Gentechnisch veränderte Organismen: Ethik-Desaster beim Goldenen Reis
Ein Gericht hat jetzt beschlossen, dass eine umstrittene Ernährungsstudie über den gentechnisch veränderten "Goldenen Reis" durch das "American Journal of Clinical Nutrition" zurückgezogen werden darf. Ein wichtiges Signal, denn die Studienleiterin Guangwen Tang beschädigt seit Jahren durch ihr Verhalten die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft.
Dass Daten und Schlussfolgerung der Ernährungsstudie valide sind, laut denen der so genannte Goldene Reis bei Kindern gegen Vitamin-A-Mangel hilft, steht selbst unter den wissenschaftlichen Kritikern von Tangs Vorgehen weit gehend außer Frage. Trotzdem wäre hier die Forderung verfehlt, eine Studie bloß wegen ihrer Qualität nicht zurückzuziehen – und damit ihrer Autorin quasi einen ethischen Blankoscheck zu geben.
Es geht dabei keineswegs um Kleinigkeiten. Bereits kurz nachdem die Studie erschien, berichtete "Nature" unter Berufung auf das chinesische Staatsfernsehen über Unregelmäßigkeiten bei der Studie. Tang habe den Reis ohne angemessene Kennzeichnung illegal nach China gebracht und die Zulassung durch lokale Behörden gefälscht. Vor allem aber seien die Familien der Kinder zwar informiert worden, dass der Reis zusätzliches Betacarotin enthalte, nicht aber, dass es sich um gentechnisch veränderte Pflanzen handelte. Das muss man den Teilnehmern jedoch erzählen.
Diese zwei Probleme benannte das "American Journal of Clinical Nutrition" nun als wesentliche Gründe dafür, die Veröffentlichung zurückzuziehen. Nach den Sanktionen gegen die beteiligte Arbeitsgruppe – Tang verlor zeitweilig ihre Zulassung für Studien an Menschen und forscht nun unter Aufsicht, zwei chinesische Forscher verloren ihre Jobs – setzt die Zeitschrift damit nun ein Signal, dass Forschungsethik auch für die Veröffentlichungspraxis relevant ist und damit zumindest teilweise unabhängig von Ort und Institution.
Dass Forschungsgruppen und Unternehmen gerade in der Medizin in anderen, laxer regulierten Ländern strenge ethische Regeln umgehen, dieser Verdacht steht schon länger im Raum. Zumal es wenig abwegig ist, in Ländern mit schlechtem Gesundheitssystem schneller Versuchspersonen zu finden, einfach weil die Menschen so Zugang zu medizinischer Versorgung bekommen, den sie sonst nicht hätten. Stellt das schon Ausbeutung dar?
Vor dem Hintergrund solcher nur teilweise gelösten ethischen Fragestellungen kann man ein so deutliches Bekenntnis zu ethischen Regeln auch bei erfolgreichen Studien in anderen Weltregionen nur begrüßen. Für die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft wäre es ein fatales Signal, wenn Schutz und Selbstbestimmung der Versuchspersonen im Ernstfall nur auf dem Papier stünden. Umso wichtiger, dass sich im Fall dieser Veröffentlichung wirklich alle Beteiligten klar zu ethischer Forschung bekannt haben – die Tufts University, das chinesische Center for Disease Control and Prevention, das American Journal of Clinical Nutrition und nun schließlich auch das Oberste Gericht des US-Bundesstaats Massachusetts.
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