann aber am Tageslicht (Herbst- und Winterlicht reichen völlig!) und der Aktivierung des Körpers, nicht am Croissant. Essen Sie das Croissant trotzdem. Bis heute Abend haben Sie es verdaut. Und wenn Ihnen ein Glas Sauerkirschsaft am Abend Sicherheit gibt, dann ist auch das ein guter Start für besseren Schlaf.

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