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Eulbergs tönende Tierwelt: Rasanter Jäger in luftiger Höhe

Auf der Jagd nach Insekten fliegt der Große Abendsegler (Nyctalus noctula) mit erstaunlicher Geschwindigkeit über Baumwipfel hinweg. Seine Echoortungsrufe im Ultraschallbereich nehmen wir nicht wahr – zum Glück, denn sie können die Lautstärke eines Presslufthammers erreichen. Unser Kolumnist hat sie für uns hörbar gemacht.
Buntstift-Zeichnung des Großen Abendseglers auf dunklem Hintergrund
Der Große Abendsegler ist eine der größten Fledermausarten Deutschlands und hat rostbraun glänzendes Fell.
Wissen Sie, wie ein Siebenschläfer klingt? Oder ein Reh? Warum der Pirol auch Regenkatze genannt wird? Vermutlich nicht – obwohl all diese Lebewesen Teil unserer heimischen Fauna sind. In der Kolumne »Eulbergs tönende Tierwelt« stellt der Techno-Künstler, Ökologe und Naturschützer Dominik Eulberg faszinierende Exemplare aus der Tierwelt vor unserer Haustür vor.

Wenn ich in der Abenddämmerung meine Runden drehe, um den ein oder anderen Vogel zu erspähen, kommt es immer wieder vor, dass ich ihn sehe: den Großen Abendsegler (Nyctalus noctula). Im ersten Moment denke ich an eine Schwalbe oder einen Mauersegler – aber es ist kein Vogel, der dort auf Insektenjagd unterwegs ist, sondern ein Säugetier. Die Fähigkeit zu fliegen hat sich in der Evolution gleich viermal unabhängig voneinander entwickelt. Zuerst waren es die Insekten, dann folgten die Flugsaurier, anschließend die Vögel. Und vor rund 50 Millionen Jahren eroberte schließlich eine Gruppe von Säugetieren den Luftraum: die Fledertiere.

Diese biologische Ordnung teilt sich in die beiden Unterordnungen Flughunde und Hufeisennasenartige sowie Fledermäuse auf. Ihr wissenschaftlicher Name lautet Chiroptera, also »Handflügler«. Fledertiere fliegen nämlich tatsächlich mit ihren Händen. Denn anders als bei den Vögeln sind ihre Finger und Mittelhandknochen nicht zurückgebildet. Im Gegenteil: Ihre ellenlangen Finger sind vollständig in die Flughaut integriert. Damit ist der gesamte Flügel sehr beweglich, wodurch die Tiere deutlich manövrierfähiger als Vögel sind. Der Name Fledermaus stammt von dem althochdeutschen Wort »Fledarmūs« ab und bedeutet so viel wie »Flattermaus«. Doch obwohl sie auf den ersten Blick einer Maus recht ähnlich sehen, gehören sie nicht zu den Mäusen: Fledermäuse sind näher mit dem Maulwurf und dem Igel verwandt.

Fledertiere haben nicht nur den Luftraum erobert, sondern auch die Dunkelheit. Mit ihrem raffinierten Ultraschall-Echoortungssystem können sie selbst in tiefster Nacht treffsicher jagen. Die Abendsegler-Sounds klingen ein bisschen wie ein springender Flummi oder der Ball bei einem Tischtennismatch. Wenn wir die Frequenz in den für uns hörbaren Bereich herunterregeln, hören wir ein rhythmisches »Plipp-plopp«:

Im Gegensatz zu den Echoortungsrufen, die wir normalerweise nicht wahrnehmen können, sind viele ihrer Soziallaute für uns hörbar. Männliche Abendsegler geben im Herbst trillernde Balzrufe von sich, die auch von einem Singvogel stammen könnten. Meine gute Freundin Rym Nouioua, Fledermausforscherin an der Universität Wien, hat sie während waghalsiger Kletteraktionen für uns aufgenommen:

