Eulbergs tönende Tierwelt: In höchsten Tönen

Im Spätsommer kann man in Gebieten mit hoher Vegetation häufig einen schwirrend ratternden Sound hören, der wie das gleichmäßige Geräusch eines Rasensprengers oder eines Fahrrads im Leerlauf klingt. Dann gibt es meist zwei Möglichkeiten, welches Tier der Urheber dieser surrenden Töne ist: Zum einen könnte es ein Vogel aus der Gattung der Schwirle (Locustella) sein, wie etwa der Feldschwirl:
Schon dessen englischer Name, »grasshopper warbler«, weist darauf hin, welche andere Tierart den Klang erzeugen könnte: ein Vertreter aus der Ordnung der Heuschrecken (Orthoptera). Die größte heimische Heuschreckenart ist das Grüne Heupferd (Tettigonia viridissima) mit einer reinen Körperlänge von bis zu vier und einer Spannweite von bis zu zehn Zentimetern. Seinen Namen verdankt es der Tatsache, dass sein Kopf dem eines Pferdes ähnelt. Es zählt zur Unterordnung der Langfühlerschrecken, was man ohne jeden Zweifel an den etwa fünf Zentimeter langen Fühlern erkennen kann. Von Spätsommer bis Ende Oktober vernimmt man in trockenwarmen Habitaten wie Trockenrasen, Äckern, Waldrändern, Brachen, aber auch in Gärten bis zu 100 Meter weit die Stridulationslaute der Männchen:
Vom späten Nachmittag bis in die tiefe Nacht hinein nehmen die männlichen Heupferde exponierte Singwarten ein, um sich gegenseitig zu überbieten. Dazu begeben sie sich sogar auf Baumwipfel. Da sie gute Flieger sind, können sie Bäume oder Gebüsche problemlos erreichen. Sie erzeugen die schwirrenden Sounds, indem sie ihre Flügel rasch gegeneinander bewegen: Dabei reiben sie die gezahnte Schrillleiste unter dem linken Flügel über eine Schrillkante des rechten. Ein spiegelartiger Resonanzkörper im Innern beider Flügel verstärkt das Geräusch.
Der Gesang besteht stets aus kurzen zweisilbigen Versen, welche die Insekten zu langen Strophen aneinanderreihen. Das Frequenzmaximum liegt zwischen 9,7 und 12,5 Kilohertz (zum Vergleich: Der höchste Ton auf einer Klaviertastatur, das fünfgestrichene c, liegt bei knapp 4,2 Kilohertz). Das Spektrum des Sounds geht jedoch deutlich in den Ultraschallbereich bis 40 Kilohertz hinauf, was man etwa wunderbar mit einem Fledermausdetektor erforschen kann. Interessanterweise verändert sich der Gesang mit der Temperatur: Je wärmer es ist, desto höher ist die Schlagzahl an Versen. So werden bei 33 Grad Celsius bis zu 22 Verse in der Sekunde erzeugt, bei 10 Grad Celsius hingegen nur noch 4 bis 5 Verse pro Sekunde. Je nach Witterung kann man die Stridulationssounds deshalb rasch mal für die Laute unterschiedlicher Arten halten.

Weibliche Heupferde lassen sich leicht von den Männchen unterscheiden, da sie zusätzlich eine etwa drei Zentimeter lange Legeröhre besitzen, den Ovipositor. Mit ihr bohren sie ein Loch in den Boden, in das sie im Schnitt 300 Eier einzeln ablegen. Dort überwintern die Gelege mindestens zweimal. Sie können hier sogar bis zu erstaunliche fünf Jahre überdauern. Die Larven schlüpfen Ende April und durchlaufen anschließend sieben Larvenstadien. Erst im letzten Entwicklungsstadium sind sie flugfähig. Die erwachsenen Tiere, die Imagines, sieht man ab August.
Die Hörorgane der Heupferde, die Tympanalorgane, befinden sich in den Schienen der Vorderbeine, nahe der Knie. Man kann sie mit bloßem Auge als jeweils zwei längliche Schlitze erkennen. Die Heupferde hören mit diesen Organen aber nicht nur, sondern nehmen über sie bereits kleinste Erschütterungen wahr und sind so vor Fressfeinden frühzeitig gewarnt.
- Das Grüne HeupferdHier finden Sie alle wichtigen Eckdaten und Beobachtungstipps rund um das Grüne Heupferd.
- Steckbrief
- Beobachtungstipps
Heupferde sind Allesfresser. Sie ernähren sich hauptsächlich von kleineren Insekten und deren Larven, fressen aber auch kranke oder schwache Artgenossen. Im blitzschnellen Sprung packen sie ihre Beute mit den Vorderbeinen und zerbeißen sie umgehend mit den kräftigen Mandibeln. Auch Pflanzenteile stehen auf ihrem Speiseplan, etwa Löwenzahn, Brennnessel, Vogelmiere oder Brombeerblätter.
Selbst wenn Heupferde zu den häufigen heimischen Heuschreckenarten zählen, sind ihre Bestände, wie die der meisten Insekten, durch intensive Landnutzung und den Einsatz von Insektiziden in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. Dabei sind sie für die Regulation der Ökosysteme überaus wertvoll, da etwa ihre Larven den Bestand von Blattläusen in Schach halten.
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