Mit diesen Lauten locken die Männchen vorbeiziehende Weibchen in ihre »Balzhöhlen«. Teilweise versperren sie den Ausgang und halten sich so über mehrere Tage einen Harem. Fledermäuse sind äußerst soziale Tiere, die in geselligen Gruppen leben. Man hat sogar nachgewiesen, dass sie individuelle Unterschiede in den Stimmen ausmachen können und regelrechte Freundschaften schließen. Der Große Abendsegler ist eine typische baumbewohnende Art, die durch den Verlust von Baumhöhlen bedroht ist: Sowohl die Quartiere, in denen die Weibchen gemeinsam ihre Jungen aufziehen (so genannte Wochenstuben), als auch die Sommerquartiere der Männchen befinden sich in Höhlen alter Bäume.

Der Große Abendsegler | Die Vorderextremitäten der Fledertiere sind zu Flügeln umgebildet – die Mittelhand- und Fingerknochen dabei enorm verlängert. Die elastische Flughaut spannt sich zwischen den Fingern und den Hinterfüßen bis hin zum Schwanz.

Dank seiner schmalen, spitzen Flügel und dem kurzen, eng anliegenden Fell ist der Körper des Großen Abendseglers aerodynamisch an das Jagen in der Luft angepasst. Bei seinen nächtlichen Beutezügen wird er bis zu 60 Kilometer pro Stunde schnell. Mit diesem vergleichsweise hohen Speed ist er ein optimaler Jäger des freien Luftraums, der meist über dem Kronendach von Wäldern, Gewässern oder Wiesen umherstreift. Dabei steigt er auch in für Fledermäuse erstaunliche Höhen von bis zu 500 Metern auf.

Während ihrer rasanten Jagd kann der Puls von Fledermäusen auf über 1000 Schläge pro Minute steigen. Kein Problem für sie, da sie proportional zum Körpermaß das größte und effizienteste Herz aller Säugetiere haben. Um bei den hohen Fluggeschwindigkeiten vorausschauend agieren zu können, braucht das Echoortungssystem des Abendseglers einen sehr hohen Schalldruck. Die über den Mund ausgestoßenen Schallwellen haben eine enorme Reichweite von 150 Metern. Dabei wird eine Lautstärke von mehr als 120 Dezibel erreicht, was in etwa der eines Presslufthammers entspricht. Zum Glück spielt sich das Ganze im Ultraschallbereich ab, also oberhalb der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit. Das Ortungssystem mancher Fledermäuse arbeitet so genau, dass es sogar Objekte erkennen kann, die kleiner als ein Zehntel Millimeter sind; dünner als ein Haar.

  • Der Große Abendsegler

    Hier finden Sie alle wichtigen Eckdaten und Beobachtungstipps rund um den Großen Abendsegler.

  • Steckbrief

    Klasse: Säugetiere

    Ordnung: Chiroptera

    Familie: Glattnasen

    Größe: 6,9 bis 8,2 Zentimeter

    Gewicht: 19 bis 42 Gramm

    Fortpflanzungsperioden pro Jahr: eine

    Nachkommen pro Periode: 1 bis 3

    Höchstalter: 12 Jahre

    Bundesweiter Gefährdungsgrad (Rote Liste): Vorwarnliste

  • Beobachtungstipps

    Den Großen Abendsegler kann man am besten in der Abend- oder Morgendämmerung im freien Luftraum über Wäldern, Gewässern oder Wiesen beobachten

    Im Jagdflug | Der Große Abendsegler geht bevorzugt in Gebieten auf die Jagd, die eine sehr hohe Insektendichte haben.

Mit einer Spannweite von bis zu 40 Zentimetern ist der Große Abendsegler einer der größten Vertreter unter den 25 heimischen Fledermausarten. Ähnlich wie Zugvögel, migrieren viele Abendsegler im Winter in für sie günstigere Regionen. Auf diesen Wanderungen zwischen Sommer- und Winterquartieren legen sie sehr weite Strecken zurück. Die längste gemessene Route betrug 1546 Kilometer. Allerdings verbleiben immer mehr Individuen auf Grund der Klimaerwärmung in unseren Gefilden.

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